Nicht selten kommt es vor, dass Versicherer nach einem Kfz-Diebstahl die Zahlung verweigern. Zur Begründung wird oftmals lapidar vorgebracht, dass ein „Diebstahl nicht hinreichend nachgewiesen“ sei. Gerne kommt dabei seitens des Versicherers auch die Formulierung zum Einsatz, dass der Versicherungsnehmer „auf den Rechtsweg verwiesen“ werde. Unausgesprochen beinhaltet dies den Vorwurf, dass der Versicherungsnehmer den Diebstahl vorgetäuscht habe und deshalb keine Versicherungsleistung erbracht wird, es sei denn, der Versicherungsnehmer setzt seinen Anspruch gerichtlich durch.
In diesem Artikel beleuchten wir, welche Chancen der Versicherungsnehmer hat, die Versicherungsleistung erfolgreich durchzusetzen.
Unsere Erfahrung aus der anwaltlichen Praxis zeigt, dass Versicherer gezielt nach Ungereimtheiten in dem von dem Versicherungsnehmer dargestellten Sachverhalts suchen. Selbst geringfügigste Auffälligkeiten werden zum Anlass genommen, um die Versicherungsleistung zu verweigern. Dies ist erstaunlich, da dem Versicherungsnehmer dadurch quasi ein strafbarer Versicherungsbetrug zum Vorwurf gemacht wird. In der Praxis begegnen uns dabei vor allem zwei Fallkonstellationen, in denen regelmäßig die Versicherungsleistung verweigert wird. Zum einen handelt es sich dabei um Fälle, in denen der Versicherungsnehmer nicht alle Originalschlüssel des Fahrzeugs vorlegen kann. Es geht also darum, dass zu dem betreffenden Fahrzeug beispielsweise zwei Originalschlüssel gehören, der Versicherungsnehmer jedoch – aus welchen Gründen auch immer – einen der beiden Schlüssel verloren hat. Allein dieser Umstand reicht bei den meisten Versicherung aus, um dem Versicherungsnehmer pauschal Versicherungsbetrug zu unterstellen und die Leistung zu verweigern. Bei der anderen Fallkonstellation handelt es sich um die Behauptung, der Versicherungsnehmer habe bei der Schadenmeldung falsche Angaben gemacht. Wenn man einen Fahrzeugdiebstahl bei der Versicherung meldet, erhält man stets einen umfangreichen Fragebogen zum Schadenfall, den man ausfüllen und an den Versicherer übersenden muss. Der Fragebogen enthält eine Vielzahl von Fragen, die teilweise durch ankreuzen (ja/nein) und teilweise durch konkrete Eintragungen zu beantworten sind. Natürlich kann es leicht vorkommen, dass der Versicherungsnehmer versehentlich die eine oder andere Frage ungenau oder fehlerhaft beantwortet. Die Versicherungsgesellschaften nehmen oftmals selbst kleinste Fehler zum Anlass, dem Versicherungsnehmer eine arglistige Täuschung und Unredlichkeit zum Vorwurf zu machen und deshalb die Versicherungsleistung zu verweigern.
Nun stellt sich die Frage, wie man sich als redlicher Versicherungsnehmer gegen eine derartige Verweigerungspraxis des Versicherungsunternehmens zur Wehr setzen kann. Die Erfahrung zeigt, dass, wenn der Versicherer einmal abgelehnt hat, meist nur noch eine gerichtliche Klage hilft. Glücklicherweise tritt in solchen Fällen die Rechtschutzversicherung ein und übernimmt die Kosten des gerichtlichen Vorgehens gegen das Versicherungsunternehmen. Dies gilt selbst dann, wenn die Kfz-Versicherung und die Rechtschutzversicherung bei der gleichen Versicherungsgesellschaft bestehen.
Aber wie stehen nun die Chancen vor Gericht? Um zu klären, in welchen Fällen der Versicherungsnehmer erfolgreich die Zahlung aus der Versicherung durchsetzen kann, müssen wir etwas tiefer in die juristische Materie einsteigen.
