Das Recht auf ein faires Verfahren hat seine Wurzeln im Rechtsstaatsprinzip (Art. 77 Abs. 2 LV) in Verbindung mit den Freiheitsrechten und der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 LV) und gehört zu den wesentlichen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens, insbesondere des Strafverfahrens. Am Recht auf ein faires Verfahren ist die Ausgestaltung des Strafverfahrens zu messen, wenn und soweit keine spezielle verfassungsrechtliche Gewährleistung existiert Dieses Recht schlägt sich im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren der Verpflichtung nieder, dass staatliche Organe korrekt und fair zu verfahren haben (vgl. BVerfGE 38, 105, 111). Dieser Grundsatz gilt in jedem Stadium eines Ermittlungsverfahrens oder gerichtlichen Verfahrens. Das Recht auf ein faires Verfahren enthält jedoch keine in allen Einzelheiten bestimmten Ge- oder Verbote; vielmehr bedarf es der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten. Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt vor, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht auch in seiner Auslegung und Anwendung durch die Fachgerichte ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben worden ist (BVerfGE 64, 135, 145 f.; 122, 248 [272]; 130, 1 [25 f.]).
Hieraus folgt, dass es – auch im Strafverfahren – keine Wahrheitserforschung um jeden Preis geben kann – so bereits des Verfassungsgericht des Landes Rheinland Pfalz im Jahre 2014 in den sogenannten Steuer-CD Fällen. Hier hatten Ermittlungsbeamte rechtswidrig erlangte Steuerdaten aus der Schweiz und aus Liechtenstein angekauft, um mit den Daten Ermittlungsverfahren in der Bundesrepublik Deutschland einzuleiten.
Gerichte in der Bundesrepublik Deutschland, beschäftigen sich seit geraumer Zeit mit der Problematik der Zulässigkeit der Beweiserhebung und der -verwertung von im Ausland generierter Daten, wobei die Verteidigung in diesem Zusammenhang nahezu einhellig darauf verwiesen wird, dass „es doch Entscheidungen diverser Oberlandesgerichte gäbe, die die Rechtsauffassung einer zulässigen Beweiserhebung und Beweisverwertung in diesem Kontext stützen, dass doch auch der Bundesgerichtshof zugunsten einer solchen Beweisverwertung entschieden habe etc.....
Bei dieser Argumentation drängt sich zunehmend und fast schon in der Regel der Verdacht auf, dass eine eigenverantwortliche Prüfung der Rechtslage durch die jeweiligen erkennenden Strafkammern gar nicht mehr vorgenommen wird, sondern plump im Wege des neudeutschen copy und paste, Argumentationsketten und rechtliche Ausführungen der Obergerichte übernommen werden, ohne eigenständig die Rechtslage zu überprüfen.
In der causa ANOM – ein vermeintlich kryptiertes Telefon dessen System und Kommunikationsinhalte aber wie sich später herausstellte vom amerikanischen Inlandgeheimdienst FBI betrieben und überwacht wurde - haben die Gerichte bis vor kurzem nahezu einhellig diese Herangehensweise gewählt.
Mittlerweile, und erfreulicherweise, kehrt offenkundig der gesunde Menschenverstand und das Empfinden für rechtsstaatliche Verfahrensweisen wieder in die Justiz zurück, und man lässt sich nicht mehr davon leiten, dass Polizeibehörden „endlich einen direkten und unverblümten Einblick in die organisierte Kriminalität aufgrund des Abfangens von dortiger Kommunikation“ gewonnen haben und man quasi trunken vor Glück rechtsstaatliche Bedenken zur Seite schieben kann.
Zu verweisen ist zunächst auf eine Entscheidung des Landgerichts Memmingen zum Aktenzeichen 1 Kls 401 Js 10121/22 – Urteil vom 21.8.2023, in welchem die Rechtswidrigkeit des Beweistransfers der Daten in die Bundesrepublik Deutschland festgestellt und konsequenterweise ein Beweisverwertungsverbot angenommen wurde.
Wesentlich ausführlicher und in der Begründung tiefergehend ist ein aktueller Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 19.10.2023 - 1 Ws 525/23, der bereits ausführlich, nachvollziehbar und im Ergebnis zutreffend alle rechtlichen Argumente, die für ein Beweisverwertungsverbot sprechen, zusammenfasst. Zudem hat nunmehr das Landgericht Arnsberg die Eröffnung eines Hauptverfahrens wegen eines Beweisverwertungsverbot mit Blick auf die Kommunikationsinhalte der ANOM-Plattform abgelehnt. (https://www.justiz.nrw/nrwe/lgs/arnsberg/lg_arnsberg/j2024/2_KLs_412_Js_287_22_36_23_Beschluss_20240122.html)
Erstaunlich in dieser causa ist, dass die Ermittlungsbehörden, allen voran, die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main, nicht müde werden zu betonen, dass die gesamte Operation Trojan Shield rechtmäßig gewesen sei; wollen Gerichte allerdings diese Behauptungen der Generalstaatsanwaltschaft oder das FBI überprüfen, müssen Sie erfahren, dass hinsichtlich der maßgeblich mit den Ermittlungen betrauten Beamten der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main, lediglich eingeschränkte Aussagegenehmigungen erteilt werden und vorformulierte dienstliche Erklärungen übermittelt werden.
Und dann ist da noch der vermeintliche Europäische Drittstaat, der mit dem FBI kooperiert haben und in dem es einen die Maßnahme legitimierenden gerichtlichen Beschluss geben soll, der allerdings nie vorgelegt werden wird – so die unmissverständliche Bekundung des amerikanischen FBI.
Kaum beleuchtet ist bisher, was nach den Bekundungen des amerikanischen FBI in der Sache selbst eigentlich tatsächlich passiert sein soll.
Betrachtet man nämlich die eigenen Bekundungen der US amerikanischen Behörden, so fällt auf, dass diesem Beschlusses, der in vielen Entscheidungen als maßgeblich für die Verwertbarkeit der Kommunikationsinhalte herangezogen wird, mit Blick auf die vermeintliche Legitimierung der Maßnahme im strafprozessualen Kontext eine Bedeutung beigemessen wird, die bei näherem Hinsehen allein denklogisch nicht gegeben sein kann.
Das FBI hat hinsichtlich der Kooperation mit dem Europäischen Drittland und den dortigen gerichtlichen Verfahren folgendes mitgeteilt: