Ich schreibe über einen Fall aus dem Bereich der gesetzlichen Pflegeversicherung. Die gesetzliche Pflegeversicherung ist im Sozialgesetzbuch (SGB) XI geregelt.
Es geht um die Entscheidung des Sozialgericht Schleswig vom 16.02.2023, S 32 P 98/20; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht vom 25.03.2024, L 8 P 6/23 und des BSG vom 12.12.2024, B 3 P 2/24 R.
Schwerpunkte der Entscheidungen sind die Ermittlung des Grades der Pflegebedürftigkeit bei einem insulinpflichtigen Kind sowie die Interpretation des Kriteriums „Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen“ im Modul 3, hier Abwehr des Kindes aus kindlicher Angst vor Schmerzen gegen Blutzuckermessung sowie Sensor- und Katheterwechsel, und das Verhältnis des Kriteriums „Essen“ im Modul 4, die Begleitung und Überwachung bei der Nahrungsaufnahme, zum Kriterium „Einhaltung einer Diät und anderer krankheits- und therapiebedingter Verhaltensvorschriften im Modul 5, Errechnung der Insulineinheiten gemäß der Nahrungszufuhr nicht selbständig möglich.
Die Gerichte hatten einen Fall zu entscheiden, in dem die Eltern eines 2016 geborenen Kindes Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung nach dem Pflegegrad 2 für die Zeit ab 27. Februar 2020 beantragten. Das Kind ist bei der Beklagten gesetzlich pflegeversichert. Es ist seit Februar 2020 an Diabetes Mellitus Typ I erkrankt. Die Schwerbehinderung mit dem GDB von 50 sowie das Merkzeichen „H“ sind anerkannt. Die Beklagte hatte den Antrag aufgrund eines von ihr eingeholten Gutachtens des medizinischen Dienstes abgelehnt.
Die Insulinversorgung erfolgt über eine Insulinpumpe, die Blutzuckermessungen über einen Glukosesensor. Zusätzliche Blutzuckerkontrollen sind etwa 8x/Tag erforderlich. Es erfolgen mindestens achtmal täglich Insulininjektionen über die Insulinpumpe. Die Insulinpumpe muss 1x/Woche befüllt und alle drei Monate ausgelesen werden. Darüber hinaus muss der Katheter der Pumpe alle 2 Tage und der Sensor alle 7 Tage gewechselt werden. Die Ermittlung der Insulindosis erfolgt in Abhängigkeit vom aktuell gemessenen Blutzuckerwert, der Kohlenhydratmenge und der Kohlenhydratsorte der Mahlzeiten und der körperlichen Belastung. Bei drohender Über- oder Unterzuckerung ist sofortige Intervention erforderlich.
Die Eltern beantragten für das Kind Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung nach dem Pflegegrad 2. Im erstinstanzlichen Urteil wurde nach Einholung eines Gutachtens die Beklagte verurteilt, die beantragten Leistungen in Form des Pflegegeldes nach Pflegegrad 2 zu gewähren. Die Fassung des Tenors entspricht dabei für den vom Sozialgericht verstanden allgemeinen Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wird im Urteil des Landessozialgerichts unter 3.) festgestellt, „dass es keinen globalen Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung als Streitgegenstand gibt“. Es gilt jedoch das Meisbegünstigungsprizip und danach ist im Interesse des Klägers von dem primären Klageziel auf Leistungen des Pflegegeldes nach § 37 SGB XI auszugehen.
Anhand der Begutachtung im Rahmen des Gerichtsverfahrens wurden 32,5 gewichtete Punkte ermittelt, sodass Pfleggrad 2 anzuerkennen war und nicht Pflegegrad 1, wie zuvor von der Beklagten angenommen. Die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen. Das Landessozialgericht hat in seinen Entscheidungsgründen unter 4.) die gesetzlichen Voraussetzungen und rechtlichen Maßstäbe ausführlich dargestellt. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, hat das Landessozialgericht die Revision zugelassen. Die Beklagte rügt mit ihrer vom Landessozialgericht zugelassenen Revision eine Verletzung insbesondere der §§ 14 und 15 SGB XI im Hinblick auf die ihrer Auffassung nach nicht korrekt ermittelten gewichteten Punkte in den Modulen3, 4 und 5. Das Bundessozialgericht hat bereits in seiner Sitzung am 12. Dezember 2024 die Revision behandelt und laut Terminbericht festgestellt, dass „ausgehend von den unter 4.) dargelegten rechtlichen Maßstäben sind nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung des Landessozialgerichts zusammen mit den hier nicht streitigen Punkten beim Kläger 32,5 gewichtete Punkte anzuerkennen, die zum Pflegegrad 2 und dem Anspruch auf Pflegegeld führen“.