Liebe Mandanten und Freunde, an dieser Stelle möchten wir Ihnen von Zeit zu Zeit interessante Themen aus der erbrechtlichen und erbschaftsteuerlichen Praxis vorstellen. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen und helfen Ihnen bei Fragen gern. Ihr BBT-Team.

1. OLG München, Beschluss vom 23.09.2024, Az. 33 WX 325/23

In der Entscheidung des Oberlandesgerichts München (OLG München) ging es um folgenden Sachverhalt:

Der Erblasser errichtete ein mehrseitiges handschriftliches Testament, in dem er seine Söhne A. und B. als Erben zu je ½ einsetzte. Auf der letzten Seite dieses Testaments verfügte der Erblasser:

„Sollte mein Sohn A. seine Lebensgefährtin C. L. heiraten, wird er enterbt.“

Der kinderlose Sohn A. heiratete die im vorstehenden Testament genannte C. L., mit der er seitdem verheiratet ist.

Mit Versterben des Erblassers beantragte Sohn B. die Erteilung eines Alleinerbscheins. Er ist der Ansicht, durch die Heirat des A. sei die Bedingung im Testament eingetreten und A. enterbt worden. Sohn A. ist dem entgegengetreten. Er ist der Ansicht, es handele sich insoweit um eine sittenwidrige Bedingung.

Das Nachlassgericht ist der Argumentation des A. gefolgt und hat den Erbscheinsantrag des B. zurückgewiesen. Der dagegen gerichteten Beschwerde des B. hat das Nachlassgericht nicht abgeholfen und den Fall bzw. die Beschwerde des B.  dem OLG München zur Entscheidung vorgelegt.

Nach Ansicht des OLG München ist die Beschwerde begründet. Zu Unrecht habe das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag des B. zurückgewiesen. Nach Auffassung des OLG München ist die Enterbung des A. nicht sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB, sondern im Rahmen der Testierfreiheit des Erblassers hinzunehmen.

Zunächst sei zu berücksichtigen, dass der durch die Bedingung auf den A.  einwirkende – im Folgenden unterstellte – Druck von geringem Gewicht ist, da er nicht aus dem Testament selbst herrühre, sondern der Ankündigung des Erblassers entspringt, ihn für den Fall der Hochzeit mit C. L. zu enterben. Dieses Verhalten mag moralisch missbilligt werden, mache das Testament aber nicht sittenwidrig.

Hätte der Erblasser wie geschehen testiert, dies aber dem A. nicht mitgeteilt, wäre ausgeschlossen, dass die Klausel Druck auf diesen im Hinblick auf die beabsichtigte Eheschließung ausgeübt hätte, jedenfalls zu Lebzeiten des Erblassers. Anknüpfungspunkt für die Sittenwidrigkeitsprüfung sei mithin eine bloße Äußerung des Erblassers.

Hinzu komme, dass der potenzielle Erbe in Fällen der vorliegenden Art in aller Regel weiß, dass er durch „Wohlverhalten“ zwar etwas gewinnen kann, aber bei „Zuwiderhandlungen“ nichts verliert, hat er doch auf eine über seinen Pflichtteil hinausgehende Beteiligung am Nachlass keinen Anspruch. Der Erblasser hätte den A. nach dessen Heirat auch direkt (zu Lebzeiten) enterben können.

2. Schlussfolgerung für die Praxis

Die Entscheidung zeigt, dass es dem Erblasser gestattet ist, seine Erben an gewisse Entscheidungen und Verhaltensweisen zu binden, als Voraussetzung für eine Erbschaft. Auch wenn dies die Entscheidungsfreiheit der Erben einschränkt, entspricht es im Ergebnis doch dem Willen des Erblassers, um dessen Vermögen es ja geht. Insofern erscheint es sachgerecht.

Unter welchen Voraussetzungen Bedingungen in letztwilligen Verfügungen sittenwidrig sind, ist allerdings umstritten. Insofern ist es ratsam, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob eine Bedingung möglich oder sittenwidrig ist.

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