Mit Urteil vom 29.03.2012 hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof einen Bebauungsplan für unwirksam erklärt. Geklagt hatte ein Eigentümer eines Baugrundstücks. Wegen des erheblichen Betriebslärms von Güterzügen rügte er schon bei der Bürgerbeteiligung, dass ohne aktive Schallschutzmaßnahmen die erforderlichen gesunden Wohnbedingungen nicht gewahrt sein würden. Zudem wies er auf die Beeinträchtigung des Erhaltungszustandes geschützter Tierarten hin (Aktenzeichen 4 C 694/10.N).
1. Defizit bei der Abwägung gesunder Wohnverhältnisse
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat den Bebauungsplan für unwirksam erklärt, weil er zum Konflikt zwischen Bahnlärm und den gesetzlich zu berücksichtigenden gesunden Wohnverhältnissen (§ 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB) das Abwägungsgebot verletzt.
a. Orientierung an der DIN Schallschutz im Städtebau
Grundsätzlich hat sich die Planung neuer Wohngebiete hiernach daran auszurichten, dass die neuen Wohnhäuser allenfalls solchen Außenpegeln ausgesetzt sind, die die Orientierungswerte der Industrienorm Schallschutz im Städtebau (DIN 18005-1) jedenfalls nicht überschreiten. Für reine (allgemeine) Wohngebiete betragen die Werte tags/nachts 50/35 (55/ 40) dB(A); in Dorf- und Mischgebieten sind 60/45 dB(A) einzuhalten. Diese Vorgaben sind strenger als die Grenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung, die beim Neubau und der wesentlichen Änderung von Verkehrswesen einzuhalten sind.
b. Ausnahme für verdichtete großstädtische Räume
Dieser Grundsatz kann allerdings nicht uneingeschränkt gelten. In verdichteten großstädtischen Räumen mit einem engen Netz hoch belasteter Verkehrswege und anderen Bereichen immissionsträchtiger (z. B. gewerblicher) Nutzungen sei es gelegentlich kaum zu vermeiden, mit neuen Wohnbauflächen auch dicht an immissionsträchtige Nutzungen heranzurücken. Dies gelte umso mehr, als die Abwägungsdirektive des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden (vgl. § 1 a Abs. 2 Satz 1 BauGB) einer zunehmenden Ausuferung der Bebauung in Freiräume hinein Grenzen setzen. Es kann daher im Einzelfall auch durchaus angezeigt sein, neue Wohnbauflächen in bereits vorbelastete Bereiche hinein zu planen, bei denen gegebenenfalls eine umfassende Einhaltung der Orientierungswerte als Außenpegel durch aktiven Lärmschutz nicht stets möglich ist. Bei der Bauleitplanung eröffnet die Rechtsprechung im Rahmen einer gerechten Abwägung eine Überschreitung der Orientierungswerte um bis zu 5 dB(A).
c. Erhebliche Lärmbelastung nur an den Rändern eines Siedlungsgebietes
Wenn die Orientierungswerte der DIN 18005-1 nur an den Rändern des geplanten Wohngebiets um mehr als 10 dB(A) überschritten werden, im Inneren des Gebiets aber im Wesentlichen eingehalten werden, kann nach dem Urteil passiver Lärmschutz ausreichend sein (vgl. Bundesverwaltungsgericht Urteil vom 22.03.2007 - BVerwG 4 CN 2.06), weil es nicht von vornherein abwägungsfehlerhaft sei, auf aktiven Schallschutz durch Lärmschutzwälle oder -wände zu verzichten. Dann müsse eine Minderung der Immissionen durch eine Kombination von passivem Schallschutz, Stellung und Gestaltung von Gebäuden sowie Anordnung der Wohn- und Schlafräume erreicht werden. Je weiter die Orientierungswerte der DIN 18005 überschritten werden, desto gewichtiger müssen allerdings die für die Planung sprechenden städtebaulichen Gründe sein und umso mehr hat die Gemeinde die baulichen und technischen Möglichkeiten auszuschöpfen, die ihr zu Gebote stehen, um diese Auswirkungen zu verhindern (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.02.2010 - BVerwG 4 BN 59/09 - BRS 76 Nr. 20).
d. Die Schwelle zur Gesundheitsgefährdung
Ein Abwägungsfehler drängt sich bei einer Wohnbauplanung für Flächen auf, die durch Lärm oberhalb der Schwelle zur Gesundheitsgefährdung belastet werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesgerichtshof wird die Schwelle zur Gesundheitsgefährdung bei Gebieten, die - auch - zum Wohnen bestimmt sind, mit 70 bis 75 dB(A) tagsüber und 60 bis 65 dB(A) nachts markiert (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1998 - BVerwG 11 A 3.98 - BVerwGE 107, 350; BGH, Urteil vom 25. März 1993 - III ZR 60/91 - BGHZ 122, 76).
