Viele kennen – man ist abends auf einer Feierlichkeit und trinkt das ein oder andere alkoholischer Getränk. Jedoch ist man unter Einfluss von Alkohol emotionaler und lässt sich schnell mal aus der Ruhe bringen. Dabei kann es dazu kommen, dass eine körperliche Auseinandersetzungen mit einer anderen Person erfolgt. Manchmal enden diese harmlos. Nicht selten folgt jedoch für manchen der erste Kontakt zum Strafrecht, denn es gibt auch die Gefahr schwerwiegender Verletzungen.
Fraglich ist in solchen Situationen die strafrechtliche Bewertung des Geschehens. Je nach Hergang des Geschehens kann für eine Person ein Notwehrrecht bestanden haben. Anlass dieses Rechtstipps ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshof (Beschl. v. 21.11.2024 – 2 StR 503/24) bezüglich der Notwehr bei einer Streitigkeit zwischen zwei alkoholisierten Personen.
Sachverhalt der Entscheidung
Zwei alkoholisierte Männer haben sich gestritten. Der Streit eskalierte und der „Angreifer“ verursachte durch zwei Faustschläge, in das Gesicht des Angeklagten, eine blutende Verletzung des Nasenrückens. Der Angeklagte ergriff ein nahe liegendes Klappmesser und verursachte damit beim „Angreifer“ mehrere nicht lebensgefährliche Verletzungen an der Brust und am Hals. Der Angeklagte ist 67 Jahre alt und etwa 160 cm groß. Zudem ist er infolge einer schlecht ausgeheilten Verletzung im Gebrauch des linken Arms eingeschränkt war. Der Angreifer ist um einige Jahre jünger und dem Angeklagten auch körperlich überlegen gewesen.
Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB schuldig gesprochen. Eine gefährliche Körperverletzung wird mit Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Dem Landgericht zufolge sei der Angeklagte nicht durch Notwehr (§ 32 StGB) gerechtfertigt gewesen. Dies sah der Bundesgerichtshof anders und hob die Entscheidung des Landgerichts auf.
Rechtfertigungsgrund Notwehr § 32 StGB
Damit eine strafbare Handlung durch Notwehr gerechtfertigt ist, müssen gem. § 32 StGB verschiedene Voraussetzungen vorliegen. Einerseits muss ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff vorliegen, gegen den man sich verteidigen will. Zudem muss die Notwehrhandlung als solches geeignet, erforderlich und geboten sein. Eine Notwehrhandlung ist erforderlich, wenn kein milderes, gleich wirksames Mittel zur Verteidigung zu Verfügung steht.
Der Bundesgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung festgehalten, dass die Beurteilung inwiefern eine Handlung erforderlich ist, auf Grundlage einer objektiven ex-ante Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung beurteilt werden muss. Die Beurteilung muss folglich aus der Sicht eines objektiven Beobachters im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung erfolgen. Der verteidigenden Person ist grundsätzlich die Wahl des Verteidigungsmittels selbst überlassen. Ein Rückgriff auf weniger gefährliche Verteidigungsmittel ist nur zu fordern, falls diese unzweifelhaft eine entsprechende Abwehrwirkung haben und der angegriffenen Person genug Zeit zur Abschätzung der Lage zur Verfügung steht.
Bei der Benutzung eines Messers muss die Verwendung zwar grundsätzlich zunächst angedroht werden, jedoch nur wenn dies in der konkreten Situation möglich ist und sich die verteidigende Person damit nicht dem Risiko eines Fehlschlags aussetzt.
Ob die Voraussetzungen für eine Notwehrlage vorliegen, muss eingehend in einer Gesamtschau vom Geschehensablauf und Rechtslage geprüft werden. Es bedarf einer stichhaltigen Begründung vor Gericht. Ein versierter Rechtsbeistand im Strafrecht wird Ihnen vor Gericht beistehen und für Sie entlastende Umstände herausstellen. Gerade bei der Verwendung von Messern in unübersichtlichen Abläufen ist die Justiz nämlich nicht geneigt, den Angeklagten mit Notwehr "davon kommen" zu lassen. Ihr Strafverteidiger ist dann der einzige, der Ihnen noch zur Seite steht.
Rechtliche Einordnung des Beschlusses vom Bundesgerichtshof
Der Bundesgerichthof hielt fest, dass das Landgericht bei seinem Urteil die zuvor dargestellten Grundsätze, wann eine Notwehrhandlung erforderlich ist, nicht eingehalten hat. Die Feststellungen des Landgerichts ließen außer Acht, dass der Angeklagte dem Angreifer unterlegen war und zudem infolge einer schlecht ausgeheilten Verletzung im Gebrauch des linken Arms eingeschränkt war. Durch eine verbalen Androhung des Messereinsatzes hätte der Angeklagte sich der Gefahr ausgesetzt, sein einziges Verteidigungsmittel zu verlieren. Wobei schon fraglich ist, ob der stark alkoholisierte Angreifer eine solche Androhung hätte wahrnehmen können. Zudem hat das Landgericht nicht erörtert, inwiefern zunächst Stiche gegen die Arme oder Beine mildere Mittel der Verteidigung gewesen wären und ob diese ebenso den Angriff unmittelbar beendet hätten.
Das Urteil durch das Landgericht war folglich fehlerhaft und wurde aufgehoben.
Strafverteidigung beim Vorwurf gefährliche Körperverletzung dringend anzuraten
Sollte Ihnen ebenfalls ein ähnlich gelagertes Verfahren bevorstehen, rät Rechtsanwalt Heiko Urbanzyk aus Coesfeld Ihnen, frühzeitig einen erfahrenen und professionellen Strafverteidiger zu engagieren. Dieser wird nach modernen Verteidigungsstrategien schon im Ermittlungsverfahren auf entlastende Umstände hinweisen und kann so eine Einstellung des Verfahrens erreichen. Um zu beurteilen, ob Sie durch Notwehr gerechtfertigt sind, kommt es auf verschiedenste Umstände an. Wer hat zuerst geschlagen, lag im Vorfeld schon eine Provokation vor oder in welchem Verhältnis Sie zu dem Opfer stehen – dies sind nur wenige der Umstände, welche im Rahmen der Prüfung eines möglichen Notwehrrechts von Bedeutung sind.
Ein Fachanwalt im Strafrecht kennt die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der in Ihrem Bezirk zuständigen Oberlandesgerichte. Er kann daher Ihren Fall einordnen, sodass anhand dessen eine Verteidigungsstrategie erarbeitet werden kann. Es ist unerlässlich einen versierten Strafverteidiger zu engagieren, denn je nach Vorwurf kann eine nicht unerheblich Freiheitsstrafe drohen - jedenfalls nicht unter sechs Monaten Haft!