Seit einiger Zeit kürzen mehrere Kfz-Haftpflichtversicherungen wie Allianz, DEVK oder der Bayerische Versicherungsverband immer wieder eigenmächtig die Kostenrechnungen von Kfz-Sachverständigen. Insbesondere die Allianz sticht hierbei negativ hervor. Die Versicherungen berufen sich häufig auf sogenannte „Prüfgutachter“, insbesondere auf die Firma Control Expert. Laut deren Ausführungen dürfe ein Sachverständiger sein Grundhonorar nicht pauschal nach den Gebührentabellen des BVSK abrechnen, sondern müsse dies gemäß den Vorgaben des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) auf Basis der tatsächlich geleisteten Zeit berechnen. Dies gelte insbesondere für Sachverständige, die nicht Mitglied im BVSK sind. Eine erhebliche Kürzung des Grundhonorars wird jedoch teilweise auch bei BVSK-Mitgliedern vorgenommen.

In einem kürzlich von uns erstrittenen Urteil hat das Amtsgericht Essen zur Rechtsauffassung der Allianz Stellung genommen. Der Kläger, ein in Essen tätiger Kfz-Sachverständiger, hatte für einen Geschädigten nach einem Verkehrsunfall ein Gutachten erstellt und den Schaden am Fahrzeug des Geschädigten ermittelt. Zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen bestand keine konkrete Gebührenvereinbarung; die Abrechnung erfolgte nach den Gebührentabellen des BVSK, wobei der Kläger kein Mitglied im BVSK war. Die Kostenrechnung belief sich auf 500,50 € zuzüglich Mehrwertsteuer. Die Allianz erkannte ihre Haftung gegenüber dem Geschädigten dem Grunde nach an, regulierte jedoch lediglich einen Betrag in Höhe von 183,70 € netto für die Sachverständigenkosten. Gegen diese Kürzung reichte der Kläger, vertreten durch uns, Klage beim Amtsgericht Essen ein.

Das Amtsgericht stellte in seiner Urteilsbegründung fest, dass die Erstattungsfähigkeit der Sachverständigenkosten nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zu beurteilen ist. Demnach sind dem Geschädigten nur solche Kosten als erforderlicher Herstellungsaufwand zu ersetzen, die aus Sicht eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen zweckmäßig und notwendig erscheinen. Es ist jedoch nicht erforderlich, dass der Geschädigte vor der Beauftragung eines Sachverständigen eine umfangreiche Marktforschung betreibt, um den günstigsten Anbieter zu finden. Die Angemessenheit der Sachverständigenkosten bemisst sich nach richterlicher Schätzung gemäß § 287 ZPO. Das Gericht bewertete die BVSK-Honorarbefragung aus dem Jahr 2022 als tragfähige Schätzungsgrundlage.

Der Kläger hatte das Grundhonorar im Rahmen des Korridors „HB-V“ kalkuliert und lag mit seiner Gebührenrechnung deutlich unterhalb der Obergrenze. Die Kürzung durch die Versicherung um 316,80 € (63 %) war daher widerrechtlich und musste nachträglich erstattet werden.

Auch zu den von der Versicherung gekürzten Nebenkosten wie Fahrtkosten, Fotokosten, Schreibgebühren und Kalkulationskosten nahm das Gericht Stellung. Zwar lagen die vom Kläger in Rechnung gestellten Beträge bei den Nebenkosten leicht über den Empfehlungen des BVSK, doch das Gericht prüfte diese Positionen nicht einzeln. Es stützte seine Bewertung der Angemessenheit auf den Gesamtbetrag der Rechnung und bezog sich dabei auf Urteile des Landgerichts Dortmund und des Oberlandesgerichts München.

Das Amtsgericht gab dem Kläger vollumfänglich recht und verurteilte die beklagte Versicherung zur Nachzahlung der gekürzten Beträge sowie zur Zahlung von Zinsen. Das Urteil ist rechtskräftig.

Für Kfz-Sachverständige, die unter erheblichen Kürzungen durch Versicherer leiden, verdeutlicht dieses Urteil, dass es sich lohnt, gegen diese Praxis vorzugehen. Mit unserer umfassenden Expertise stehen wir Ihnen rechtlich zur Seite und setzen Ihre berechtigten Ansprüche konsequent durch.