Nachdem mit der teilweisen Cannabislegalisierung im April 2024 auch im Fahrerlaubnisrecht der große Wurf erwartet wurde, ist hier mittlerweile Ernüchterung eingetreten. Zunächst wurde versucht, den im Gesetz - in § 13a FeV - nicht definierte Begriff eines „Cannabismissbrauchs“ einzugrenzen. Teile der Rechtsliteratur verlangten einen „schädlichen Gebrauch“ von Cannabis (wie bei einem Alkoholmissbrauch), der unterhalb der Cannabisabhängigkeit anzusiedeln sei.
Diese Überlegungen dürften sich mit dem am 22.08.2024 in § 24a Abs. 1a StVG festgelegten Grenzwert bei Cannabis in Höhe von 3,5 ng/ml und insbesondere der Regelung in der FeV (Nr. 9.2.1. in der Anlage 4 zur FeV) erledigt haben. Die Praxis der Fahrerlaubnisbehörden geht daher nun dahin, eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) erst bei einem THC-Wert von 3,5 ng/ml - und nicht schon bei 1,0 ng/ml THC - anzuordnen. Ansonsten hat sich nicht viel geändert. Vielmehr erfolgt die Anordnung zu einer Überprüfung der Fahreignung (MPU) weiterhin bereits bei nur einer einmaligen Fahrt mit einem Wert ab 3,5 ng/ml (siehe dazu meinen Rechtstipp „Führerschein und MPU nach neuem Grenzwert: MPU nun auch bei einmaliger Fahrt unter THC-Einfluss ab 3,5 ng/ml“).
Es haben sich aber weiterhin ein paar versteckte und leider unbeachtete Konsequenzen aus der Änderung des Fahrerlaubnisrechts in § 13a FeV ergeben. Hier ist nun in den Blick zu nehmen, welche Bedeutung bei der Bestimmung eines „Missbrauchs“ im Sinne des § 13a FeV das Konsummuster (noch) hat oder gerade nicht mehr hat.
Vor der Änderung der FeV mit § 13a FeV und in Nr. 9.2.1. in der Anlage zur FeV wurden die Maßnahmen in Bezug auf den Führerschein maßgeblich nach dem Konsummuster bestimmt:
- Ein einmaliger Konsum hatte keine fahrerlaubnisrechtlichen Konsequenzen, war also fahrerlaubnisrechtlich irrelevant.
- Ein gelegentlicher Konsum führte bereits bei einer erstmaligen Fahrt mit eine THC-Wert ab 1,0 ng/ml zu einer Überprüfung der Fahreignung, einer MPU.
- Ein regelmäßiger Konsum (also ein täglicher bzw. nahezu täglicher Konsum) führte unmittelbar zu einer Fahrerlaubnisentziehung und galt ab einem THC-Wert ab 150 ng/ml als nachgewiesen.
Nun ist das Konsummuster nach der Änderung der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) aber nicht gänzlich unbeachtlich, sondern kann zur Abwehr von Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde – ganz besonders bei Fahrerlaubnisentziehungen und MPUs - genutzt werden:
So kann bei regelmäßigem Konsum möglicherweise eine unmittelbare Fahrerlaubnisentziehung abgewendet werden: gab es bei einem regelmäßigen Konsum vor der Änderung der Fahrerlaubnisverordnung in § 13a FeV noch eine glatte (rechtmäßige) Fahrerlaubnisentziehung, ist dies nun nicht mehr zwingend gegeben. Vielmehr gibt die Gesetzesänderung mit § 13a FeV gerade keinen Hinweis mehr darauf, dass aufgrund eines regelmäßigen Konsums keine Fahreignung mehr gegeben ist und damit die Fahrerlaubnis entzogen werden dürfte. Die Fahrerlaubnisbehörden handhaben dies aber trotzdem auch aktuell weiterhin so: bei regelmäßigem Konsum wird also die Fahrerlaubnis weiter vielfach einfach entzogen.
Daher sollte eine Fahrerlaubnisentziehung grundsätzlich überprüft werden und es ist eine Entziehung vielfach abzuwenden. Die von den Fahrerlaubnisbehörden verschickten Bescheide zur Entziehung der Fahrerlaubnis hören sich immer so an, als könne nichts mehr dagegen unternommen werden. Ein Hinweis in den Bescheiden erfolgt in den meisten Fällen in der Art, dass man seine Fahrerlaubnis aus Gründen der Kostenersparnis auch „freiwillig“ abgeben könne. Davon ist aber ohne rechtliche Überprüfung abzuraten!! Ist die Fahrerlaubnis „freiwillig“ abgebeben worden, hat man sich die Möglichkeit zur Einlegung von Rechtsbehelfen und zur Rettung des Führerscheins entledigt. Und da es nach der Gesetzesänderung in der Fahrerlaubnisverordnung nun auch erste Rechtsprechung gibt, stehen die Chancen von Rechtsbehelfen gegen eine Fahrerlaubnisentziehung in solchen Fällen nicht so schlecht. So gibt es bereits obergerichtliche Entscheidungen (so z.B. das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes), das sich zum regelmäßigen Konsum geäußert hat. In der Entscheidung heißt es:
„Nach alter Rechtslage war die Fahrerlaubnis bei regelmäßigem Cannabiskonsum zu entziehen und bei gelegentlichem Konsum war entscheidend, ob ein hinlängliches Trennungsvermögen besteht, was nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV a.F. durch Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung abgeklärt werden konnte. Das neue Recht unterscheidet zwischen Cannabisabhängigkeit, Cannabismissbrauch und einem fahrerlaubnisrechtlich unbedenklichen Cannabiskonsum, der nach Vorstellung des Normgebers gelegentlich oder regelmäßig erfolgen kann. Der Normgeber hat damit Neuland betreten, was sich für die Fahrerlaubnisbehörden, die Gerichte und die Begutachtungsstellen durchaus als Herausforderung darstellt, zumal eine Anpassung der Beurteilungsleitlinien an die neuen Vorgaben (noch) nicht erfolgt ist.
