Frau S. und Herr S. sind seit 20 Jahren verheiratet. Frau S. ist Inhaberin des Friseursalons ,,Schnipp-Schnapp'’, den sie kurz nach der Hochzeit eröffnet hat. Herr S. ist seit je her Hausmann. Der Friseursalon von Frau S. hat sich über die Jahre gut im Ort etabliert und läuft hervorragend und bringt gute Gewinne ein. Leider führt das auch dazu, dass Frau S. sehr viel Zeit im Salon verbringt und kaum mehr Zeit für Herrn S. hat. Herr S. fühlt sich vernachlässigt und sieht für die Ehe keine Zukunft mehr. Er reicht die Scheidung ein. Frau S. fragt sich nun, welche Folgen die Scheidung für ihren Salon haben könnte- denn einen Ehevertrag hielten die damals schwer verliebten S.s vor 20 langen Jahren nicht für notwendig.
Die Gefahr für das Unternehmen könnte in dem Beispielsfall, der so oder so ähnlich in der Realität gar nicht so selten vorkommt, der sogenannte Zugewinnausgleich sein.
Frau S. müsste Herrn S. den Vermögenszuwachs, den sie im Laufe der Ehe erwirtschaftet hat, ausgleichen.
Zur Erklärung: Schließen die Ehegatten keine Vereinbarung über den Güterstand gilt gesetzlich der Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Diese sieht im Falle einer Scheidung den Zugewinnausgleich vor. Der in der Ehe nicht berufstätige oder weniger verdienende Ehegatte, der aber möglicherweise zum Beispiel durch Haushaltsführung oder Kindererziehung einen Beitrag zur Ehe geleistet hat, soll am Vermögen des anderen Ehegatten partizipieren. Schließlich hat er dem anderen ja den Rücken freigehalten, sodass es jenem erst möglich war, dieses Vermögen zu erwirtschaften.
Konkret funktioniert die Berechnung des Zugewinnausgleichs so:
Das Vermögen beider Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung wird mit dem Vermögen zum Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrags verglichen. Derjenige, der am Ende mehr erwitschaftet hat als der andere, muss dem anderen die Hälfte des Erwirtschafteten ausgleichen.
Klingt kompliziert- ist es aber nicht:
Angenommen Herr S. hatte bei Eingehung der Ehe 50.000 € auf der Bank. Frau S. hatte kein Vermögen. Im Laufe der Zeit konnte Frau S. durch ihre Geschäftstüchtigkeit den Gründerkredit für den Friseursalon mühelos abbezahlen.
Der Friseursalon ,,Schnipp-Schnapp'' hat zum Zeitpunkt des Scheidungsantrags einen Unternehmenswert von 420.000 €.
Herr S. konnte sein Vermögen durch Anlagen verdoppeln und sein Bankkonto weist zum Zeitpunkt des Scheidungsantrags ein Guthaben von 100.000 € auf.
Der Vermögenszuwachs bei Herr S. beträgt 100.000 € (Endvermögen) minus 50.000 € (Anfangsvermögen) = 50.000 €.
Der Vermögenszuwachs bei Frau S. beträgt 420.000 € (Endvermögen) minus 0 € (Anfangsvermögen) = 420.000 €.
Frau S. hat damit (420.000 € minus 50.000 €) = 370.000 € mehr erwirtschaftet als Herr S. Frau S. muss Herrn S. hiervon die Hälfte, also 370.000 € / 2 = 185.000 € ausgleichen.
Frau S. muss, da sie das Vermögen nicht ,,flüssig'' sondern nur in Form des Unternehmenswertes hat, entweder einen Kredit aufnehmen oder ihren Salon veräußern, um Herrn S. ausbezahlen zu können.
An der Berechnung würde sich auch nichts ändern, wenn Herr S. bei Frau S. angestellt wäre, aber eben nicht Mitinhaber des Salons: Der Unternehmenswert wird immer dem Inhaber zugerechnet.
Wären Herr S. und Frau S. beide Inhaber des Salons zu gleichen Teilen, müsste in unserem Fall sogar Herr S. Frau S. etwas ausgleichen: Das Anfangsvermögen betrug bei ihr 0 €, das Endvermögen würde dann 210.000 € betragen. Bei Herrn S. betrug das Anfangsvermögen 50.000 €, das Endvermögen würde (210.000 € + 100.000 €) =310.000 € betragen. Der Zugewinn bei Frau S. beträgt dann 210.00 €, bei Herrn S. 260.000 €. Die Differenz zwischen dem jeweiligen Vermögenszuwachs der Eheleute beträgt 50.000 € zu Lasten von Frau S. Herr S. muss Frau S. hiervon die Hälfte, also 25.000 € ausgleichen.
Im abgewandelten Fall müsste dann zwar der Salon nicht aufgrund des Zugewinnausgleichsanspruchs von Frau S. veräußert werden.