e. Lärmbelastung unterhalb der Grenze zu Gesundheitsgefahren
Welche Lärmbelastung einem Wohngebiet unterhalb der Grenze zu Gesundheitsgefahren zugemutet werden darf, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls; die Orientierungswerte der DIN 18005 „Schallschutz im Städtebau" können zur Bestimmung der zumutbaren Lärmbelastung eines Wohngebiets im Rahmen einer gerechten Abwägung als Orientierungshilfe herangezogen werden. Wird ein neues Wohngebiet geschaffen, ist die Planung nach dem Urteil insbesondere auch darauf auszurichten, dass „in dem betreffenden Gebiet ein den berechtigten Wohnerwartungen und Wohngewohnheiten entsprechendes Wohnen gewährleistet ist." Dieses erfasst sowohl das Leben innerhalb der Gebäude als auch die angemessene Nutzung der Außenwohnbereiche wie Balkone, Terrassen, Hausgärten, Kinderspielplätze und sonstiger Grün- und Freiflächen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.12.2005; BVerwG, Urteil vom 21.05.1976 - BVerwG IV C 80.74 - NJW 1976, 1760).
Die angemessene Befriedigung der Wohnbedürfnisse setzt insbesondere voraus, dass innerhalb der Gebäude eine durch Außengeräusche nicht beeinträchtigte Entfaltung des Lebens der Bewohner möglich ist. Daher kann es im Ergebnis mit dem Gebot gerechter Abwägung vereinbar sein, Wohngebäude an der lärmzugewandten Seite des Gebiets auch deutlich über den Orientierungswerten liegenden Außenpegeln auszusetzen, wenn jedenfalls im Innern der Gebäude durch die Anordnung der Räume und die Verwendung schallschützender Außenbauteile angemessener Lärmschutz gewährleistet wird. Für eine derartige Lösung können im Einzelfall gewichtige städtebauliche Gründe sprechen. Insbesondere kann in die Abwägung eingestellt werden, dass durch eine geschlossene Riegelbebauung die rückwärtigen Flächen derselben Grundstücke und gegebenenfalls weiterer Grundstücke wirksam abgeschirmt werden. Allerdings ist bei derartigen Festsetzungen zugleich in besonderer Weise darauf zu achten, dass auf der lärmabgewandten Seite der Grundstücke geeignete geschützte Außenwohnbereiche geschaffen werden können (BVerwG, Urteil vom 22.03.2007).
f. Schallschutzkonzept erfordert Kosten-Nutzen-Analyse
Das Urteil legt die Entwicklung eines Schallschutzkonzeptes nahe, wenn der Lärm die Orientierungswerte der Norm überschreitet. Ziel des Konzeptes ist es, die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse zu berücksichtigen.
Dazu ist die mögliche Festsetzung aktiven Schallschutzes zu ermitteln. Zu prüfen ist, ob aktiver Lärmschutz möglich ist und in welchem Verhältnis die dabei entstehenden Kosten zu dem angestrebten Schutzzweck stehen (Kosten-Nutzen-Analyse). Konkret müsse nachvollziehbar dargelegt werden, in welcher Höhe etwa eine Schallschutzwand zu errichten wäre, um die geplante Wohnbebauung wirksam gegenüber Lärm zu schützen. Zur Konkretisierung ist eine Berechnung der Schallminderung durch Schallschutzmaßnahmen verschiedener Effektivität und Höhen unter Berücksichtigung des Abstandes der benachbarten festgesetzten Wohnbebauung und der dort vorgesehenen Wohnungen notwendig. Diese Berechnungen sind auch geboten, um die Relevanz des Eingriffs einer Schallschutzwand in das Stadt- bzw. Landschaftsbild stadtplanerisch zu bewerten.
g. Lärmbelastung
Im geplanten Wohngebiet an der Riedbahn werden die Orientierungswerte der DIN 18005-1 nicht nur an den Rändern des Wohngebietes um mehr als 10 dB(A) überschritten. Gerade im besonders schutzwürdigen Nachtzeitraum sind an der am stärksten belasteten ersten Gebäudereihe Beurteilungspegel von bis zu 66 dB(A) zu erwarten. Damit sind die Orientierungswerte für allgemeine Wohngebiete von nachts 45 dB(A) um bis zu 21 dB(A) überschritten. Auch an den Ostfassaden der dahinterliegenden Gebäude sind Beurteilungspegel im Bereich von 53 bis 58 dB(A) zu erwarten. Die Überschreitungen der Orientierungswerte bewegen sich hier im Bereich von 8 bis 13 dB(A) und sind damit im gesamten Plangebiet außerhalb des üblichen Abwägungsspielraums von 5 dB(A).
