Das Amtsgericht Helmstedt hat in einem bemerkenswerten Fall (Az. 2 C 681/20 (1)) die Rechte von Versicherungsnehmern gestärkt, indem es die Berufung einer Tierversicherung auf ein Rücktrittsrecht aufgrund angeblich falscher Angaben zur Gesundheit des versicherten Tieres zurückwies. Das Gericht stellte fest, dass die von der Versicherung gestellte Frage nach der Gesundheit zu allgemein formuliert war und die Umstände der Fragestellung über ein Vergleichsportal Unklarheiten aufwiesen, die zulasten des Versicherers gehen.
Der Fall im Detail
Die Klägerin hatte bei der Vereinigten Tierversicherung Ges. a. G. eine Tierversicherung für ihr Tier abgeschlossen. Die Versicherung erklärte später den Rücktritt vom Vertrag und verweigerte Leistungen, da die Klägerin bei der Beantragung angeblich falsche Angaben zum Gesundheitszustand des Tieres gemacht habe.
Das Amtsgericht Helmstedt gab der Klage der Versicherungsnehmerin statt. Mit Anerkenntnisurteil vom 16.03.2021 wurde festgestellt, dass die Tierversicherung durch den Rücktritt der Beklagten nicht beendet wurde. Zudem wurde die Versicherung verurteilt, der Klägerin insgesamt 3.700,46 € (3.286,82 € zzgl. Zinsen seit dem 06.06.2020 und 413,64 € zzgl. Zinsen seit dem 06.01.2021) zu zahlen und die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Begründung des Gerichts: Unklare Gesundheitsfrage und Rolle von Vergleichsportalen
Bereits im Vorfeld des Urteils hatte das Gericht mit Beschluss vom 23.02.2021 seine vorläufige Einschätzung der Rechtslage dargelegt. Kernpunkt der Begründung war, dass die von der Versicherung gestellte Frage nach der Gesundheit des Tieres "Seppel" zu allgemein gehalten war. Eine bloße Antwort mit "ja" oder "nein" sei angesichts der möglichen Abstufungen von Gesundheit kaum möglich. Das Gericht betonte, dass es der Versicherung freigestanden hätte, konkretere Fragen nach Krankheiten, zurückliegenden Operationen oder ausgestandenen Beschwerden zu stellen. Da dies jedoch unterblieben sei und sich die Versicherung mit dem pauschalen Begriff der Gesundheit begnügt habe, könne der Versicherungsnehmerin kein Verstoß gegen ihre vorvertraglichen Anzeigepflichten gemäß § 19 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) vorgeworfen werden.
Ein weiterer wichtiger Aspekt in der Begründung des Gerichts betraf die Umstände der Fragestellung über das Vergleichsportal Check 24. Das Gericht äußerte Zweifel daran, ob die Klägerin die Frage überhaupt als eine Frage der beklagten Versicherung erkennen konnte. Nach § 126b Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) müsse die Person des Erklärenden genannt sein. Im Rahmen des § 19 VVG sei der "Erklärende" der Versicherer, der die Frage in Textform zu stellen habe. Zwar sei auf der Internetseite die R+V als ausgewählte Versicherung genannt gewesen, die Fragen stammten jedoch erkennbar von Check 24. Das "wir" in der Überschrift "Warum fragen wir das?" impliziere, dass die Frage von Check 24 und nicht vom Versicherer gestellt werde. Auch die Erläuterung, dass der Versicherer die Angabe benötige, verdeutliche nicht, dass die Frage tatsächlich vom Versicherer stamme.
Zudem bemängelte das Gericht, dass die Beantwortung der Gesundheitsfrage in der Zusammenfassung der Vertragsdaten nicht mehr aufgeführt war, anders als beispielsweise die Frage nach einer Vorversicherung.
Fazit des Gerichts: Unklarheiten gehen zulasten des Verwenders
Das Amtsgericht Helmstedt stellte klar, dass Unklarheiten bei der Formulierung von Fragen im Versicherungsprozess zulasten des Verwenders, also in diesem Fall der Versicherung, gehen. Da die Frage nach der Gesundheit des Tieres zu pauschal formuliert war und die Herkunft der Frage für die Versicherungsnehmerin nicht eindeutig erkennbar war, sah das Gericht keinen Grund für ein Rücktrittsrecht der Versicherung.
Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung des Amtsgerichts Helmstedt ist ein wichtiges Signal für Versicherungsnehmer. Sie unterstreicht, dass Versicherungen bei der Formulierung von Fragen im Antragsprozess präzise sein müssen, insbesondere bei sensiblen Themen wie dem Gesundheitszustand. Allgemeine und unklare Fragen können nicht dazu führen, dass dem Versicherungsnehmer später ein Verstoß gegen seine Anzeigepflichten vorgeworfen und der Vertrag rückwirkend beendet wird. Zudem macht das Urteil deutlich, dass die Rolle von Vergleichsportalen im Versicherungsprozess kritisch zu betrachten ist und die Herkunft von Fragen für den Versicherungsnehmer klar erkennbar sein muss. Versicherungen sollten daher sicherstellen, dass Fragen eindeutig von ihnen stammen und nicht der Eindruck entsteht, es handele sich um allgemeine Fragen des Vergleichsportals.
Es bleibt abzuwarten, ob sich das Landgericht Braunschweig mit dem Fall befassen wird. Dennoch zeigt die Entscheidung des Amtsgerichts Helmstedt bereits jetzt eine Tendenz zugunsten der Rechte von Versicherungsnehmern bei unklaren Sachverhalten im Antragsverfahren.
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