Mit Vergleich vom 17.10.2024 haben sich drei Ärzte verpflichtet, an meine Mandantin insgesamt 25.000 Euro sowie meine außergerichtlichen Anwaltsgebühren zu zahlen.
Die 1975 geborene Mandantin stellte sich bei ihrem behandelnden Gynäkologen wegen eines Knotens in der rechten Brust mit einer Länge von 3 bis 4 cm vor. Da ihr dieser Befund keine Ruhe ließ, erfolgte zwei Monate später eine weitere Vorstellung. Der Gynäkologe überwies die Mandantin zur Mammographie. Die Mammographie wurde befundet mit "kein Anhalt für ein Karzinom BIRADS II". Der Gynäkologe besprach den Befund als unauffällig und riet zu einer Wiedervorstellung in drei Monaten. Eine sechs Monate später durchgeführte MRT der Brüste wurde beurteilt mit "Mastopathie ohne Anhalt für ein Malignom. MR-BI-RADS 2 (benigner Befund)". In der Folgezeit ergab eine histologische Untersuchung ein invasiv lobuläres Mammakarzinom der rechten Brust. Der Mandantin wurde die rechte Brust mit 27 Lymphknoten entfernt. Es folgte eine systemische Chemotherapie mit einer fraktionierten Strahlentherapie. In der Folgezeit bildeten sich metastasenähnliche Veränderungen im Becken und in der Lendenwirbelsäule aus.
Die Mandantin hatte ihrem Gynäkologen vorgeworfen, ihre rechte Brust habe bereits bei der Erstvorstellung eine unklare Raumforderung aufgewiesen. Diese hätte der beklagte Gynäkologe umgehend durch eine Biopsie abklären müssen. Dem Radiologen hatte die Mandantin vorgeworfen, seine Diagnose sei unvertretbar fehlerhaft gewesen. Aufgrund des auffälligen Tastbefundes sei eine weiterführende Diagnostik zur Sicherung weiterer Befunde geboten gewesen. Man habe nochmals gezielt auffällige Regionen nachuntersuchen können, bei suspekten Tastbefunden sei eine sonographisch gesteuerte Biopsie zwingend notwendig gewesen. Der Befund MR-BI-RADS 2 sei erhoben worden, ohne andere mögliche Differenzialdiagnosen mit einzubeziehen oder den klinischen Befund mit zu berücksichtigen.
Auch der weitere Radiologe habe grob fehlerhaft gehandelt. In der Röntgenmammographie sei der maligne Befund der rechten Brust unzweifelhaft zu erkennen gewesen. Jeder Radiologe hätte bei Hinterfragung des medizinischen Kontextes der Bildgebung mit den Informationen und dem Tastbefund die Raumforderung erkannt und als malignomsuspekt eingestuft. Bei rechtzeitiger Sicherung der Befunde hätte ihre rechte Brust nicht komplett entfernt werden müssen. Chemotherapie und Bestrahlung wären ihr erspart geblieben.
Das Gericht hatte folgenden Hinweis erteilt: Es stehe fest, dass dem Gynäkologen ein Behandlungsfehler in Form einer unterlassenen Sicherungsaufklärung unterlaufen sei. Er habe die Mandantin neben der Überweisung zur MRT nicht dringlich auf die baldige Vorstellung in einer Brustsprechstunde hingewiesen. Er hätte die Klägerin eindringlich darauf hinweisen müssen, dass sie sich völlig unabhängig von dem Ergebnis der MRT auf jeden Fall nochmals in der Brustsprechstunde hätte vorstellen müssen. Mit dem Sachverständigen gehe die Kammer insgesamt von einem einfachen Behandlungsfehler aus.
Dem ersten Radiologen sei ein grober Behandlungsfehler vorzuwerfen. Es fehle ein Seitenvergleich beider Brüste anhand der Bildgebung. Es fehlten Angaben darüber, dass die Morphologie (Struktur des Gewebes) berücksichtigt worden sei, inwieweit bei der Befundung der Kurvenverlauf der Kontrastmitteluntersuchung berücksichtigt worden wäre und dass die Mamille retradiert nach hinten gezogen gewesen sei.
Dem weiteren Radiologen sei ein einfacher Behandlungsfehler in Form eines einfachen Diagnosefehlers vorzuwerfen. Die Auswertung der digitalen Vollfeldmammographie sei unzutreffend und fehlerhaft. Beim Vergleich der rechten und linken Brust hätte dem Radiologen auffallen müssen, dass die Brüste nicht seitensymmetrisch waren und auf der rechten Seite eine irreguläre Struktur zu sehen war. Dabei handele es sich um einen typischen Befund für ein Karzinom, das bei der Klägerin vorgelegen habe.
Allerdings habe sich die eingetretene Verzögerung aller Fehler auf den weiteren Gesundheitsverlauf der Klägerin nicht negativ ausgewirkt: Der Sachverständige habe erklärt, dass auch bei einer rechtzeitigen Diagnose des Tumors der Klägerin die Operation, Bestrahlung und Hormontherapie mit Sicherheit nicht erspart geblieben wären. Die zeitliche Verzögerung von 2 bzw. 6,5 Monaten habe den Behandlungsverlauf nicht geändert. Angesichts des langsamen Wachstums des Tumors seien die verstrichenen sechs Monate nicht relevant.
Nach Einlegung der Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichtes Dortmund hat das Oberlandesgericht Hamm den Vorschlag gemacht, dass alle drei Beklagten insgesamt einen Betrag von 25.000 Euro und meine außergerichtlichen Gebühren zur Vermeidung einer neuen Beweisaufnahme zahlen.
Diesem Vergleichsvorschlag haben alle Parteien zugestimmt.
(OLG Hamm, Vergleichsbeschluss vom 17.10.2024, AZ: I- 3 U 1/24)
Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht & Verkehrsrecht
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2025/02/13

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