Das Bundesarbeitsgericht hat sich in seinem Urteil vom 21. August 2024 mit einem strittigen Fall zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall beschäftigt. Der Fall beleuchtet, unter welchen Bedingungen Arbeitgeber den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern können und welche Folgen das für den Anspruch auf Lohnfortzahlung hat.

Hintergrund des Falls

Die Klägerin, eine Pflegeassistentin, war vom 1. Mai 2019 bis zum 15. Juni 2022 bei der Beklagten angestellt. Sie kündigte ihr Arbeitsverhältnis am 4. Mai 2022, das Arbeitsverhältnis endete am 15. Juni 2022. Direkt nach ihrer Kündigung legte die Klägerin mehrere ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, die den gesamten Zeitraum bis zum Ende der Kündigungsfrist abdeckten. Der Arbeitgeber verweigerte die Zahlung von Entgeltfortzahlung, da er den Verdacht hatte, die Bescheinigungen seien nicht glaubwürdig, da sie zeitlich genau mit der Kündigungsfrist übereinstimmten.

Prozessverlauf

Das Arbeitsgericht gab der Klägerin zunächst Recht, doch das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschied anders. Es sah den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen durch die zeitliche Koinzidenz zwischen der Kündigung und den Bescheinigungen als erschüttert an. Das Bundesarbeitsgericht bestätigte diese Entscheidung in der Revision.

Rechtliche Analyse

Laut § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Dieser Anspruch wird in der Regel durch eine ärztliche Bescheinigung nachgewiesen, die einen hohen Beweiswert besitzt. Allerdings kann der Arbeitgeber diesen Beweiswert erschüttern, wenn er konkrete Umstände darlegt, die Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit aufkommen lassen. Solche Umstände können eine auffällige zeitliche Koinzidenz zwischen der Kündigung und der bescheinigten Krankheit sein.

Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin keinen ausreichenden Nachweis für ihre tatsächliche Arbeitsunfähigkeit erbringen konnte. Weder die Vorlage der Bescheinigungen noch die Aussage ihres Arztes überzeugten das Gericht. Der Arbeitgeber hatte erfolgreich Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Bescheinigungen begründet, da die Klägerin unmittelbar nach ihrer Kündigung durchgehend krankgeschrieben war und keine weitere Rückkehr zur Arbeit beabsichtigte.

Urteil des BAG

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass der Klägerin kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung zusteht. Der Arbeitgeber konnte den Beweiswert der Bescheinigungen erschüttern, und die Klägerin konnte ihre Arbeitsunfähigkeit nicht anderweitig nachweisen.

Bedeutung des Urteils

Das Urteil verdeutlicht, dass ärztliche Bescheinigungen nicht unangreifbar sind. Arbeitgeber können den Beweiswert erschüttern, wenn plausible Zweifel an der Echtheit oder der tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit bestehen. Arbeitnehmer sollten daher darauf achten, im Streitfall ihre Arbeitsunfähigkeit glaubhaft nachweisen zu können.