Nach einer gängigen Klausel in der Betriebsschließungsversicherung leistet der Versicherer Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger den versicherten Betrieb schließt. Bei unbefangener Betrachtung dürfte es sich bei Betrieben, die aufgrund der Covid-19-Pandemie geschlossen werden müssen, um das Paradebeispiel des Versicherungsfalles handeln. Gleichwohl vertreten derzeit eine Vielzahl von Versicherern die Auffassung, eine Eintrittspflicht in der Corona-Krise bestehe nicht.
Obliegenheiten beachten
Soweit ersichtlich wenden die Versicherer im Wesentlichen zwei Argumente gegen die Eintrittspflicht ein: Eine landesweite Verordnung – wie sie überwiegend Grund für die Schließung sein dürfte – stelle keine Betriebsschließung im Sinne der Versicherungsbedingungen dar. Ferner handele es sich bei Covid-19 nicht um eine versicherte Erkrankung. Beide Argumente dürften in einer Vielzahl von Fällen unzutreffend sein und es ist zu befürchten, dass die Versicherer die Versicherungsnehmer durch entsprechende Verlautbarungen in erster Linie davon abhalten wollen, der Obliegenheit zur unverzüglichen Meldung des Versicherungsfalles nachzukommen. Viele Versicherungsnehmer – insbesondere wenn nicht rechtlich beraten – werden sich von derartigen Aussagen der Versicherungsgesellschaften abschrecken lassen.
Arguemente für die Eintrittspflicht
Tatsächlich ist es dringend zu empfehlen, in jedem Falle die Eintrittspflicht der Versicherung prüfen zu lassen und etwaige Ansprüche ggf. auch gerichtlich geltend zu machen:
1. Betriebsschließung durch landesweite Verordnung
Das Argument der Versicherer, eine landesweite Verordnung stelle keinen Versicherungsfall dar, dürfte in den meisten Fällen offensichtlich unzutreffend sein. So verlangen die Versicherungsbedingungen eines Versicherungsunternehmens beispielsweise nur eine „Betriebsschließung“ durch die „zuständige Behörde“ gestützt auf das „Infektionsschutzgesetz“ aufgrund „meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger“. Soweit die Landesregierung als Behörde den Betrieb des Versicherungsnehmers durch Verordnung und gestützt auf das Infektionsschutzgesetz geschlossen hat, liegen diese Voraussetzungen ohne weiteres vor. Den Versicherungsbedingungen lässt sich trotz abweichender Verlautbarungen der Versicherungswirtschaft mit keinem Wort entnehmen, dass die Betriebsschließung durch Einzelverfügung erfolgen muss.
2. Vorliegen einer Krankheit im Sinne der Versicherungsbedingungen
Problematisch könnte hingegen das Vorliegen einer meldepflichtigen Krankheit bzw. eines Krankheitserregers sein. Zahlreiche Veröffentlichungen unterscheiden zwischen sogenannten dynamischen Verweisungen auf das Infektionsschutzgesetz (Covid-19 wäre wohl erfasst) und konkreten Krankheitslisten in den Versicherungsbedingungen (Covid-19 dürfte in den meisten Fällen wohl nicht erfasst sein). Daneben gibt es in den Versicherungsbedingungen allerdings auch Mischformen, in denen auf das Infektionsschutzgesetz verwiesen wird und die dort aufgeführten Krankheiten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Versicherungsbedingungen aufgelistet sind.
Auch im letztgenannten Fall lässt sich sehr gut argumentieren, dass die Auflistung allein erläuternder Natur sein soll, insgesamt aber ein dynamischer Verweis auf das Infektionsschutzgesetz gemeint ist. Vor allem aber lässt sich argumentieren, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer die Bedingungen so verstehen musste und durfte, da schlicht überhaupt kein Grund ersichtlich ist, weshalb bei einer Fortschreibung des Katalogs im Infektionsschutzgesetzes der Versicherungsschutz verkürzt werden soll. Auch lässt sich für den Versicherungsnehmer häufig nicht erkennen, dass durch die Auflistung überhaupt eine Einschränkung des Versicherungsschutzes erfolgen soll.
In den Krankheitskatalogen der Versicherungsbedingungen finden sich ferner häufig „Influenzaviren“ und „andere Erreger hämorrhagischer Fieber“. Zwar mögen die Corona-Viren aus wissenschaftlicher Sicht weder zum einen noch zum anderen zählen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer dürfte aber sehr wohl davon ausgegangen sein, dass auch Erkrankungen durch Corona-Viren versichert sind. Vom durchschnittlichen Versicherungsnehmer kann sicherlich kein medizinisches Fachwissen verlangt werden und gerade unter dem Eindruck früherer SARS-Erkrankungen im Jahre 2004 und 2005, die häufig als grippeähnlich bezeichnet wurden, dürfte der Versicherungsnehmer wohl damit rechnen, dass auch eine SARS-Epidemie ggf. unter den Versicherungsschutz fallen würde.
Versicherer wohl häufig leistungspflichtig
Alles in allem bestehen daher – vorbehaltlich einer Einzelfallprüfung – meines Erachtens durchaus gute Erfolgsaussichten, Leistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung angesichts der Covid-19-Epidemie gegen die jeweiligen Versicherungsunternehmen durchzusetzen. Gerne bin ich Ihnen hierbei behilflich.