Liebe Mandanten und Freunde, an dieser Stelle möchten wir Ihnen von Zeit zu Zeit interessante Themen aus der erbrechtlichen und erbschaftsteuerlichen Praxis vorstellen. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen und helfen Ihnen bei Fragen gern. Ihr BBT-Team.

1. BGH, Beschluss vom 22.05.2024, Az. IV ZB 26/23

In der Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) ging es um folgenden Sachverhalt: Die Ehegatten hatten mehrere Jahre vor Ihrer Eheschließung einen Erbvertrag geschlossen, in welchem sie sich gegenseitig zu Alleinerben bestimmt hatten. Als Erben des Längstlebenden bestimmten sie das Kind der Ehefrau (Sohn) und die beiden Kinder des Ehemanns.

Die ca. 4 Jahre nach Abschluss des Erbvertrages geschlossene Ehe wurde nach ca. 1 Jahr wieder rechtskräftig geschieden. Nach Versterben der geschiedenen Ehefrau beantragte der geschiedene Ehemann einen Erbschein als Alleinerbe. Dagegen wandte sich der Sohn der geschiedenen Ehefrau, da er der Auffassung war, dass der Erbvertrag mit Scheidung unwirksam geworden und damit er gesetzlicher Alleinerbe nach der Mutter geworden sei.

Der BGH entschied jedoch dagegen und zugunsten des geschiedenen Ehemannes. Im Rahmen der Auslegung des Erbvertrages könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Einsetzung des jeweils anderen als Alleinerben des Erstversterbenden entfallen sollte, wenn die Vertragsparteien später heirateten und ihre Ehe später wieder geschieden werden sollte. 

Die Erbeinsetzung des geschiedenen Ehegatten sei auch nicht gem. § 2077 Abs. 1 oder Abs. 2 in Verbindung mit § 2279 BGB unwirksam. Nach § 2077 Abs. 1 BGB ist eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen Ehegatten bedacht hat, unwirksam, wenn die Ehe vor dem Tod des Erblassers aufgelöst worden ist. Die Regelung solle einer nachträglich eintretenden wesentlichen Veränderung in den Beziehungen von Erblasser und Bedachten mit Rücksicht auf die allgemeine Lebenserfahrung Rechnung tragen. Das Gleiche gelte gemäß § 2077 Abs. 2 BGB, wenn der Erblasser seine letztwillige Verfügung zu Gunsten seines Verlobten getroffen hat, das Verlöbnis aber vor dem Eintritt des Todesfalls aufgelöst worden ist.

Nach Auffassung des BGH würden die Voraussetzungen des § 2077 BGB vorliegend jedoch nicht greifen. § 2077 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BGB in direkter Anwendung würden nämlich das Bestehen einer Ehe bzw. eines Verlöbnisses im Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrages voraussetzen. Nach Auffassung des Gerichts sei § 2077 Abs. 1 S. 1 BGB in analoger Weise überdies nur anwendbar, wenn der Erblasser und der Bedachte im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung zwar nicht verheiratet oder verlobt waren, aber ein hinreichender Bezug der Verfügung zu einer späteren Eheschließung vorliegen würde.

Einen solchen hinreichenden Bezug sah der BGH bei der erst ca. 4 Jahre später stattfindenden Ehe nicht. Auch waren wohl keine entsprechenden Anspielungen der Beteiligten auf die Ehe im Erbvertrag enthalten. § 2077 BGB kam somit nicht zur Anwendung und der geschiedene Ehegatte wurde mithin Alleinerbe.

2. Schlussfolgerung für die Praxis

Das Urteil zeigt wieder einmal, wie wichtig die richtige Formulierung von letztwilligen Verfügungen ist und dass es ratsam ist, diese von Zeit zu Zeit zu überprüfen und ggfls. anzupassen. Die Auswirkungen von Fehlern können wie im vorliegenden Fall gravierend sein, denn es ist meistens nicht gewollt, dass der geschiedene Ehepartner plötzlich doch Alleinerbe wird.

Meistens werden Erbverträge, welche oft mit Eheverträgen verbunden werden, kurz vor der Ehe abgeschlossen und enthalten auch meist einen Bezug zur bevorstehenden Ehe. Diese Erbverträge verlieren mit rechtskräftiger Scheidung grds. ihre Wirksamkeit nach § 2077 BGG. In Fällen, in denen der Erbvertrag einige Zeit vor Eheschließung geschlossen worden ist, ist jedoch Vorsicht geboten. Hier müssten u.E. entsprechende Bezugnahmen auf die geplante Ehe enthalten sein oder der Vertrag muss nach Scheidung aufgehoben oder geändert werden. Dies darf nur nicht vergessen werden!

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