Mit einer seiner jüngsten bahnbrechenden Entscheidungen hat der BGH für einen Systemwechsel im Unterhaltsrecht gesorgt. Dies hat sich bislang in der Bevölkerung kaum herumgesprochen.
Der Unterhaltsbedarf eines minderjährigen Kindes bemisst sich nun nach der Lebensstellung beider Eltern, wobei jedoch die Unterhaltspflicht des nichtbetreuenden Elternteils auf den Betrag begrenzt ist, den er aufgrund des von ihm erzielten Einkommens zahlen muss. Der nicht vom barunterhaltspflichtigen Elternteil zu leistende restliche Barunterhalt wird vom betreuenden Elternteil in Form von Naturalunterhalt für das gemeinsame Kind entrichtet. Im Ergebnis ändert dieser Ansatz nichts an dem bisherigen Prozedere, da - wie allgemein bekannt - der Kindesunterhalt nach Düsseldorfer Tabelle nicht ausreicht, um sämtliche Lebenshaltungskosten eines Kindes zu zahlen und der betreuende Elternteil regelmäßig aus eigener Tasche Leistungen erbringt, z.B. Kleidung für das Kind kauft oder Urlaube finanziert.
Dieser Systemwechsel des BGH wird in vielen Fällen hinsichtlich des Trennungs- bzw. nachehelichen Unterhalts beachtliche Auswirkungen haben. Der Barunterhaltsbedarf des Kindes, soweit er nicht vom barunterhaltspflichtigen Elternteil bezahlt werden muss, mithin der Naturalunterhalt, reduziert das unterhaltsrechtliche Einkommen des betreuenden Elternteils mit der Folge, dass sich dessen Trennungs- bzw. nachehelicher Unterhaltsanspruch erhöht.
Beispiel:
Wenn das unterhaltsrechtliche Einkommen der Mutter 2.000,00 € beträgt und das des Vaters 2.600,00 €, errechnet sich der grundsätzliche Bedarf eines 12-jährigen Kindes aus der Summe, also 4.600,00 €. Dies ist derzeit nach der Düsseldorfer Tabelle bei Altersstufe 3 nach Abzug des Kindergeldes ein Betrag von 804,00 €. Der Kindsvater muss jedoch nur einen Barbetrag unter Berücksichtigung seines unterhaltsrechtlichen Einkommens von 2.600,00 €, mithin nach Abzug des hälftigen Kindergeldes, einen Zahlbetrag von 585,00 € leisten. Ein Bedarfsanteil des Kindes von 219,00 € bleibt von Seiten des Vaters ungedeckt. Dieser Bedarfsanteil von 219,00 € reduziert das unterhaltsrechtliche Einkommen der Mutter und erhöht damit deren Trennungs- bzw. nachehelichen Unterhaltsanspruch.
Strittig sind Fälle, in denen die Kindsmutter nichts bzw. so wenig verdient, dass sie mit ihren Einkünften nicht über dem angemessenen Selbstbehalt von derzeit 1.750,00 € liegt, bzw. diesen nur in einer Höhe übersteigt, der nicht dem ungedeckten Restbedarf des Kindes entspricht. Teils wird dann bei der Frage der Höhe des Trennungs- bzw. nachehelichen Unterhalts kein bzw. nur ein Teil des Naturalunterhalts abgezogen, teils erfolgt jedoch ein Abzug des gesamten Naturalunterhalts. Ihr beratender Fachanwalt für Familienrecht wird mit Ihnen besprechen, welche Alternative für Sie am Besten ist. Sie können verlangen, dass dann diese Alternative der Berechnung zugrunde gelegt wird.
Der unterhaltsberechtigte (Ex-)Ehegatte wird sich nun fragen, wie er sich verhalten sollte, um höheren Unterhalt zu bekommen. Ist der Unterhalt des kinderbetreuenden Ehegatten nicht tituliert, kann nach entsprechender Neuberechnung ungehindert höherer Unterhalt geltend gemacht werden. Besteht ein Titel, wird ein Abänderungsverfahren beim Gericht erforderlich. Um insoweit das Rechtsschutzbedürfnis begründen zu können, sollte der unterhaltspflichtige Ehegatte eine vorgerichtliche Aufforderung erhalten. Ein Abänderungsgrund ist dann gegeben, wenn der Titel vor dem 16.09.2020 erlassen wurde und die Wesentlichkeitsgrenze von 10 % erfüllt ist. Letzteres wird in der Regel der Fall sein.
Es ist zu beachten, dass auf Trennungsunterhalt für die Zukunft nicht verzichtet werden darf, auch nicht für einen Teil, zumindest wenn dieser über 20 % liegt. Dies bedeutet, dass sich der unterhaltsberechtigte Ehegatte auf jeden Fall mit einer Neuberechnung seines Unterhaltsanspruchs befassen sollte. Ihr Fachanwalt für Familienrecht berät und vertritt Sie gerne.
Claudia Ernst - Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht -
Maushammer Rechtsanwälte und Fachanwälte, Poststraße 23, 83435 Bad Reichenhall, 08651 9739-0, [email protected], www.m-rae.de