1. Warum ist der Zugang so entscheidend?
Ob eine Kündigung wirksam wird, hängt entscheidend davon ab, wann sie Ihnen zugeht. Der Zugang ist für den Beginn wichtiger Fristen, insbesondere der dreiwöchigen Klagefrist gemäß § 4 KSchG, von großer Bedeutung. Wenn Sie eine Kündigung erhalten, sollten Sie daher sofort prüfen (lassen), ob sie wirksam zugegangen ist. Fehler beim Zugang können bedeuten, dass die Kündigung unwirksam ist.
2. Gesetzlicher Hintergrund: § 130 BGB
Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB wird eine Willenserklärung wirksam, sobald sie in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist und unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme gerechnet werden kann. Es kommt nicht darauf an, ob und wann Sie das Schreiben tatsächlich lesen.
3. Wann gilt eine Kündigung als zugegangen?
Einwurf in den Hausbriefkasten: Die Kündigung gilt als zugegangen, wenn sie in Ihren Briefkasten eingeworfen wird und Sie sie bei normalem Verlauf zur Kenntnis nehmen können. In der Regel wird dabei angenommen, dass ein Brief am früheren Abend als zugegangen gilt.
Persönliche Übergabe: Erfolgt eine Übergabe direkt an Sie, liegt der Zugang im Zeitpunkt der Aushändigung vor.
Zugang während Urlaub oder Krankheit: Auch wenn Sie im Urlaub oder krankheitsbedingt abwesend sind, kann eine Kündigung wirksam zugehen, wenn sie in Ihren Briefkasten eingeworfen wird. Es kommt nicht darauf an, ob Sie tatsächlich die Möglichkeit hatten, die Kündigung zur Kenntnis zu nehmen. Allerdings können Sie in Ausnahmefällen beim Arbeitsgericht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen, wenn Sie unverschuldet daran gehindert waren, innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist eine Kündigungsschutzklage zu erheben – etwa, weil Sie sich krankheitsbedingt oder wegen eines unvorhergesehenen Auslandsaufenthalts nicht um Ihre Post kümmern konnten.
Die Voraussetzungen sind:
- Kein Verschulden an der Versäumung der Frist (z.B. schwere Erkrankung, unvorhergesehene Krankenhausaufenthalte).
- Sofortiges Handeln, sobald das Hindernis entfällt.
Die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung beträgt zwei Wochen ab dem Zeitpunkt, zu dem Sie von der Versäumung Kenntnis erlangen oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätten erlangen müssen (§ 5 Abs. 1 S. 1 KSchG in Verbindung mit § 233 ZPO). Innerhalb dieser Frist müssen Sie nicht nur den Antrag stellen, sondern gleichzeitig auch die versäumte Kündigungsschutzklage nachholen.
Wichtig: Wiedereinsetzung wird nur in Ausnahmefällen gewährt und ist vom Arbeitnehmer substantiiert darzulegen und glaubhaft zu machen.
4. Also lieber den Briefkasten abmontieren?
Manche Arbeitnehmer überlegen in der Erwartung einer Kündigung, Maßnahmen zu ergreifen, um den Zugang zu verhindern – etwa den Briefkasten abzumontieren oder bewusst keine Post entgegenzunehmen. Doch solche Versuche sind rechtlich wirkungslos und letztlich sogar nachteilig.
Nach der Rechtsprechung liegt eine bewusste Zugangsvereitelung vor, wenn ein Arbeitnehmer absichtlich verhindert, dass eine Kündigungserklärung in seinen Machtbereich gelangt. In diesem Fall wird der Zugang rechtlich fingiert: Die Kündigung gilt als zugegangen, obwohl der Arbeitnehmer sie tatsächlich nicht entgegengenommen oder gelesen hat. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem die Kündigung bei ordnungsgemäßem Verhalten tatsächlich zugegangen wäre.
Wer also in der Hoffnung, die Kündigung zu verzögern oder zu verhindern, seinen Briefkasten entfernt oder die Annahme von Schriftstücken verweigert, erreicht damit nur, dass die Kündigung als zugestellt gilt – und dass die dreiwöchige Klagefrist für eine Kündigungsschutzklage zu laufen beginnt, ohne dass der Arbeitnehmer hiervon tatsächlich Kenntnis haben muss.
