Mein Kommentar:

Die Ausführungen des OLG zu den Mitwirkungspflichten des Versicherungsnehmers sind nicht Neues. Der Versicherungsnehmer muss seine Berufsunfähigkeit beweisen und Zweifel am Bestand des Vertrages ausräumen, also Unterlagen auch vorlegen!

Interessant sind die Äußerungen des Senats aber zu den Auswirkungen der vom Berufsunfähigkeitsversicherer erklärten Prüfungsbereitschaft nach Rücktritt und Kündigung. Hier sollte man aber nicht den Fehler machen anzunehmen, dass jede Prüfungsbereitschaft des Berufsunfähigkeitsversicherers nach Erklärung eines Rücktritts oder einer Kündigung gleich dazu führt, dass sich der Berufsunfähigkeitsversicherer nach Treu und Glauben nicht mehr auf diese Erklärungen berufen kann. Denn in der Regel prüft dieser dennoch den Versicherungsfall, wozu er verpflichtet ist. Hier gab es aber gleich mehrere Umstände, die für einen Verstoß gegen Treu und Glauben sprachen. So hatte die Versicherung unter anderem den “Fehler” gemacht zu erklären, dass sie mit Blick auf auf das in den verschwiegenen Gesundheitsstörungen liegende “erhöhte Risiko” den Antrag “nicht zu den vereinbarten Bedingungen angenommen” hätte. Mit anderen Worten, Sie hätte den Vertrag geschlossen, wenn auch zu anderen Bedingungen. Das Fehlen vertragshindernder Umstände hätte der Versicherung damit zum Verhängnis werden können, hätte die Versicherungsnehmerin nur ihre Prämien bezahlt. Hat sie aber nicht, so dass die Kündigung wegen Prämienrückstands erfolgreich werden konnte.

Der Hintergrund des Falls:

Mit Beschluss vom 15. Januar 2025 hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Saarbrücken über die Erfolgsaussichten einer Klage auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung entschieden und dabei die Mitwirkungspflicht des Versicherungsnehmers betont (Aktenzeichen: 5 W 83/24) Demnach kann die Fälligkeit von Versicherungsleistungen ausbleiben, wenn der Versicherte angeforderte medizinische Befunde nicht vorlegt. Weiterhin stellte der Senat fest, dass sich ein Versicherungsunternehmen im Einzelfall nicht auf einen Rücktritt oder eine Kündigung der Berufsunfähigkeitsversicherung berufen kann. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das anschließende Verhalten der Versicherung die Hinfälligkeit der ablehnenden Entscheidung nahelegt. Zudem wies das Gericht darauf hin, dass die Prämienpflicht des Versicherungsnehmers während der Leistungsprüfung fortbesteht und ein Zahlungsverzug zur Kündigung des Vertrags führen kann.

Die Klägerin, eine ehemalige Krankentransportfahrerin, begehrte Leistungen aus einer im September 2019 abgeschlossenen Berufsunfähigkeitsversicherung. Sie machte geltend, seit Oktober 2022 aufgrund einer COVID-Infektion berufsunfähig zu sein. Nachdem die Klägerin die Leistungen beantragt hatte, forderte die Versicherung mit Schreiben vom 23. Januar 2023 weitere Unterlagen an. Zugleich verwies sie auf eine mögliche Verletzung der vorvertraglich vereinbarten Anzeigeobliegenheit und erklärte darauf Bezug nehmend den Rücktritt vom Versicherungsvertrag, hilfsweise dessen rückwirkende Änderung sowie die Kündigung.

Dagegen wandte sich die anwaltlich vertretene Klägerin. Die Versicherungsgesellschaft erklärte anschließend, die zuvor getroffene Entscheidung überprüfen zu wollen; zugleich forderte sie erneut medizinische Nachweise zur Berufsunfähigkeit ein.

Mit Schreiben vom 1. Juni 2023 mahnte die Versicherung Beitragsrückstände der Klägerin für den Zeitraum Februar bis Mai 2023 an und erklärte für den Fall weiterhin ausbleibender Zahlungen die Kündigung des Vertrags.

