Wenn ein Mensch verstirbt, ohne ein Testament zu hinterlassen, tritt die gesetzliche Erbfolge in Kraft. In Deutschland ist dies der Regelfall, da etwa zwei Drittel der Deutschen kein Testament besitzen1. Die gesetzliche Erbfolge regelt, wer in welcher Reihenfolge erbberechtigt ist und wie der Nachlass aufgeteilt wird.
Grundprinzipien der gesetzlichen Erbfolge
Die gesetzliche Erbfolge basiert auf dem Verwandtschaftsverhältnis zum Verstorbenen. Dabei gilt: Nähere Verwandte schließen entferntere Verwandte von der Erbfolge aus. Das Gesetz teilt die Erben in verschiedene Ordnungen ein:
1. Ordnung: Kinder und Enkelkinder des Erblassers
2. Ordnung: Eltern, Geschwister, Neffen und Nichten
3. Ordnung: Großeltern, Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen
Erben einer höheren Ordnung schließen Erben niedrigerer Ordnungen aus. Innerhalb einer Ordnung gilt das Repräsentationsprinzip: An die Stelle von verstorbenen Erben treten ihre Nachkommen.
Beispiele zur Veranschaulichung
Beispiel 1: Erben erster Ordnung
Anton verstirbt als Witwer und hinterlässt drei Kinder und vier Enkelkinder. Eines seiner Kinder ist bereits verstorben und hat zwei Kinder hinterlassen. In diesem Fall erben:
• Die beiden lebenden Kinder je ein Drittel des Nachlasses
• Die beiden Enkelkinder des verstorbenen Kindes je ein Sechstel (zusammen das verbleibende Drittel)
Antons noch lebende Mutter und die anderen beiden Enkelkinder erben nichts, da sie durch die Erben erster Ordnung ausgeschlossen werden.
Beispiel 2: Erben zweiter Ordnung
Berthold war unverheiratet und kinderlos. Von seinen Eltern lebt nur noch die Mutter. Er hat einen Bruder, einen Halbbruder sowie eine Nichte und einen Neffen von seiner verstorbenen Schwester. Die Erbfolge gestaltet sich wie folgt:
• Die Mutter erbt die Hälfte des Nachlasses
• Der Bruder und der Halbbruder erben je ein Sechstel
• Die Nichte und der Neffe erben je ein Zwölftel
Sonderfall: Erbrecht des Ehegatten
Ehepartner sind keine Verwandten, haben aber dennoch ein gesetzliches Erbrecht. Sie erben neben den Verwandten, wobei ihr Anteil vom ehelichen Güterstand und den vorhandenen Erben abhängt. In der Zugewinngemeinschaft erbt der Ehegatte neben Erben erster Ordnung ein Viertel, neben Erben zweiter Ordnung die Hälfte des Nachlasses.
Fazit und Empfehlung
Die gesetzliche Erbfolge bietet eine klare Struktur für die Verteilung des Nachlasses. Sie kann jedoch in vielen Fällen nicht den individuellen Wünschen des Erblassers entsprechen. Um sicherzustellen, dass der eigene Nachlass nach den persönlichen Vorstellungen verteilt wird, ist es ratsam, ein Testament zu verfassen. Dies ermöglicht es, bestimmte Personen zu begünstigen oder auszuschließen und spezifische Vermögenswerte gezielt zu vererben.
Wer sich unsicher ist, wie er seinen Nachlass regeln möchte, sollte sich rechtlich beraten lassen. Ein auf das Erbrecht spezialisierter Rechtsanwalt kann helfen, die individuellen Wünsche rechtssicher in einem Testament festzuhalten und mögliche Konflikte zwischen den Erben zu vermeiden.
Die gesetzliche Erbfolge stellt sicher, dass immer ein Erbe gefunden wird – vom engsten Familienkreis bis hin zum Staat als letztem Erben. Durch eine bewusste Nachlassplanung können Erblasser jedoch selbst bestimmen, wer von ihrem Lebenswerk profitieren soll.