Im Zivilprozess gilt der Grundsatz, dass der Kläger (hier: der Versicherungsnehmer) die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegen und erforderlichenfalls beweisen muss. Nun, was sind also die „anspruchsbegründenden Tatsachen“ bei einem Versicherungsfall wegen Kfz-Diebstahls? Einfach ausgedrückt: Ein Anspruch auf die Versicherungsleistung besteht dann, wenn das Fahrzeug entwendet wurde. Man könnte denken, dass hieran vor Gericht doch eigentlich keine Zweifel bestehen könnten. Schließlich ist das Fahrzeug verschwunden! So einfach ist das aber nicht. Vor Gericht wird von dem Versicherungsunternehmen in aller Regel die gesamte Sachverhaltsdarstellung des Versicherungsnehmers bestritten. Dies hätte grundsätzlich zur Folge, dass der Versicherungsnehmer beweisen müsste, dass das Fahrzeug entwendet wurde. Dies kann im Einzelfall durchaus schwierig sein. Man stelle sich vor, der Versicherungsnehmer hat das Fahrzeug am Abend an der Straße abgestellt und am nächsten Morgen war es verschwunden. Wenn es keine Zeugen gibt, die gesehen haben, dass der Versicherungsnehmer das Fahrzeug abgestellt hat und nicht selbst wieder weggefahren hat, wird es schwierig, einen Beweis über die Entwendung des Fahrzeugs zu führen.
Aufgrund dieser Beweisschwierigkeiten, hat die Rechtsprechung gewisse Beweiserleichterungen für den Versicherungsnehmer entwickelt. Es gibt gefestigte Regeln zur Verteilung der Beweislast zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer. Mit seiner Grundsatzentscheidung vom 05.10.1983 (IVa ZR 19/82) hat der Bundesgerichtshof erklärt, dass eine strenge Belassung der Beweislast beim Versicherungsnehmer mit Inhalt und Zielsetzung der Kaskoversicherung unvereinbar wäre. Deshalb bestehen Beweiserleichterungen zugunsten des Versicherungsnehmers. Es gilt das sogenannte Zweistufenmodell:
- Auf der ersten Stufe wird dem Versicherungsnehmer der Nachweis der Entwendung erleichtert, indem es ausreicht, wenn dieser Tatsachen zum Beweis des äußeren Bildes eines Diebstahls vorträgt.
- Auf der zweiten Stufe kann der Versicherer den gelungenen Beweis für das äußere Bild einer versicherten Entwendung dadurch zu Fall bringen, dass er Tatsachen darlegt, aus denen sich eine Vortäuschung ergeben könnte.
Was bedeutet dies nun konkret?
Auf der ersten Stufe muss der Versicherungsnehmer Tatsachen zum Beweis des äußeren Bildes eines Diebstahls vortragen. Die vom Versicherungsnehmer zu beweisenden Tatsachen müssen nach der Lebenserfahrung darauf schließen lassen, dass das Fahrzeug entwendet worden ist. Dazu reicht es bereits aus, wenn der Versicherungsnehmer schlüssig und widerspruchsfrei darlegt, dass er das Fahrzeug zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort abgestellt und dort nicht wieder vorgefunden hat (BGH, Urteil vom 30.01.2002 – IV ZR 263/00). Der notwendige Beweis zugunsten des Versicherungsnehmers kann vor Gericht auch dadurch erfolgreich geführt werden, dass der Versicherungsnehmer selbst im Wege der Parteianhörung oder der Parteivernehmung für das Gericht glaubhafte Angaben macht. Einem redlichen Versicherungsnehmer wird es daher – eine sachkundige Prozessführung vorausgesetzt – in der Regel gelingen, das äußere Bild eines Diebstahls zu beweisen.
Dann müsste auf der zweiten Stufe der Versicherer Tatsachen darlegen, aus denen sich eine Vortäuschung des Diebstahls ergibt. Nach der Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 05.11.1986 – IVa ZR 57/86) muss der Versicherer aber konkrete Tatsachen beweisen können, aus denen sich eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür ergibt, dass die Entwendung nur vorgetäuscht sein könnte. Nicht ausreichend ist es hierfür, wenn der Versicherer lediglich vorträgt, dass an dem später aufgefundenen Fahrzeug keine Aufbruchspuren vorhanden waren, oder dass der Versicherungsnehmer nicht sämtliche Originalschlüssel vorlegen kann. Schwierigkeiten bekommt der Versicherungsnehmer meist nur dann, wenn er widersprüchliche Angaben gemacht hat, beispielsweise wenn er in einer polizeilichen Strafanzeige einen anderen Sachverhalt als in der Schadensanzeige gegenüber dem Versicherer angegeben hat.
