Ein Arbeitszeitbetrug ist kein Kavaliersdelikt. Das zeigt eine aktuelle Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln vom 11.02.2025 [Az. 7 Sa 635/23] erneut deutlich: Wer seine Arbeitszeit vorsätzlich falsch dokumentiert, muss nicht nur mit einer fristlosen Kündigung rechnen, sondern unter Umständen auch die Kosten für die Ermittlungen des Arbeitgebers erstatten – in diesem Fall mehr als 21.000 Euro.
Der Fall unterstreicht, welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen ein Vertrauensbruch im Zusammenhang mit der Zeiterfassung nach sich ziehen kann und welche Anforderungen an Arbeitgeber im Rahmen der Beweissicherung gestellt werden.
Der Sachverhalt
Der Kläger war seit 2009 bei einem Verkehrsunternehmen des ÖPNV als Fahrausweisprüfer beschäftigt. Die Zeiterfassung erfolgte über eine mobile App. Im Jahr 2022 kam nach entsprechenden Hinweisen der Verdacht auf, der Arbeitnehmer könnte während der Arbeitszeit privaten Aktivitäten nachgehen, ohne diese als Pause zu erfassen. Der Arbeitgeber erhielt diese Hinweise unter anderem von Sicherheitsmitarbeitern, die den Arbeitnehmer beim Besuch von Moscheen, Friseursalons, Fitnessstudios und Fotoshootings während der regulären Arbeitszeit beobachtet hatten.
Zur Überprüfung des Verdachts beauftragte der Arbeitgeber eine Detektei, die den Arbeitnehmer während der Arbeitszeit zunächst stichprobenartig, später ausführlicher observierte. Die Detektive dokumentierten an mehreren Tagen erhebliche Arbeitszeitverstöße. So hielt sich der Arbeitnehmer teils über eine Stunde bei seiner Freundin oder in Cafés auf, ohne dies als Pause zu deklarieren. Insgesamt sollen sich die Verstöße auf mehr als 26 Stunden summiert haben.
Nach Anhörung des Betriebsrats sprach der Arbeitgeber Anfang Januar 2023 die fristlose Kündigung aus. Gegen diese Kündigung erhob der Arbeitnehmer die Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht. Gleichzeitig verlangte die Arbeitgeberin im Rahmen einer Widerklage die Erstattung der durch die Observation entstandenen Detektivkosten.
Arbeitszeitbetrug und die Voraussetzungen der fristlosen Kündigung nach § 626 BGB
Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist beendet werden, wenn Tatsachen vorliegen, die dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen.
Ein solcher wichtiger Grund liegt unter anderem dann vor, wenn ein Arbeitnehmer seine Arbeitszeit bewusst falsch dokumentiert, also beispielsweise während der Arbeitszeit privaten Tätigkeiten nachgeht und diese Zeit dennoch als Arbeitszeit abrechnet.
Hierbei wird nicht nur auf den finanziellen Schaden abgestellt. Ein solcher Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Pflicht zur ordnungsgemäßen Zeiterfassung stellt einen schwerwiegenden Vertrauensbruch dar. Dabei kommt es nicht auf die strafrechtlich Wertung an, sondern allein auf die Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten, insbesondere der Pflicht zur Rücksichtnahme gemäß § 241 Abs. 2 BGB.
Die fristlose Kündigung ist jedoch nur dann wirksam, wenn der Arbeitgeber den Verstoß konkret nachweisen kann. Hierzu kann er unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Detektei einschalten. Die Observation muss jedoch verhältnismäßig und datenschutzrechtlich zulässig sein.
Entscheidung des LAG Köln
Das Landesarbeitsgericht Köln bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln, wies die Berufung des Arbeitnehmers zurück - und bestätigte somit die Kündigung.
Nach Ansicht des Gerichts lag ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung vor. Der Arbeitnehmer habe an mehreren Tagen erhebliche Pausenzeiten nicht in der App dokumentiert und diese Zeiten stattdessen als Arbeitszeit abgerechnet. Es sei nicht ersichtlich gewesen, dass er in dieser Zeit eine dienstliche Tätigkeit ausgeübt habe.
Das LAG betonte, dass die Zeiterfassungs-App nach der Betriebsvereinbarung verbindlich zu nutzen gewesen sei und die Verstöße klar dokumentiert wurden. Die Observation durch die Detektei sei rechtmäßig erfolgt, da ein konkreter Verdacht bestanden habe und die Maßnahmen nur über einen begrenzten Zeitraum im öffentlichen Raum erfolgten.
Besonders relevant: Das LAG sprach dem Arbeitgeber auch einen Anspruch auf Erstattung der Detektivkosten zu. Nach § 280 Abs. 1 BGB schuldet ein Arbeitnehmer Schadenersatz, wenn er eine arbeitsvertragliche Pflicht schuldhaft verletzt und dem Arbeitgeber hierdurch ein Schaden entsteht. Die Kosten für die Detektei seien notwendig gewesen, um die Pflichtverletzungen nachzuweisen, und daher erstattungsfähig.
Fazit
Das Urteil des LAG Köln zeigt einmal mehr, wie ernst Arbeitgeber das Thema Arbeitszeitbetrug nehmen müssen – und welche rechtlichen Konsequenzen Arbeitnehmer bei vorsätzlichem Fehlverhalten treffen können. Wer seine Arbeitszeit manipuliert, riskiert nicht nur den Verlust des Arbeitsplatzes, sondern muss unter Umständen auch hohe Kosten tragen.
Arbeitgeber wiederum sollten bei Verdachtsfällen sorgfältig dokumentieren, den Betriebsrat ordnungsgemäß beteiligen und auf die Verhältnismäßigkeit der Mittel achten. Die Entscheidung liefert damit nicht nur arbeitsrechtliche Klarheit, sondern auch praktische Hinweise für die betriebliche Praxis.
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