Für Arbeitnehmer bedeutet das: Versuche, den Zugang zu verhindern, schaden nur und können im schlimmsten Fall dazu führen, dass wichtige Fristen unbemerkt verstreichen. Besser ist es, sich frühzeitig rechtlichen Beistand zu holen.
5. Typische Fehler des Arbeitgebers bei der Zustellung einer Kündigung
Die ordnungsgemäße Zustellung einer Kündigung ist für Arbeitgeber von entscheidender Bedeutung, da nur ein nachweisbarer Zugang beim Arbeitnehmer die Wirksamkeit der Kündigungserklärung begründet. Dennoch unterlaufen Arbeitgebern in der Praxis häufig vermeidbare Fehler, die Arbeitnehmer im Streitfall zu ihren Gunsten nutzen können.
Ein häufiger Fehler liegt darin, den Zugang der Kündigung nicht ausreichend zu dokumentieren. Wird das Kündigungsschreiben lediglich in den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers eingeworfen, ohne dass dies von einem verlässlichen Zeugen beobachtet oder anderweitig nachweisbar gemacht wird, kann es dem Arbeitgeber schwerfallen, den Zugang im Streitfall zu beweisen. Besonders problematisch ist in diesem Zusammenhang das vielfach eingesetzte Einwurf-Einschreiben: Zwar dokumentiert die Post, dass ein Schriftstück in den Briefkasten des Empfängers eingelegt wurde, jedoch reicht diese Bestätigung allein nicht aus, um zu beweisen, dass es sich tatsächlich um die Kündigung handelte. Bestehen Zweifel daran, welcher Inhalt übermittelt wurde, gehen diese nach der Rechtsprechung zulasten des Arbeitgebers.
Ein weiterer häufiger Fehler besteht in der fehlerhaften Adressierung. Wird das Kündigungsschreiben an eine veraltete oder unvollständige Adresse oder an eine nicht empfangsberechtigte Person zugestellt, kann dies den Zugang verhindern und somit die Wirksamkeit der Kündigung beeinträchtigen.
Für Arbeitnehmer bedeutet dies, dass sie die Umstände der Zustellung stets sorgfältig prüfen sollten. Schon kleine formale Fehler können eine erhebliche Rolle spielen und die Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage maßgeblich verbessern.
6. Worauf Sie als Arbeitnehmer bei Zugang einer Kündigung noch achten sollten:
Oft wird übersehen, dass eine Kündigung, die nicht persönlich durch den Arbeitgeber, sondern durch eine bevollmächtigte Person ausgesprochen wird, nur dann wirksam wird, wenn dem Kündigungsschreiben eine Originalvollmacht beigefügt ist. Fehlt diese, kann der Arbeitnehmer die Kündigung unverzüglich gemäß § 174 BGB zurückweisen, was im Ergebnis zur Unwirksamkeit der Kündigung führt. Allerdings gibt es hiervon eine wichtige Rückausnahme: Eine Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der kündigende Vertreter eine Position bekleidet, die mit der regelmäßigen Kündigungsbefugnis einhergeht, wie etwa bei Geschäftsführern, Personalleitern oder Prokuristen. In solchen Fällen darf der Arbeitnehmer davon ausgehen, dass der Unterzeichner zur Kündigung berechtigt ist, sodass eine fehlende Vollmacht nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führt. „Unverzüglich“ heißt übrigens „ohne schuldhaftes Zögern“, mit anderen Worten: „sofort“. Daher, zögern Sie nicht. Lassen Sie sich beraten!
Fazit: Zugang sorgfältig prüfen, Fristen im Blick behalten
Prüfen Sie genau, wann und wie Ihnen eine Kündigung zugegangen ist. Besonders bei Zustellungen per Einwurf-Einschreiben bestehen für Sie als Arbeitnehmer gute Verteidigungsmöglichkeiten. Beachten Sie die kurze Drei-Wochen-Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Im Zweifel sollten Sie sofort rechtlichen Rat einholen, um Ihre Rechte zu wahren.