Warum es sich lohnen kann, für einen Freispruch zu kämpfen
Vorwurf häusliche Gewalt - Körperverletzung, Nötigung usw.
Bei Fällen sogenannter häuslicher Gewalt werden meistens männliche Beschuldigte geführt. Der Vorwurf lautet dann oft, eine Person habe seine Partnerin geschlagen, teilweise über mehrere Jahre hinweg. Häufig sind es die Nachbarn, die die Polizei informieren. Nicht selten kommt es zu einer Wegweisung des Beschuldigten. Er darf dann für eine gewisse Dauer die gemeinsame Wohnung nicht mehr betreten. Parallel hierzu wird ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Körperverletzung eingeleitet. Weitere Vorwürfe können bspw. auf Nötigung, Bedrohung oder Beleidigung lauten.
Krankenhaus, Aussage, Fotos - weitere Schritte der Strafverfolgungsbehörden
Üblicherweise wird Betroffenen häuslicher Gewalt zunächst dazu geraten, die Verletzungen zu dokumentieren und hierzu einen Arzt aufzusuchen. Hierbei gehört es zu Standard, dass zur Beweissicherung Fotos angefertigt werden. Des Weiteren wird schnellstmöglich eine Aussage der betroffenen Person aufgenommen.
Verhalten als Beschuldigter
Die Strafverfolgungsbehörden werden in der Regel ein Interesse daran haben, auch eine Aussage des Beschuldigten zu erhalten. Der Rat des Anwalts wird in fast 100 % der Fälle lauten: Schweigen. Als Beschuldigter haben Sie das Recht zu schweigen. Von diesem Recht sollten Sie auch Gebrauch machen. Denn ist eine Aussage einmal im Raum, kann Sie kaum mehr rückgängig gemacht werden. In einem weiteren Schritt sollten Sie schnellstmöglich einen Rechtsanwalt kontaktieren. Dieser wird Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft beantragen und mit Ihnen gemeinsam eine Verteidigungsstrategie vereinbaren.
Im Übrigen ist es ratsam, keinen Kontakt zu der (vermeintlich) geschädigten Person aufzunehmen. Dies kann schnell zu weiteren Polizeikontakten und Anzeigen führen.
Konstellationen, in denen eine Einstellung/ein Freispruch möglich ist
Eine Beendigung des Verfahrens ohne Verurteilung ist in folgenden Konstellationen denkbar.
Gegenseitige Gewaltanwendung
In einigen Fällen führen die Beteiligten eine „toxische Beziehung“, in der beide Seiten verbal und körperlich äußerst aggressiv agieren. Sollten Sie davor strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sein, beide Seiten gewalttätig geworden sein und die Situation wegen zwischenzeitlich erfolgter Trennung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erneut eintreten, haben Sie gute Chancen für eine Einstellung. Ein kluges Einlassungsverhalten im Ermittlungsverfahren eröffnet hierbei mitunter gute Möglichkeiten.
Geschädigte Person stellt keinen Strafantrag
Bei der (einfachen) Körperverletzung handelt es sich um ein sogenanntes relatives Antragsdelikt. Die Tat wird also nur verfolgt, wenn die geschädigte Person einen Strafantrag stellt und/oder die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht.
Stellt die geschädigte Person also keinen Strafantrag oder nimmt sie ihn zurück, kann die Tat nur verfolgt werden, wenn die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse bejaht. Daran wird es in der Regel fehlen, wenn es sich um die erste Tat handelt und die Verletzungsfolgen eher gering sind.
Staatsanwaltschaft verweist auf den Privatklageweg
Trotz Strafantrags kann die Staatsanwaltschaft die Verfolgung ablehnen. Dann verweist sie auf den Privatklageweg. Hierbei kann die geschädigte Partei die Rolle der Staatsanwaltschaft einnehmen und selbst eine Anklage bemühen. Eine solche Privatklage ist recht mühsam und in den seltensten Fällen erfolgreich. Die Verteidigung sollte daher darauf hinwirken, dass die Staatsanwaltschaft das öffentliche Interesse verneint.
Geschädigte Person sagt nicht mehr aus
Im häuslichen Bereich sind die Beteiligten oftmals verlobt oder verheiratet. Gegenüber diesen Personen steht Ihnen ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. D.h. Sie müssen Ihre Verlobten oder Ehepartner nicht belasten. Selbst wenn die geschädigte Person Sie bereits mit einer Aussage im Ermittlungsverfahren belastet hat, muss sie diese vor Gericht nicht wiederholen. Auch ihre vorherige Aussage kann dann nicht mehr verwertet werden.
Da es sich bei der häuslichen Gewalt vielfach um Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen handelt, entscheidet eine Zeugenaussage zwischen Verurteilung und Freispruch.
Doch auch hier ist Vorsicht geboten: unternehmen Sie nichts ohne Absprache mit Ihrem Strafverteidiger. Insbesondere der Versuch, eine geschädigte Person zu „überzeugen“ kann schnell nach hinten losgehen und sich sogar strafschärfend auswirken.
Widersprüchliche Aussagen und unklare Beweislage
Potenzial für ein glimpfliches Ende besteht ebenfalls dann, wenn die (vermeintlich) geschädigte Person widersprüchliche Aussagen trifft und die Vorwürfe der Anklage damit zumindest erschüttert werden können.
Denkbar ist auch, dass die Person sich an die Ereignisse nicht mehr erinnern kann, etwa weil sie den Ereignissen selbst keine große Bedeutung beimisst oder weil sie alkohol- oder drogenbedingt beeinträchtigt war.
Zuletzt ist auch denkbar, dass die vermeintlich geschädigte Person sich die Ereignisse ausgedacht oder sie stark dramatisiert hat.
Fazit
Im Bereich der „häuslichen Gewalt“ ergeben sich zahlreiche vielversprechende Verteidigungsansätze. Ob einer davon für Sie in Betracht kommt, kann ein Strafverteidiger für Sie herausarbeiten.