Wenn nicht alle Originalschlüssel vorhanden sind, genügt es daher in der Regel, wenn der Versicherungsnehmer plausibel darlegen kann, aus welchem Grund ein Schlüssel fehlt. Außerdem wird regelmäßig entweder durch die Polizei im Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls oder durch den Versicherer selbst ein Sachverständigengutachten eingeholt im Rahmen dessen die auf den Speicherchips der vorhandenen Schlüssel gespeicherten Daten ausgelesen werden. Dadurch kann zum Beispiel ermittelt werden, ob der jeweilige Schlüssel zu dem betreffenden Fahrzeug passt und wann dieser Schlüssel zuletzt verwendet wurde. Solange diese Daten nicht unvereinbar mit der Sachverhaltsdarstellung des Versicherungsnehmers sind, bestehen gute Chancen, die Versicherungsleistung vor Gericht durchzusetzen.
Hilfreich ist es auf jeden Fall auch, wenn es Zeugen gibt, die Angaben dazu machen können, dass das Fahrzeug ordnungsgemäß abgestellt wurde und später nicht mehr aufgefunden werden konnte. Nicht selten gelingt es durch gute Zeugen vor Gericht, den Richter davon zu überzeugen, dass ein Diebstahl vorliegt. Auf die Einwände des Versicherers im Hinblick auf irgendwelche „zweifelhaften Umstände“ kommt es dann überhaupt nicht mehr an.
Wie sieht es nun in der anderen typischen Fallkonstellation aus, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer vorwirft, falsche Angaben gemacht zu haben? In der versicherungsrechtlichen Terminologie handelt es sich dabei um eine so genannte Obliegenheitsverletzung. Nach dem Versicherungsvertrag hat der Versicherungsnehmer zahlreiche Auskunfts- und Mitwirkungspflichten, welche als Obliegenheiten bezeichnet werden. Selbst wenn der Versicherungsnehmer durch falsche Angaben bei der Schadenmeldung eine Obliegenheitsverletzung begangen haben sollte, führt dies jedoch nicht ohne weiteres zum Ausschluss der Versicherungsleistung. Zu einem Ausschluss der Versicherungsleistung kann es dann kommen, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche Angaben gemacht hat. Auch dies führt jedoch nicht zwangsläufig zum Ausschluss der Versicherungsleistung. Der Versicherer ist trotzdem zur Leistung verpflichtet, soweit nachgewiesen werden kann, dass die Pflichtverletzung weder für die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht ursächlich war. Dies wird in vielen Fällen der Fall sein, weil es sich entweder um unerhebliche Falschangaben handelt oder diese ohnehin von dem Versicherer sofort erkannt wurden.
Außerdem kann der Versicherer nur dann leistungsfrei werden, wenn er den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform darauf hingewiesen hat, dass bei Verletzung einer Auskunfts- oder Aufklärungspflicht im Schadenfall die vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit droht.
Nur wenn der Versicherungsnehmer eine absichtliche Obliegenheitsverletzung begeht, um sich dadurch einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, wird der Versicherer jedenfalls von der Leistung frei. Hierzu müsste dem Versicherungsnehmer allerdings eine entsprechende Absicht nachgewiesen werden, was meist nicht gelingt.
Nach unserer Erfahrung verlaufen die meisten gerichtlichen Auseinandersetzungen in Fällen des Kfz-Diebstahls für den Versicherungsnehmer erfolgreich. Allerdings kommt es natürlich immer auf den Einzelfall an.
Gerne bieten wir Ihnen eine kostenlose Ersteinschätzung der Rechtslage in Ihrem konkreten Fall an. Weitere Informationen zum Versicherungsrecht finden Sie auf unserer Internetseite.