Ein Ferienhaus in Spanien, ein Konto in Luxemburg oder Verwandte, die im Ausland leben, stellen Erben regelmäßig vor besondere Herausforderungen.

Für solche Fälle mit sogenannter Auslandsberührung gibt es als Alternative zur Legitimation der Erbenstellung durch einen deutschen Erbschein oder ein notarielles Testament das Europäische Nachlasszeugnis (ENZ). Es gilt in allen EU-Staaten – außer in Irland und Dänemark. Es soll den Erbnachweis in Fällen mit Auslandsbezug erleichtern. Das ENZ ergänzt den bekannten deutschen Erbschein, ersetzt ihn aber nicht automatisch.

Wann besteht ein Auslandsbezug im Erbfall?

Ein Auslandsbezug besteht dann, wenn der Verstorbene seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hatte – beispielsweise bei einem Ruhesitz in Südfrankreich oder einer dauerhaften Verlegung des Lebensmittelpunkts ins EU-Ausland. Auch wenn sich Nachlassgegenstände im Ausland befinden – etwa ein Konto, ein Haus oder ein Aktiendepot –, besteht ein grenzüberschreitender Bezug. Entscheidend ist nicht die Staatsangehörigkeit, sondern der tatsächliche Lebensmittelpunkt, also wo sich der gewöhnliche Aufenthalt zuletzt befand.

Der deutsche Erbschein – bewährt, aber begrenzt

Der Erbschein ist in Deutschland das gängige Dokument, wenn man seine Erbenstellung nachweisen möchte – etwa gegenüber Banken oder dem Grundbuchamt. Er wird vom Nachlassgericht ausgestellt und hat sich lange bewährt. Doch in internationalen Fällen stößt er schnell an Grenzen: Viele EU-Staaten erkennen ihn nur mit Übersetzung, Apostille oder zusätzlichem Verfahren an was mit mehr Aufwand, Kosten und erheblichen Verzögerungen verbunden ist.

Was bringt das ENZ? Muss man bei Auslandsbezug immer das ENZ beantragen?

Nicht unbedingt – aber es ist oft sinnvoll. Das ENZ wurde eingeführt, um Erbfälle mit Auslandsbezug innerhalb der EU effizienter und einfacher zu gestalten. Es ist ein europaweit einheitlicher Nachweis der Erbenstellung, der in allen teilnehmenden EU-Staaten ohne weitere Beglaubigungen gilt. Wer also zum Beispiel eine Immobilie in Spanien oder ein Bankkonto in Frankreich erbt, kann mit dem ENZ direkt dort handeln, ohne sich um Übersetzungen oder Anerkennungen kümmern zu müssen.

Tipp: Befindet sich im Nachlass auch Vermögen im Ausland– und dafür reicht oft schon ein Bankkonto im EU-Ausland – , kann es sinnvoll sein, von Anfang an ein ENZ zu beantragen – selbst für den im Inland befindlichen Nachlass. Denn das ENZ ist auch im Ausstellungsstaat wirksam und kann somit ebenfalls in Deutschland verwendet werden, sodass ein Erbschein nicht mehr beantragt werden muss.

Wann reicht ein Erbschein?

Wenn sich der gesamte Nachlass in Deutschland befindet, genügt der Erbschein.

Was kostet das ENZ – und wie unterscheidet es sich vom Erbschein?

Die Kosten für ein ENZ  sind grundsätzlich genauso hoch wie die für einen Erbschein. In beiden Fällen richten sich die Kosten nach der Höhe des Nachlasses.

Wenn man zuerst einen Erbschein und danach noch ein ENZ beantragt, muss man die Gebühren jedoch nicht doppelt zahlen. In diesem Fall wird ein großer Teil der bereits gezahlten Kosten – nämlich 75 % – auf die Gebühren für das zweite Dokument angerechnet.

Auch wenn später eine beglaubigte Kopie des Europäischen Nachlasszeugnisses verlängert werden muss (diese sind grds. nur 6 Monate gültig), hält sich der finanzielle Aufwand in Grenzen: Für diesen Antrag fällt in der Regel nur eine pauschale Gebühr von 20 Euro an.

Fazit

Das ENZ ist eine sinnvolle europäische Ergänzung zum deutschen Erbschein. In grenzüberschreitenden Fällen sollte frühzeitig geprüft werden, ob ein ENZ die bessere Wahl ist.

Sie haben Fragen zum Europäischen Nachlasszeugnis oder zur Nachlassabwicklung mit Auslandsbezug? Ich berate Sie gern.