h. Gesundheitsgefährdung
Nach dem Urteil kann hier offen bleiben, ob ein Abwägungsfehler - was die Richter andeuten - bereits deshalb vorliegt, weil die Schwelle zur Gesundheitsgefährdung nachts erreicht ist. Denn an der Riedbahn wird die Schwelle im unmittelbar an die Bahnlinie angrenzenden Gebieten, so auch hier im Bebauungsplangebiet, mit 66 dB(A) nachts überschritten.
i. Kosten-Nutzen-Analyse des aktiven Schallschutzes fehlt
Die Abwägung war hier unabhängig von der Gesundheitsgefährdung schon deshalb fehlerhaft, weil das Schallschutzkonzept der Stadt mit Fehlern behaftet ist, die - so das Urteil - dazu führen, dass „die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse nicht berücksichtigt werden". Denn die Stadt habe bereits das Abwägungsmaterial im Hinblick auf eine mögliche Festsetzung aktiven Schallschutzes nicht hinreichend ermittelt. Nicht hinreichend geprüft wurde, ob aktiver Lärmschutz möglich ist und in welchem Verhältnis die dabei entstehenden Kosten zu dem angestrebten Schutzzweck stehen (Kosten-Nutzen-Analyse). Konkret habe die Stadt nicht nachvollziehbar dargelegt, in welcher Höhe eine Schallschutzwand zu errichten wäre, um die geplante Wohnbebauung wirksam gegenüber Bahnlärm zu schützen. Zur Konkretisierung wäre eine Berechnung der Schallminderung durch Schallschutzwände verschiedener Höhen unter Berücksichtigung des Abstandes der benachbarten festgesetzten Wohnbebauung und der dort vorgesehenen drei Obergeschosse notwendig gewesen. Diese Berechnungen wären aber geboten gewesen, um die Relevanz des Eingriffs einer Schallschutzwand in das Stadt- bzw. Landschaftsbild stadtplanerisch zu bewerten.
j. Riegelbebauung als Lärmschutzmaßnahme
Ein wesentlicher Bestandteil des Lärmschutzkonzepts des Bebauungsplans ist die Ausbildung einer „annähernd geschlossenen dreigeschossigen Geschosswohnungszeile" am östlichen Rand des Wohngebietes, um hier - so der Plan - „die für das gesamte Wohngebiet erforderliche lärmabschirmende Wirkung zu erreichen". Allerdings ergebe sich, so das Urteil, „weder aus den textlichen Festsetzungen noch aus der Begründung des Bebauungsplans, wie sichergestellt werden soll, dass aus Lärmschutzgründen zunächst der östliche Gebäuderiegel errichtet wird, bevor sich im westlichen Bereich des Plangebiets weitere Bebauung anschließt".
(1) Zeitliche Staffelung der Bebauung
In einem Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass die in ihm festgesetzten baulichen Anlagen und Nutzungen bis zum Eintritt bestimmter Umstände unzulässig sind (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BauGB). Eine solche Festsetzung bedarf in besonderem Maße der Rechtfertigung durch städtebauliche Gründe. Ein städtebauliches Bedürfnis nach einer zeitlichen Staffelung von baulichen Anlagen besteht dort, wo eine bestimmte Anlage zunächst verwirklicht sein muss, bevor weitere Anlagen folgen können, um z. B. die von der Bauleitplanung zu lösenden Konflikte des Immissionsschutzes sachgerecht zu lösen (Hessischer VGH, Urteil vom 22.04.2010).
Die Stadt hat hier von dieser der Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht.
(2) Baugebot
Ein Schallschutzkonzept kann im Rahmen der Abwägung der Planung durch ein Baugebot (§ 176 BauGB) als eine Möglichkeit des Konflikttransfers gesichert werden. Verletzt ein solches Baugebot angesichts der Unwirtschaftlichkeit der geplanten Wohnbebauung den verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, ist dies im Rahmen der Abwägung aufzuklären.
