Nach fast zwölf Jahren gibt es im "Rangsdorfer Hausdrama" ein wegweisendes Urteil des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 14.03.2025 - V ZR 153/23). Der V. Zivilsenat hat entschieden, dass Familie W. das Grundstück räumen muss, aber erst, wenn Eigentümer S. ihnen die Hausbaukosten ersetzt. Das finanzielle Ausmaß des Kostenersatzes wird nun vom Oberlandesgericht Brandenburg festgelegt.
Ursprung des Grundstücksstreits
Die Saga begann 2010, als Familie W. im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens ein Grundstück in Rangsdorf erwarb. Dachte sie zumindest. Nach dem Bau eines Hauses und dem Einzug mit ihren Kindern meldete sich der ursprüngliche Eigentümer, der erst nach dem Zuschlag von der Versteigerung erfahren hatte, und forderte sein Eigentum zurück.
Das Landgericht Potsdam erklärte 2014 die Versteigerung für nicht rechtsgültig, da das Amtsgericht Luckenwalde nicht ausreichend nach dem ursprünglichen Eigentümer gesucht hatte. Der Zuschlag wurde aufgrund dieses Gerichtsfehlers aufgehoben. S. hatte sein Grundstück zu keinem Zeitpunkt verloren.
Familie W. weigerte sich indes, auszuziehen und die von ihr erbaute Immobilie abzureißen, da sie sich keiner Schuld bewusst waren.
Rechtsstreit und BGH-Urteil
Der nervenaufreibende Rechtsstreit ging durch die Instanzen bis hin zum Bundesgerichtshof. Im Juni 2023 verurteilte das OLG Brandenburg die Familie dazu, ihr Haus binnen eines Jahres abzureißen und das Grundstück zu räumen. Zusätzlich sollte die Familie eine Grundschuld von über 280.000,00 Euro plus Zinsen löschen und dem Eigentümer rund 6.000,00 Euro für die Nutzung zahlen.
Die Revision der Familie vor dem BGH war erfolgreich: Der BGH bestätigte zwar den Anspruch des ursprünglichen Eigentümers auf Berichtigung des Grundbuchs und Räumung des Grundstücks, beanstandete jedoch, dass die Vorinstanz das Zurückbehaltungsrecht der Familie für den Hausbau zu Unrecht verneint hatte. Der Bundesgerichtshof erkannte an, dass die Eheleute W. gutgläubig gehandelt haben und diese gutgläubige Haltung durch gesetzliche Regeln geschützt werden sollte. Bemerkenswerterweise revidierte der V. Zivilsenat mit dem Urteil eine 60 Jahre alte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, die bisher zwischen Sanierung und Neubau unterschieden hatte.
Juristische Grundlage und Folgeentscheidungen
Juristisch bezieht sich der Fall auf das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (EBV), insbesondere auf den Herausgabeanspruch des Eigentümers nach § 985 BGB und die Verwendungsersatzansprüche gemäß § 996 BGB. Familie W. kann Aufwendungen geltend machen, die den Wert des Grundstücks heute noch erhöhen. Im Gegenzug steht ihnen ein Zurückbehaltungsrecht zu, wodurch S. die Herausgabe nur Zug um Zug gegen Ersatz der Baukosten verlangen kann. Sollte S. für den Abriss des Hauses plädieren, muss er diesen eigenständig und auf eigene Kosten vollziehen.
Gespräche über Entschädigungszahlungen
Neben den rechtlichen Feststellungen gibt es Gespräche zwischen Familie W. und dem Brandenburger Justizministerium über eine eventuelle Entschädigungszahlung wegen des Gerichtsfehlers. Das Land Brandenburg hat Bereitschaft gezeigt, einen Teil der entstandenen Schäden zu kompensieren. Die finale Entscheidung des Rechtsstreits und die genaue Bewertung der Hausbaukosten obliegen nun dem Oberlandesgericht Brandenburg.
Der juristische Konflikt zeigt eindrücklich, welche Folgen ein Gerichtsfehler nach sich ziehen kann und unterstreicht die Wichtigkeit einer gerechten Regelung im komplexen Gebiet des EBV.