Ein 83-jähriger Mann verstarb alleinstehend und ohne Familie in einem Pflegeheim. Dort war ihm eine sog. Berufsbetreuerin bestellt worden, da er zunehmend an Verwirrtheit gelitten hatte. Die Berufsbetreuerin hatte nach Aufnahme ihres Amtes einen Notar ins Pflegeheim bestellt und überzeugte den alten Mann davon, sie als Erbin einzusetzen. Der Wert seines Vermögens wurde in der Notarurkunde mit € 350.000,00 angesetzt. Nach dem Tod des Mannes beantragte die Betreuerin einen Erbschein zu ihren Gunsten, was das Nachlassgericht jedoch ablehnte. Die Richter des Oberlandesgerichts Celle (Az: 6 U 22/20) haben dies jetzt bestätigt und festgestellt, dass das von der Berufsbetreuerin eingefäldelte Testament sittenwidrig und damit unwirksam ist. Zwar gäbe es keine explizite gesetzliche Regelung, wie für Beschäftigte in Pflegeheimen, wo die Annahme persönlicher Zuwendungen und Vorteile ausdrücklich verboten ist. Die Richter argumentierten jedoch, dass auch ein Berufsbetreuer die ihm verliehende Vertrauensstellung und seinen persönlichen Einfluss auf den Betreuten nicht dazu benutzen darf, sich erhebliche Vermögenswerte zu verschaffen. Die Richter verwiesen dazu auf die Grundsätze des Betreuungsrechts ,wonach es das Gesetz als sittenwidrig mißbilligt, wenn ein Betreuer seine ihm gerichtlich verliehene Vertrauensstellung und seinen persönlichen Einfluss auf den Betreuten dazu benutzt, gezielt darauf hinzuwirken, dass der infolge seiner geistigen Behinderung leicht beeinflussbare Betreute ohne reifliche Überlegung über erhebliche Vermögenswerte zugunsten des Betreuers durch ein Testament vor einem Notar verfügt . Hinzu kam hier,daß derNotar nicht von dem Betreuten als sein Berater hinzugezogen wurde, sondern von dem begünstigten Betreuer. Für den Vorwurf der Sittenwidrigkeit reicht es dabei aus, dass sich der Betreuer, der durch das von ihm herbeigeführte Testament bedacht ist, der Tatumstände bewusst ist, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt. Eine solche Vorgehensweise sei schlichtweg sittenwidrig und damit unwirksam.
Eine Organisation, der Sie vertrauen können
Erbschleicherei sittenwidrig
2022/01/24

Dr. Stephan Schmidt

Schmidt & Hofert Rechtsanwälte
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