Sachverhalt

Im vorliegenden Fall (BAG, Az.: 2 AZR 531/14) ging es um eine langjährig beschäftigte Arbeitnehmerin, die aufgrund tariflicher Regelungen als „unkündbar“ galt. Gleichwohl kündigte der Arbeitgeber außerordentlich und gewährte dabei eine soziale Auslauffrist. Hintergrund war ein zwischenmenschlicher Konflikt: Die Arbeitnehmerin soll ihrer Vorgesetzten eine Ohrfeige angedroht oder diese zumindest verbal massiv unter Druck gesetzt haben. Der Arbeitgeber argumentierte, ein solches Verhalten zerstöre das Vertrauensverhältnis auch dann, wenn vertraglich eigentlich nur eine Kündigung aus wichtigem Grund zulässig ist.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellte klar, dass eine außerordentliche Kündigung selbst bei tariflicher Unkündbarkeit möglich sein kann, wenn ein „wichtiger Grund“ nach § 626 BGB tatsächlich vorliegt. Entscheidend ist, ob das Verhalten der Arbeitnehmerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses – zumindest bis zum Ende einer (fiktiven) ordentlichen Kündigungsfrist – unzumutbar macht.

  • Auslauffrist: Ein Arbeitgeber darf in Ausnahmefällen trotz Vorliegens eines wichtigen Grundes eine Kündigung mit Auslauffrist gewähren, z. B. aus sozialen Erwägungen.

  • Verzicht auf Kündigungsrecht? Allein die Gewährung einer solchen Frist bedeutet nicht, dass der Arbeitgeber sein Recht auf außerordentliche Kündigung „aufgibt“.

  • Rückverweisung: Der Fall wurde ans Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, um den konkreten Sachverhalt weiter aufzuklären.

Praxishinweise

  1. Tarifliche Unkündbarkeit ist kein Freifahrtschein
    Auch wer nach Tarifrecht „unkündbar“ ist, kann aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden – sofern die Voraussetzungen des § 626 BGB erfüllt sind.

  2. Sorgfältige Prüfung der Zumutbarkeit
    Für eine wirksame außerordentliche Kündigung müssen objektiv gravierende Gründe vorliegen. Der Maßstab ist streng: Arbeitgeber können sich nicht allein auf ihre subjektive Einschätzung berufen.

  3. Auslauffrist als soziales Entgegenkommen
    Arbeitgeber können bei außerordentlichen Kündigungen in bestimmten Fällen eine Auslauffrist vorsehen, um soziale Härten abzufedern. Das bedeutet jedoch nicht zwingend, dass der Kündigungsgrund weniger schwer wiegt.

  4. Vertrags- und Verhaltensklauseln hinterfragen
    Arbeitnehmer sollten prüfen, ob eine angeblich gravierende Pflichtverletzung wirklich so schwer wiegt, dass eine Weiterbeschäftigung bis zum regulären Vertragsende ausgeschlossen ist.

Hinweis: Dieser Beitrag ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. Bei konkreten Fragen empfiehlt sich der Gang zum Anwalt.