Chronologie:

Die Klägerin ließ sich in 2017 Brustimplantate des Herstellers Allergan einsetzen, die im Verdacht stehen karzinomauslösend zu sein. Diese wurden im Dezember 2018 vom Hersteller zurückgerufen, nachdem der CE-Zertifizierer die Weitervertreibung untersagt hatte. Sie begehrt nunmehr von ihrem Rechtsschutzversicherer LVM den Deckungsschutz für die Vorgehen gegen insgesamt vier Schädiger: den Hersteller, den Implanteur, den CE-Zertifizierer und dessen Aufsichtsbehörde. Mit der vorliegenden Klage werden lediglich die Deckungszusagen für die Vorgehen gegen Hersteller und Implanteur begehrt, die beiden weiteren Vorgehen sind bereits an anderer Stelle gerichtsanhängig.

Verfahren:

Das Landgericht Münster verurteilt die LVM mit klarer und passender Diktion, der Klägerin den begehrten Deckungsschutz für die beiden Vorgehen zu erteilen. Die Vorstellung des Beklagtenvertreters Henssen, es handele sich bei den vier Vorgehen lediglich um "einen Rechtsschutzfall", führt das Gericht ad absurdum. Auch stellt das Gericht ausdrücklich heraus, dass selbst im Falle einer kolportierten "Gesamtschuldnerschaft" der vier Schädiger, die Klägerin diese gleichzeitig und völlig unabhängig voneinander jeweils auf die volle Summe verklagen könne (§ 421 BGB). Die Behauptung der Beklagten, die vorgerichtlichen Vorgehen hätten keine Aussicht auf Erfolg, weil der Hersteller und die Implanteure nie zu einer vorgerichtlichen gütlichen Einigung bereit seien, seien von der Beklagten weder vorgetragen, noch ersichtlich, daher habe die LVM alle vier Vorgehen abzudecken. Gleiches gelte für den begehrten Deckungsschutz für die erstinstanzliche Verfolgung.

Anmerkungen von Ciper & Coll.:

"Legalisierte Kriminalität" im Zusammenhang mit Versicherungen bezeichnet den Vorwurf, dass Versicherer rechtliche Schlupflöcher, intransparente Klauseln oder systematische Leistungsverweigerungen nutzen, um Kunden berechtigte Ansprüche vorzuenthalten. Dabei bewegen sie sich formal im Rahmen des Gesetzes, handeln aber moralisch fragwürdig!

Es gibt in der deutschen Rechtsschutzversicherungsbranche einige "schwarze Schafe", was der Öffentlichkeit nicht bekannt ist. Grundsätzlich ist ein Rechtschutzversicherer rechtlich dazu verpflichtet, auf Deckungsanfragen der Anwaltschaft "unverzüglich", das heißt innerhalb von zwei Wochen einen Deckungsschutz zu erteilen, oder diesen abzulehnen. Das passiert zum Leidwesen der Versicherungsnehmer und deren Anwälten aber in der Regel nicht! Ganz im Gegenteil muss die Anwaltschaft sich oftmals mit diesen Versicherern lange Zeit "herumschlagen", bis die Einsicht eintritt, abdecken zu müssen und auch zu zahlen. Empirische Untersuchungen haben dargelegt, dass über 60 Prozent aller Ablehnungen zu Unrecht erfolgen. In solchen Fällen bleibt dem Kunden nichts anderes übrig, als den Versicherer mittels einer Deckungsklage in Anspruch zu nehmen. Nachweislich negativ heben sich aktuell bei den von Ciper & Coll. bearbeiteten rund 1.200 Mandaten die DEVK, HUK Coburg, ARAG, Auxilia und LVM heraus, andere müssen lediglich vereinzelt verklagt werden, um ihre Regulierungsbereitschaft durchzusetzen.

Es handelt sich mithin um ein in der Praxis erheblich strukturelles Problem, das nur die Rechtspolitik und Rechtsprechung in den Griff bekommen kann. Solange unseriöse Rechtsschutzversicherer quasi "Narrenfreiheit" in Bezug auf ihre Regulierungsbereitschaft haben, werden sowohl die Gerichtsbarkeit, als auch die Versichertengemeinschaft durch die unnötigen gerichtlichen Inanspruchnahmen dieser Versicherer belastet, konstatiert Dr. DC Ciper LLM, Fachanwalt für Medizinrecht.