Die Türkei bietet ausländischen Investoren zahlreiche Geschäftsmöglichkeiten – von Lieferverträgen bis zu Joint Ventures. Doch wie in jedem anderen Land kann es auch in der Türkei zu Zahlungsausfällen kommen. Was können ausländische Gläubiger tun, wenn türkische Geschäftspartner ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen?
In diesem Beitrag gebe ich einen praxisnahen Überblick über das Forderungsmanagement in der Türkei aus Sicht ausländischer Gläubiger.
1. Gütliche Einigung bevorzugt – aber mit System
Bevor rechtliche Schritte eingeleitet werden, empfiehlt sich in vielen Fällen ein außergerichtliches Mahnverfahren. Dabei kann ein anwaltliches Mahnschreiben in türkischer Sprache bereits Wirkung zeigen. Wichtig ist hier ein professioneller Ton, rechtlich klare Fristen und – falls notwendig – eine direkte Kommunikation mit dem Schuldner.
2. Gerichtliches Mahnverfahren (İcra Takibi)
Das türkische Vollstreckungsrecht sieht ein effizientes Inkassoverfahren vor: das sogenannte İcra Takibi. Dieses kann schnell und ohne vorheriges Urteil eingeleitet werden.
Ablauf:
Antrag bei der zuständigen Vollstreckungsbehörde (İcra Dairesi)
Zustellung des Zahlungsbefehls (Ödeme Emri) an den Schuldner
7-tägige Frist zur Zahlung oder zum Widerspruch
Erfolgt kein Widerspruch, kann direkt die Zwangsvollstreckung eingeleitet werden.
3. Widerspruch des Schuldners – dann Klageverfahren
Widerspricht der Schuldner innerhalb der Frist, muss der Gläubiger eine Klage vor dem zuständigen Zivilgericht einreichen. Die Gerichte in der Türkei arbeiten zunehmend digital, und auch Auslandsparteien können effektiv vertreten werden.
4. Vollstreckung deutscher Titel in der Türkei
Wenn bereits ein deutscher Vollstreckungstitel vorliegt, kann dieser unter bestimmten Voraussetzungen in der Türkei anerkannt und vollstreckt werden. Dafür ist ein separates Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren (Tenfiz Davası) notwendig.
5. Welche Kosten entstehen beim Forderungseinzug in der Türkei?
Die Kosten eines Forderungseinzugs in der Türkei hängen vom gewählten Verfahren und der Höhe der Forderung ab. Grundsätzlich setzen sie sich aus folgenden Posten zusammen:
Gerichts- und Vollstreckungsgebühren: Diese richten sich nach dem Streitwert. Für das Einleiten eines İcra-Verfahrens fällt eine verhältnismäßig geringe Pauschalgebühr an. Kommt es jedoch zum gerichtlichen Klageverfahren, können weitere Gebühren nach dem türkischen Gebührenrecht (Harçlar Kanunu) entstehen.
Anwaltskosten: Diese können auf der Grundlage einer individuellen Vereinbarung oder gemäß dem Tarif der jeweiligen türkischen Rechtsanwaltskammer berechnet werden.
Übersetzungs- und Apostillekosten: Wenn ausländische Urkunden oder Titel eingebracht werden (z. B. bei Tenfiz-Verfahren), entstehen zusätzliche Kosten für beglaubigte Übersetzungen und die Beschaffung von Apostillen.
6. Inkasso über einen türkischen Anwalt – Ihre Vorteile
Ein lokal erfahrener Anwalt kann:
Schuldnerkontakte übernehmen und realistische Einschätzungen geben
Schriftverkehr und gerichtliche Verfahren in Ihrem Namen führen
Ihre Forderung in Übereinstimmung mit türkischem Recht absichern
Fazit
Der Forderungseinzug in der Türkei ist rechtlich gut strukturiert und bietet auch ausländischen Gläubigern effektive Möglichkeiten. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der schnellen Reaktion und der professionellen lokalen Vertretung.
Über mich
Ich bin Rechtsanwältin/Avukat Rabia Kahriman und unterstütze deutschsprachige Mandanten bei grenzüberschreitenden Rechtsangelegenheiten in der Türkei. Mit Sitz in Istanbul berate ich insbesondere in den Bereichen Handels- und Gesellschaftsrecht, Erbrecht sowie Forderungseinzug.
Für eine Online-Rechtsberatung stehe ich Ihnen per Zoom oder Telefon zur Verfügung. Eine kurze Erstberatung ist kostenlos.