Im Falle einer Kündigung kann ein Arbeitnehmer die Wirksamkeit der Kündigung durch eine Kündigungsschutzklage gerichtlich überprüfen lassen. Prozesse, unter Umständen über mehrere Instanzen, nehmen dabei eine lange Zeit in Anspruch, teilweise mehrere Jahre. Hat der Arbeitnehmer seine grundsätzliche Bereitschaft zur Weiterarbeit beim Arbeitnehmer anfänglich zum Ausdruck gebracht und seine Dienste angeboten, kann der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung - im Zweifel über all die Jahre - in sogenannten Annahmeverzug nach den §§ 293 ff. BGB kommen. Rechtsfolge dessen ist, dass der gekündigte Arbeitnehmer dann weiterhin einen Anspruch auf Entgelt hat, vorausgesetzt, das Gericht kommt im Rahmen der Kündigungsschutzklage zur Entscheidung, dass das anspruchsbegründende Arbeitsverhältnis fortbesteht, da die ausgesprochene Kündigung unwirksam war. Es stellt sich dann allerdings die Frage, in welcher Höhe der Anspruch auf Entgeltzahlung gegen den Arbeitgeber besteht.
Nach § 11 Nr. 2 KSchG muss sich ein Arbeitnehmer auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schuldet, anrechnen lassen, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen.
Damit drängt sich die Frage auf, welche Arbeit während eines Schwebezustandes wie einer Kündigungsschutzklage zumutbar ist und unter welchen Voraussetzungen Böswilligkeit vorliegt, falls eine solche zumutbare Arbeit unterlassen wird. Diese Fragen sind in der Rechtsprechung ausgiebig besprochen und bleiben nach wie vor höchst praxisrelevant.
In seinem Urteil vom 07.02.2024 (Az.: BAG 5 AZR 177/23) setzte sich das Bundesarbeitsgericht zuletzt mit der konkreten Frage auseinander, ob ein Arbeitnehmer alles ihm zumutbare unternahm, um einer anderweitigen Arbeit nachzugehen, wenn dieser anderweitige Bewerbungen zur Beschaffung neuer Arbeit bewusst in dem Willen, beim alten Arbeitgeber beschäftigt zu bleiben, sabotierte. Konkret äußerte der Arbeitnehmer der Agentur für Arbeit gegenüber, dass er auch bei entsprechenden Vermittlungsversuchen seinen Unwillen, für jemand anderen zu arbeiten, im Bewerbungsprozess ausdrücken werde. Dabei wollte der Arbeitnehmer im Einzelfall noch vor einer Einladung zu einem Bewerbungsgespräch offenbaren, dass eine Kündigungsschutzklage anhängig sei und er unbedingt beim alten Arbeitgeber beschäftigt bleiben wolle.
Daraufhin unterlassene Jobangebote durch die Agentur für Arbeit und entsprechend ausbleibende Bewerbungsbemühungen des Arbeitnehmers werden nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nicht dem schützenswerten Interesse des Arbeitgebers zur Minimierung seines Prozessrisikos gerecht, auch wenn die Kündigung im Ergebnis unwirksam war. Eine formal ordnungsgemäße Arbeitsuchendmeldung beim Arbeitsamt reicht daher allein nicht aus, um zumutbare Arbeitsbeschaffungsbemühungen zu belegen, wenn daneben entsprechendes Sabotageverhalten gezeigt wird. Der Arbeitnehmer ist in einem solchen Falle nicht schutzwürdig.
Ebenso entschied das BAG in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung, dass zumutbare Arbeit ebenfalls böswillig unterlassen wird, wenn sich der Arbeitnehmer im Hinblick auf die Zahlungspflicht des Arbeitgebers vorsätzlich mit einer zu geringen Vergütung des neuen Arbeitsverhältnisses zufriedengibt. Das BAG entschied dabei konkret, dass eine geringfügige Beschäftigung bei einer vorherigen Vollzeitstelle als böswilliges Unterlassen zumutbarer Arbeit bewertet werden kann.
Die aktuelle Entscheidung des BAG zeigt, dass die Frage des böswilligen Unterlassens anderweitiger Arbeit in Folge arbeitsrechtlicher Kündigungen nach wie vor der gerichtlichen Einzelfallklärung bedarf. Die widerstreitenden Interessen des Arbeitgebers und Arbeitnehmers sind dabei gleichermaßen zu beachten. Die aktuelle Entscheidung konkretisiert den Schutzzweck des § 11 Nr. 2 KSchG dahingehend, dass dem Arbeitgeber eine unbillige Eigensabotage seines Arbeitnehmers bei der Suche nach neuer Arbeit nicht zum Nachteil gereichen soll. Dabei wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das Finden einer neuen Beschäftigung in den alleinigen Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers fällt, dies aber unmittelbaren Einfluss auf die Höhe des trotzdem zu zahlenden Arbeitsentgelts durch den Arbeitgeber hat. Die Entscheidung des BAG ist daher nur konsequent und notwendig, um das grundsätzlich von niemandem verschuldete Prozessrisiko in Form der Dauer der Kündigungsschutzklage und damit der Höhe des entstehenden Entgeltzahlungsanspruchs interessengerecht einzugrenzen.
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