Bei Gerichtsverfahren sind wir gewohnt, dass alles auf "den Gerichtstermin" hinausläuft. Der Sinn ist, dass dort mündlich verhandelt, also miteinander gesprochen wird. Im Familienrecht besonders häufig in kleinen Räumen, aber mit vielen Beteiligten und besonders intensiv und lang. Zu Beginn der Pandemie war also schnell klar: Geht nicht! Termine abgesagt.
Das Problem:
Die mündliche Verhandlung ist im Gesetz vorgeschrieben. Ohne Anhörung der Eheleute keine Scheidung, ohne Anhörung der Kinder keine Sorgerechtsregelung. Gerade Umgangs- und Sorgerechtsverfahren müssen aber schnell bearbeitet werden!
Die Lösungsansätze klassischer Art:
Viele Gerichte haben zunächst einfach alle Termine verschoben, bis beispielsweise durch eine verbesserte Ausstattung einiger Gerichtssäle mit Trennscheiben eine hygienische Nutzung wieder möglich wurde. Dort, wo die eigentlich vorgesehenen Räume zu klein waren oder nicht aufgerüstet werden konnten, wurden häufig zuerst die eiligen Familiensachen in großen Sälen terminiert, die sonst für Strafverhandlungen genutzt werden. Scheidungen wurden häufig erneut verschoben, da natürlich die Anzahl der zu vergebenden Termine durch das erheblich verringerte Raumangebot stark gesunken ist.
Schon hier haben aber viele Richter von sich aus dadurch mehr Termine ermöglicht, dass sie zu an sich unüblichen Zeiten auch am Nachmittag noch geladen haben. Wenn Sie gerade auf einen Termin warten: Fragen Sie Ihren Anwalt, ob "Ihr" Gericht dies auch schon tut. Falls nicht, weisen Sie gemeinsam das Gericht höflich darauf hin, dass Sie selbstverständlich auch am Nachmittag zur Verfügung stehen. Für Ihre Anwältin ist das ohnehin übliche Arbeitszeit.
So kann die klassische mündliche Verhandlung doch endlich stattfinden.
Lösungsansatz "neuer" Art:
Beim klassischen Ansatz bleibt das Problem, dass ein persönlicher Kontakt eben doch bei allen Hygienekonzepten ein Risiko bleibt. Zudem steht selbst ohne Corona nicht jedem Richter ein eigener Verhandlungssaal zur Verfügung, zusätzliche Nachmittags- und Samstagstermine können also nicht gleichzeitig von jeder Richterin angeboten werden.
Daher gehen Gerichte zunehmend dazu über, auch im Familienrecht eine Vorschrift in der Zivilprozessordnung aus dem Jahr 2013 zu nutzen, die vor Corona kaum eine Rolle spielte: Die Teilnahme an der Verhandlung per Video.
In Umgangs- und Sorgerechtsverfahren hängt natürlich stark von Alter, Persönlichkeit und Umfeld der Kinder ab, ob man hier auf den persönlichen Kontakt und den unmittelbaren Eindruck verzichten kann. Aber prüfen sollten Sie gerade in diesen Fällen, ob eine weitere Verzögerung nicht schädlicher wäre als eine "nur" digitale Anhörung.
Bei einvernehmlichen Scheidungen spricht eigentlich nichts dagegen, zumal eine unstreitig zulässige Anhörung per Video sicher angenehmer ist als eine monatelange Verzögerung oder einem Termin am Freitagabend. Manche Gerichte haben sogar begonnen, im schriftlichen Verfahren anzuhören. Ob das wirklich rechtlich zulässig ist, ist allerdings stark umstritten.
Auch hier können Sie mithilfe Ihres Anwalts oder Ihrer Anwältin anregen, über einen Videotermin das Raumproblem zu lösen. Das Gericht kann von seinem Schreibtisch aus anhören. Und das gefahrlos sogar dann, wenn ein Beteiligter zu einer Risikogruppe gehört.
§ 128a ZPO macht es möglich, Ihr Fachanwalt für Familienrecht erklärt Ihnen - und notfalls dem Gericht - gern, wie Sie das Verfahren damit zügig zu Ende bringen können.