Die Möglichkeit eines Baugebots wurde hier durch die Stadt nicht im Verfahren der Abwägung des Bebauungsplanes, sondern verspätet erstmals im gerichtlichen Verfahren ernsthaft erwogen. Sie reagierte damit auf die Ankündigung des Antragstellers, den auf seinem Grundstück vorgesehenen Gebäuderiegel aus Wirtschaftlichkeitsgründen nicht zu errichten. Das würde - ausweislich der eingeholten schalltechnischen Stellungnahme - zu einer Erhöhung der Lärmimmissionen von bis zu 6 dB(A) insbesondere auf den angrenzenden Wohngrundstücken führen.
(3) Rechtliche und finanzielle Hindernisse für einen Fortbestand des Schallschutzriegels
Das Urteil kritisiert weiterhin, dass der Fortbestand der geplanten Riegelbebauung nicht hinreichend öffentlich-rechtlich oder privat-rechtlich gesichert sei.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass Baulasten (vgl. § 75 HBO) grundsätzlich auch zu Verpflichtungen nach Bauplanungsrecht begründet werden können (BVerwG, Urteil vom 14.02.1991 - BVerwG 4 C 51.87 - BRS 51 Nr. 161). Das Urteil bewertet es aber als rechtlich fraglich, ob eine so weitreichende Verpflichtung wie die Verpflichtung zur Bauerhaltung und gegebenenfalls Wiederherstellung eines zerstörten Gebäudes Inhalt einer Baulasterklärung sein kann.
Unabhängig hiervon wäre auch im Falle der rechtlichen Zulässigkeit entsprechender Baulasten oder privat-rechtlicher Verpflichtungen nach Meinung des Gerichts „der Bestand der Gebäude nicht effektiv gesichert." Im Falle des Abrisses eines Gebäudes oder Zerstörung durch Brand bestünde zwar eine Pflicht zur Wiedererrichtung. Die Wiedererrichtung ist aber dann, wenn die Grundstückseigentümer finanziell nicht leistungsfähig oder bauunwillig sind, nicht sichergestellt. Dass es in diesen Fällen angesichts angespannter öffentlicher Haushalte in jedem Fall zu einer Bebauung im Wege der Ersatzvornahme kommt, kann nicht angenommen werden (vgl. Hessischer VGH, Urteil vom 22.04.2010).
2. Fehlerhafte Abwägung der Streichung des Baugenehmigungsverfahrens
Nach dem Gebot der Konfliktbewältigung sind von jedem Bebauungsplan die ihm zuzurechnenden Konflikte zu lösen. Dies schließt eine Verlagerung von Problemlösungen aus dem Bauleitplanverfahren auf nachfolgendes Verwaltungshandeln nicht zwingend aus. Von einer abschließenden Konfliktlösung im Bebauungsplan darf die Gemeinde Abstand nehmen, wenn die Durchführung der als notwendig erkannten Konfliktlösungsmaßnahmen außerhalb des Planverfahrens auf der Stufe der Verwirklichung der Planung sichergestellt ist. Ist dies im Rahmen einer Prognose im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan hinreichend sicher abschätzbar, darf dem bei der planerischen Abwägung Rechnung getragen werden. Die Grenzen zulässiger Konfliktverlagerung sind indessen überschritten, wenn bereits im Planungsstadium absehbar ist, dass sich der offen gelassene Interessenkonflikt auch in einem nachfolgenden Verfahren nicht sachgerecht lösen lassen wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.03.2007 - BVerwG 4 BN 10.07).
Das Schallschutzkonzept des Planes lasse - so das Urteil - unberücksichtigt, dass für die in einem allgemeinen Wohngebiet zulässige Wohnbebauung in Hessen ein Baugenehmigungsverfahren nicht mehr obligatorisch und daher nicht sichergestellt ist, dass auf der Ebene der Baugenehmigung für die Einhaltung der Lärmschutzvorgaben Sorge getragen wird (vgl. Hessischer VGH, Urteil vom 22.04.2010).
3. Natur- und Artenschutz
Bei planbedingten Störungen des Lebensraumes einer geschützten Art sind nach dem Urteil die Prüfungsschritte der
(1) Darstellung der artspezifische Gefährdungsfaktoren für den Steinkauz,
(2) Ermittlung der durch die geplante Wohnnutzung für den Steinkauz konkret drohenden Betroffenheiten und
(3) Entwicklung von artspezifisch in Schadensbegrenzung - und Populationssicherungsmaßnahmean
erforderlich.
