Hintergrund: Vertragskündigung und Umsatzsteuer
Wenn ein Besteller einen Werkvertrag kündigt, stellt sich die Frage, ob die Vergütung für die nicht erbrachten Leistungen der Umsatzsteuer unterliegt. Nach bisheriger Auffassung unterlag der Anspruch des Werkunternehmers nach § 648 S. 2 BGB nicht der Umsatzsteuer. Sowohl die Rechtsprechung des BGH (BeckRS 2008, 1034) als auch die Finanzverwaltung (Abschn. 1.3 V Abschn. 3.9 UStAE) sahen die Vergütung als Entschädigung ohne steuerbaren Leistungsaustausch an.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat diese Frage nun für die Mehrwertsteuerrichtlinie entschieden und kommt zu einem klaren anderen Ergebnis: Der geschuldete Betrag ist als Entgelt anzusehen und somit steuerpflichtig.
Der Fall: Bauvertrag und Vertragsbeendigung
Ein Bauunternehmen hatte einen Vertrag über Trockenbauarbeiten in Höhe von rund 6 Millionen Euro abgeschlossen, wovon etwa 900.000 Euro auf die Umsatzsteuer entfielen. Nach Beginn der Arbeiten teilte der Auftraggeber mit, dass er das Bauvorhaben nicht mehr durchführen lassen wolle. Daraufhin verlangte das Unternehmen die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen.
Die Streitfrage: Unterliegt dieser Betrag der Umsatzsteuer? Der österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) legte die Frage dem EuGH zur Entscheidung vor (Beschluss vom 25.9.2023, BeckRS 2023, 27059).
Entscheidung des EuGH: Mindestvergütung als Entgelt
Der EuGH stellte fest, dass der geschuldete Betrag ein Entgelt im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie ist. Entscheidend ist, dass bereits mit Vertragsabschluss das Recht entsteht, die vereinbarte Leistung in Anspruch zu nehmen. Ob der Besteller dieses Recht tatsächlich ausübt, ist unerheblich.
Wirtschaftlich betrachtet handelt es sich bei der Zahlung um eine vertraglich festgelegte Mindestvergütung. Damit unterscheidet sie sich von klassischen Stornogebühren, die lediglich eine pauschale Entschädigung für entstandene Kosten darstellen.
Auswirkungen auf die deutsche Rechtslage
Das Urteil betrifft auch Deutschland.
Zwar weicht die österreichische Regelung in § 1168 Abs. 1 ABGB sprachlich von der deutschen Norm ab, aber eine abweichende EuGH-Entscheidung bezogen auf das deutsche Recht ist nicht zu erwarten. Die Mindestvergütung nach § 648 S. 2 BGB wird damit umsatzsteuerpflichtig.
Fazit
Künftig sollte auch die Vergütung für nicht erbrachte Leistungen mit Umsatzssteuer abgerechnet werden.