Zwar wandte sich die Versicherungsnehmerin anwaltlich gegen die Zahlungsaufforderung, allerdings lehnte die Versicherungsgesellschaft  Leistungen wegen Berufsunfähigkeit ab. Sie begründete ihre Entscheidung mit den fehlenden Befundunterlagen, die die Klägerin nach wie vor nicht eingereicht habe.

Landgericht Saarbrücken verweigert Prozesskostenhilfe:

Gegen die Entscheidung des Versicherers erhob die Versicherungsnehmerin Klage zum Landgericht Saarbrücken. Sie beantragte unter anderem, die beklagte Versicherungsgesellschaft zur Zahlung der ausstehenden Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung zu verurteilen sowie Prozesskostenbeihilfe zu gewähren.

Das Landgericht entschied mit Beschluss vom 9. September 2024, den Antrag auf Beihilfe zu den Prozesskosten zu versagen. Es begründete seine Entscheidung mit der fehlenden Bedürftigkeit der Klägerin, die trotz mehrmaliger Nachfrage ihre wirtschaftliche Situation nicht offengelegt hatte.

Hiergegen richtete sie sich mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde.

OLG Saarbrücken: Klage ist aufgrund der fehlenden Mitwirkung der Klägerin aussichtslos:

Der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts bestätigte mit Beschluss vom 15. Januar 2025 im Ergebnis die Entscheidung der Vorinstanz, kam aber zu einer abweichenden rechtlichen Würdigung: Der Senat stellte fest, dass der Antrag der Klägerin auf Prozesskostenbeihilfe schon deshalb abzulehnen sei, da es der Klage an einer hinreichenden Erfolgswahrscheinlichkeit fehle.

Die Richter begründeten dies mit §14 Absatz 1 VVG: Demnach sind Geldleistungen des Versicherers erst fällig, wenn die notwendigen Erhebungen zur Feststellung des Versicherungsfalls abgeschlossen sind. Die Klägerin sei jedoch ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen und habe dadurch den Abschluss des Verfahrens verhindert. Im konkreten Fall habe die Versicherungsnehmerin die von der Versicherungsgesellschaft angeforderten medizinischen Unterlagen trotz mehrfacher Aufforderungen nicht eingereicht. Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung seien daher zu versagen.

Ebenso bestätigte der Senat den Anspruch der Versicherungsgesellschaft auf die ausstehenden Prämien für den Zeitraum Februar bis Mai 2023: Ungeachtet der im Schreiben vom 23. Januar 2023 enthaltenen Erklärungen zu einem Rücktritt vom Vertrag beziehungsweise dessen Kündigung seitens der Versicherung bestand das Versicherungsverhältnis zu jenem Zeitpunkt nach Auffassung der Richter fort. Aufgrund des Verhaltens der Versicherungsgesellschaft, insbesondere der in Aussicht gestellten Prüfung des Widerspruchs, konnte die klagende Versicherungsnehmerin annehmen, dass der Versicherungsvertrag beitragspflichtig fortbestand. Vielmehr, so die Richter, durfte die Klägerin davon ausgehen, dass die Versicherung von der erklärten Kündigung Abstand nehmen würde, sobald sie die geforderten Unterlagen einreichen würde. Im vorliegenden Fall jedoch habe die Versicherungsnehmerin ihre Beiträge während der laufenden Leistungsprüfung, deren Verzögerung ihr selbst zuzurechnen sei, widerrechtlich nicht entrichtet. Dadurch sei auch die anschließende Kündigung der Berufsunfähigkeitsversicherung aufgrund von Beitragsrückständen rechtmäßig.

Besprechung der Entscheidung des OLG Saarbrücken, Beschluss vom 15. Januar 2025 , Az: 5 W 83/24 abrufbar unter:

 https://recht.saarland.de/bssl/document/NJRE001601006