Vor diesem Hintergrund rügt das Urteil ein Ermittlungsdefizit, ob sich hier durch die planbedingt verstärkte Umlenkung der Freizeitnutzung in das angrenzende Flora-Fauna-Habitat-Schutzgebiet „Sandtrockenrasen zwischen Mörfelden und Walldorf" und die Erhöhung der dort schon vorhandenen Störungen der Erhaltungszustand der lokalen Population des Steinkauzes verschlechtern kann. Insoweit ist das ökologische Fachgutachten widersprüchlich. Dort heißt es zwar, „eine Bebauung des derzeit intensiv frequentierten Plangebiets werde Freizeitnutzungen verstärkt in das nördlich angrenzende FFH-Gebiet lenken und dort zu einer Erhöhung der ohnehin schon vorhandenen Störungen führen." Aber die sich daraus aufdrängende Aufklärung, ob sich - so das Urteil - „durch die Störungen der Erhaltungszustand der lokalen Population des Steinkauzes verschlechtert" wurden im Rahmen des ökologischen Fachgutachtens nicht durchgeführt. Nach dem Urteil hätte aber es nahegelegen, „den Steinkauz einer artspezifischen Betrachtung zu unterziehen. Hierzu gehört die Darstellung der artspezifischen Gefährdungsfaktoren und die von der geplanten Wohnbebauung verursachten konkreten Betroffenheiten sowie die artspezifischen Schadensbegrenzungs- und Populationssicherungsmaßnahmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.07.2008, a.a.O.)."
4. Wirkungen des Urteils
Der in der Rechtsprechung des BGH und des BVerwG geforderte Ausschluss von Gesundheitsgefahren als Folge einer Bebauungsplanung erfordert, dass ein neues Wohngebiet von einer Lärmquelle wie einer von Güterzüge zukünftig stark befahren Bahnstrecke oder von Fernstrassen ausreichend Abstand hält. Das Urteil verdeutlicht, dass angesichts von nächtlichen Dauerschallpegeln von weit über 60 dB(A) nicht nur an der Riedbahn, sondern an bundesweit allen Güterbahnabfuhrstrecken keine neuen Wohngebiete mehr geplant werden können, bis der Lärm erheblich gemindert ist.
Das Urteil verstärkt den politischen Druck auf den Bundesgesetzgeber, den Lärm der Güterbahn durch ein erforderliches Bündel von Maßnahmen zu reduzieren.
Dazu zählen:
(1) eine Streichung des Schienenbonus für der Streckenbestand,
(2) verbindliche Lärmsanierungspläne,
(3) Eingriffskompetenzen für das Eisenbahn-Bundesamt gegenüber der Deutschen Bahn Netz AG,
(4) die Eröffnung eines klagefähigen Rechts auf Schutz des Schlafens und Wohnens gegenüber Verkehrslärm,
(5) die Anordnung eines Nachtfahrverbotes oder hilfsweise Tempolimits von lauten Güterzügen durch Wohngebiete als Sofortmaßnahme.
Aus dem Urteil ist ableitbar, dass bundesweit Zehntausende von Anwohnern an Güterbahnstrecken bis zur wirksamen Umsetzung solcher Maßnahmen einen auch einklagbaren Abwehranspruch gegen die Gesundheitsgefährdung durch Lärm haben. Ansprüche sind gegenüber der Deutschen Bahn Netz AG und gegenüber der Bundesregierung eröffnet.
Das Urteil fordert bei der Bebauungsplanung neue Anstrengungen beim aktiven Schallschutz gegenüber Verkehrslärm ein. Je stärker der Lärm das Wohnen beeinträchtigt, desto gewichtiger müssen die für die Wohnbauplanung sprechenden städtebaulichen Gründe sein und umso mehr hat die Gemeinde die baulichen und technischen Möglichkeiten auszuschöpfen, die ihr zu Gebote stehen, um diese Auswirkungen zu verhindern.
Das Urteil betont, dass ein Wohnen hinter geschlossenen Fenstern nicht zumutbar ist. Denn die Bauleitplanung „muss ein berechtigten Wohnerwartungen und Wohngewohnheiten entsprechendes Wohnen gewährleisten. Dieses erfasst sowohl das Leben innerhalb der Gebäude als auch die angemessene Nutzung der Außenwohnbereiche wie Balkone, Terrassen, Hausgärten, Kinderspielplätze und sonstiger Grün- und Freiflächen." Das ist eine menschenfreundliche Klarstellung.
Die Entscheidung stellt schließlich für alle deutschen Schutzgebiet klar, dass eine planbedingt verstärkte Umlenkung der Freizeitnutzung in ein angrenzendes Flora-Fauna-Habitat-Schutzgebiet mit Störungen für die Lebensräume geschützter Tierarten die Prüfung erfordert, ob der Erhaltungszustand der lokalen Population der geschützten Tiere verschlechtern kann.