Oftmals unterschätzt wird die Frage, wie wichtig die Position des Versammlungsleiters in einer Gesellschafterversammlung sein kann, wenn es zu streitigen Auseinandersetzungen der Gesellschafter untereinander kommt, und zwar insbesondere aber nicht nur auch dann, wenn es um den Ausschluss von Gesellschaftern aus der Gesellschaft oder die Abberufung eines geschäftsführenden Gesellschafters aus wichtigem Grund geht.

Anders als im Aktienrecht sieht das GmbHG keine Regelungen zur Versammlungsleitung bzw. zum Versammlungsleiter innerhalb der Gesellschafterversammlung vor. Maßgeblich sind daher mögliche im Gesellschaftsvertrag getroffene Regelungen oder die Bestellung des Versammlungsleiters in der entsprechenden Gesellschafterversammlung selbst, wie auch die Frage, ob dem Versammlungsleiter eine Beschlussfeststellungskompetenz obliegt oder nicht.

Soweit dies nicht im Gesellschaftsvertrag festgeschrieben ist, muss dies in der jeweiligen Gesellschafterversammlung beschlossen werden, wobei unter bestimmten Umständen auch eine stillschweigende Kompetenzzuweisung möglich sein kann.

Welche Aufgaben hat der Versammlungsleiter?

Aufgabe des Versammlungsleiters ist es, für einen ordnungsgemäßen Ablauf der Gesellschafterversammlung Sorge zu tragen. Dies beginnt mit der Feststellung der ordnungsgemäßen Einberufung der Gesellschafterversammlung und endet letztlich mit der Schließung der Versammlung.

Während der Versammlung hat der Versammlungsleiter die Tagesordnungspunkte abzuarbeiten und die Wortbeiträge der anwesenden Gesellschafter zu moderieren und die Diskussionen zu leiten. Im Rahmen der Beschlussfassungen ist es die Aufgabe des Versammlungsleiters, die Stimmberechtigung der Anwesenden zu prüfen und die abgegebenen Stimmen zu erfassen.

Hat der Versammlungsleiter die Beschlussfeststellungskompetenz inne, d.h. kann er am Ende der Stimmabgabe wirksam feststellen, ob ein Beschlussantrag angenommen oder abgelehnt wurde, zeigt sich die wahre Stärke dieser Position und weshalb es von einem entscheidenden Vorteil sein kann, wenn man selbst diese Position inne hat und diese nicht der „Gegenseite“ überlässt. Denn stellt ein Versammlungsleiter mit Beschlussfeststellungskompetenz fest, dass ein bestimmter Beschluss wirksam gefasst wurde, ist dieser Beschluss zumindest vorläufig wirksam.

Gerade in streitigen Gesellschafterversammlungen, in denen z.B. ein Beschluss über die Abberufung eines geschäftsführenden Gesellschafters vom Amt des Geschäftsführers aus wichtigem Grund gefasst werden soll, ist oftmals die mitentscheidende Frage jene, ob tatsächlich ein solcher wichtiger Grund gegeben ist oder nicht. Wird das Vorliegen eines wichtigen Grundes bejaht, führt dies dazu, dass das Stimmrecht des abzuberufenden geschäftsführenden Gesellschafters selbst ruht, er damit nicht wirksam gegen seine Abberufung stimmen kann und somit oftmals dadurch erst eine entscheidende Mehrheit zur Abberufung mit den Stimmen der weiteren Gesellschafter erreicht werden kann.

Bei derartigen Beschlüssen obliegt es dem Versammlungsleiter zu entscheiden, ob die in der Gesellschafterversammlung benannten Gründe ausreichen, eine Abberufung aus wichtigem Grund zu rechtfertigen oder eben nicht. Bejaht er das Vorliegen des wichtigen Grundes und stellt er in dessen Konsequenz den entsprechenden Beschluss als mit notwendiger Stimmenmehrheit gefasst fest, gilt der betroffene Geschäftsführer als zumindest vorläufig von seinem Amt abberufen.

In der weiteren Konsequenz müssen nunmehr diejenigen Gesellschafter, die gegen die Abberufung gestimmt haben und welche das Bestehen des wichtigen Grundes bestreiten, den Beschluss innerhalb der geltenden Fristen gerichtlich angreifen, um diesen wieder aus der Welt schaffen. Tun sie dies nicht, bleibt der Beschluss, wie vom Versammlungsleiter festgestellt, bestehen.

Hätte kein Versammlungsleiter mit Beschlussfeststellungskompetenz das Ergebnis der Beschlussfassung festgestellt, wäre der Beschluss zunächst nicht wirksam geworden. Dies hat wiederum zur Konsequenz, dass diejenigen Gesellschafter, die für die Abberufung aus wichtigem Grund gestimmt haben, die Wirksamkeit des Beschlusses im Rahmen einer Feststellungsklage gerichtlich feststellen lassen müssen.

Fazit:

Die Position des Versammlungsleiters kann dementsprechend nicht nur entscheidend für die Fragestellung sein, ob in der Gesellschafterversammlung umstrittene Gesellschafterbeschlüsse (zumindest vorläufig) wirksam gefasst wurden, sondern auch, welche Partei sich im Anschluss an die Beschlussfassung binnen bestehender Fristen darum bemühen muss, die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des gefassten Beschlusses gerichtlich feststellen zu lassen.

Zumindest bei streitigen Gesellschafterversammlungen ist es damit im Interesse eines jeden Gesellschafters und soweit möglich, in die Position des Versammlungsleiters mit Beschlussfeststellungskompetenz zu kommen. Soweit dies einem selbst nicht möglich ist, ist zu prüfen, ob in diesem Falle die Verhinderung der Bestellung eines Versammlungsleiters anzustreben ist.


Axel Steiner
Rechtsanwalt
Handels- und Gesellschaftsrecht