1. Gründe für eine Ausschlagung
Es gibt zahlreiche Gründe, warum jemand eine Erbschaft ausschlagen möchte. Der häufigste Grund ist die Überschuldung des Nachlasses, da der Erbe grundsätzlich die Verbindlichkeiten des Erblassers übernehmen muss. Ein weiterer Weg, die Erbenhaftung zu beschränken, ist oft umständlich und zeitraubend. Persönliche Gründe können ebenfalls eine Rolle spielen, wie etwa eine Antipathie gegenüber dem Erblasser oder der Wunsch, die Erbschaft einem anderen zu überlassen.
Beispiel:
Ein Sohn möchte, dass seine Kinder die Erbschaft – etwa aus steuerlichen Gründen - erhalten.
Er kann die Erbschaft gegen eine Abfindung durch den Ersatzberufenen ausschlagen.
2. Das Ausschlagungsrecht
Der Erbe ist nicht gezwungen, eine Erbschaft anzunehmen. Er kann sie ausschlagen, was die vorläufige Annahme der Erbschaft rückwirkend aufhebt (§ 1942 I BGB). Dies gilt unabhängig davon, ob der Erbe gesetzlich, testamentarisch oder durch Erbvertrag berufen wurde. Nur der Staat hat kein Ausschlagungsrecht (§ 1942 II BGB).
Die Ausschlagung kann nicht bedingt oder teilweise erklärt werden; sie muss ganz oder gar nicht erfolgen (§§ 1947, 1950 BGB). Jedoch kann die Erbschaft aus einem Berufungsgrund ausgeschlagen und aus einem anderen angenommen werden (§ 1948 BGB).
Beispiel:
Eine Tochter schlägt ihre testamentarische Erbeinsetzung aus, um gemeinsam mit ihrem Bruder gesetzlich zu erben.
Bei mehrfacher Berufung kann der Erbe unterschiedliche Erbteile annehmen oder ausschlagen, wenn diese auf verschiedenen Gründen beruhen (§ 1951 I BGB).
3. Form und Frist der Ausschlagung
Die Ausschlagungserklärung muss in besonderer Form beim zuständigen Nachlassgericht erfolgen: entweder durch öffentliche Beglaubigung der Unterschrift oder zu Protokoll des Nachlassgerichts. Eine informelle Mitteilung genügt nicht. Das Nachlassgericht bestätigt den Empfang der Ausschlagungserklärung auf Antrag, äußert sich jedoch nicht zur Rechtzeitigkeit oder Gültigkeit.
Die Frist zur Ausschlagung beträgt sechs Wochen (§ 1944 BGB), verlängert sich aber auf sechs Monate, wenn der Erblasser oder der Erbe im Ausland lebt (§ 1944 III BGB). Die Frist beginnt mit der Kenntnis des Erben vom Anfall der Erbschaft (§ 1944 II 1 BGB). Bei testamentarischer Berufung beginnt die Frist frühestens mit der Verkündung des Testaments (§§ 1944 II 2, 2260, 2300 BGB).
4. Die Wirkung der Ausschlagung
Mit der form- und fristgerechten Ausschlagung gilt der Anfall an den zunächst berufenen Erben als nicht erfolgt (§ 1953 I BGB). Die Erbschaft fällt nun dem Nächstberufenen zu, der erbt, als hätte der ausschlagende Erbe nie existiert (§ 1953 II BGB).
Das Nachlassgericht muss unverzüglich ermitteln, wem die Erbschaft durch die Ausschlagung zufällt, und diesen benachrichtigen. Für den Nächstberufenen beginnt eine neue Ausschlagungsfrist mit der Kenntnis vom Erbanfall (§ 1944 I BGB).
Beispiel:
Ein verschuldeter Erbonkel wird von seinem Bruder beerbt, der ausschlägt. Die Erbschaft geht dann an die Kinder des Bruders über, die ebenfalls ausschlagen können.
Das Nachlassgericht prüft die Rechtswirksamkeit der Ausschlagung erst im Erbscheinverfahren. Verpflichtungsgeschäfte des vorläufigen Erben bleiben bestehen, es sei denn, sie wurden erkennbar nur für den Nachlass abgeschlossen (§ 1959 I BGB).
5. Erbschaftsausschlagung und Pflichtteilsrecht
Wer die Erbschaft ausschlägt, verliert grundsätzlich sein Pflichtteilsrecht (§ 2303 I 1 BGB). Ausnahmen bestehen bei:
- Überlebendem Ehegatten in Zugewinngemeinschaft (§ 1371 III BGB)
- Pflichtteilsberechtigtem Erbteil, der durch Nacherbschaft, Testamentsvollstreckung oder Auflage beschränkt ist (§ 2306 I 2, II BGB)
- Nur mit einem Vermächtnis bedacht (§ 2307 I BGB)
6. Die Ausschlagung für Minderjährige
Minderjährige werden bei der Ausschlagung durch ihre Eltern vertreten (§ 1629 I 2 BGB). Auch für ungeborene Kinder kann die Ausschlagung erklärt werden. Die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts ist erforderlich, außer wenn der Anfall allein durch die Ausschlagung eines vertretungsberechtigten Elternteils erfolgte (§ 1643 II 2 BGB).
Beispiel:
Ein Vater schlägt eine überschuldete Erbschaft aus und tut dies auch für seine minderjährigen Kinder. Hierfür ist keine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nötig.
Wenn ein vertretungsberechtigter Elternteil und das Kind gleichzeitig Erben sind, ist eine Genehmigung notwendig, um Interessenkonflikte zu vermeiden (§ 1643 II 2 BGB).
Fristprobleme bei der Genehmigung:
Die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts muss innerhalb der Ausschlagungsfrist nachgewiesen werden. Falls die Zeit nicht ausreicht, kann ein vor Fristablauf gestellter Antrag die Frist hemmen (§§ 1944 II 3, 206, 210 BGB).