Mit der Neuregelung hat der Normgeber seine bisherige Annahme, dass mit einem regelmäßigen Konsum im Regelfall mangelnde Kraftfahreignung einhergeht, aufgegeben. Der bisherigen Regelvermutung der Ungeeignetheit gemäß Nr. 3.14.1 der Begutachtungsleitlinien ist damit jedenfalls in ihrer bisherigen Ausgestaltung die Grundlage entzogen. Zutreffend stellt das Verwaltungsgericht fest, dass aus der Gesetzesbegründung nicht hervorgeht, unter welchen Voraussetzungen der Betroffene nicht hinreichend sicher zwischen dem Führen eines Kraftfahrzeugs und einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Konsum trennt. Insoweit drängt sich auf, dass bei regelmäßigem Konsum nunmehr die Umstände des Einzelfalls von zentraler Bedeutung sind und anhand ihrer zu beurteilen ist, ob der Tatbestand des Missbrauchs bzw. der Abhängigkeit erfüllt ist oder ein fahrerlaubnisrechtlich unbedenkliches Konsumverhalten vorliegt. Das auf die alten Beurteilungsleitlinien gestützte Argument, bei regelmäßigem Cannabiskonsum liege im Regelfall Cannabismissbrauch vor, hat demgegenüber das Potential, den Willen des Normgebers zu konterkarieren.“
Wenn also die Fahrerlaubnisbehörde mit einer unmittelbaren Fahrerlaubnisentziehung wegen eines regelmäßigen Konsums von Cannabis um die Ecke kommt, sollten Sie dies in jedem Fall überprüfen lassen! Insgesamt ist die neue Rechtslage noch so unsicher, dass gegen Entziehungsbescheide der Behörden in vielen Fällen etwas auszurichten ist.
Richtig interessant wird es aber bei einem einmaligen Probierkonsum. Dieser war vor Änderung der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) fahrerlaubnisrechtlich irrelevant. Es kam also bei Probierkonsum keine Fahrerlaubnisentziehung in Betracht, aber auch keine Anordnung einer MPU!! Dies kann sich aber auch nach der Gesetzesänderung nicht geändert haben. Ein einmaliger Konsum ist meines Erachtens weiterhin fahrerlaubnisrechtlich nicht relevant (der Probierkonsum muss aber schlüssig, nachvollziehbar und glaubhaft dargelegt werden).
In meiner Praxis ist mir in der Vergangenheit immer wieder einmal Probierkonsum untergekommen. Dies dürfte in Zukunft aber immer häufiger werden, denn Cannabis einmal auszuprobieren, dürfte wegen der leichteren Verfügbarkeit und insbesondere der Entkriminalisierung deutlich häufiger vorkommen. Der Probierkonsum dürfte daher weiter ansteigen.
Dass ein einmaliger Probierkonsum nicht die Anordnung einer MPU rechtfertigt, hat bereits das Bundesverfassungsgericht (!) in einer Entscheidung im Jahr 1993 festgestellt. Dies muss auch nach der Gesetzesänderung Bestand haben – ansonsten würde das Gesetz gegen die Verfassung verstoßen. Dies hat bereits Eingang in ganz aktuelle Entscheidungen der Gerichte gefunden. So hat das Verwaltungsgericht Minden in einer Entscheidung Folgendes festgestellt:
„Die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach § 13a Satz 1 Nr. 2 a) Alt. 2 FeV aufgrund von Tatsachen, die die Annahme von Cannabismissbrauch begründen, dürfte darüber hinaus einen wenigstens gelegentlichen Konsum von Cannabis voraussetzen. Denn die Feststellung eines einmaligen Cannabisgebrauchs rechtfertigt aus verfassungsrechtlichen Gründen "für sich genommen" nicht die Forderung nach Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens.“
Hört, hört, das ist wichtig: selbst bei einer Fahrt unter einem THC-Wert ab einem Wert von 3,5 ng/ml dürfte bei Vorliegen eines einmaligen Probierkonsums weiterhin weder eine Fahrerlaubnisentziehung noch die Anordnung einer MPU rechtmäßig sein.
Fazit: Aufgrund der neuen Gesetzesänderung der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) in § 13a FeV ist die Rechtslage immer noch unsicher. Die Entwicklung der Rechtsprechung zu vielen Rechtsfragen ist abzuwarten. Erste Wegweiser sind aber anhand der aktuellen Rechtsprechung deutlich zu beobachten und sollten daher weiter in den Blick genommen werden. Fahrerlaubnisrechtliche Maßnahmen der Behörden – die häufig ihren alten Striemel einfach weiter machen - sollten daher immer rechtlich überprüft werden – egal ob es sich um eine Fahrerlaubnisentziehung, eine MPU oder ein ärztliches Gutachten handelt.
Bei Fragen können Sie sich bei mir unter der Telefonnummer 0421-695 256 27 für eine Ersteinschätzung melden.