In der rechtsanwaltlichen Praxis begegnet einem immer wieder der Irrtum, dass bei Vorliegen eines gemeinsamen Testamentes und bei Anordnungen bezüglich eines gleichzeitigen oder gemeinsamen Versterbens vorschnell auf eine Schlusserbeneinsetzung oder sogar eine Vor- und Nacherbschaft geschlossen wird.
Hierbei wird häufig auf verschiedene Urteile abgestellt, so beispielsweise OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.04.2021 - 3 Wx 193/20, OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.07.2015 - 21 W 85/14 oder auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.07.2015 - 3 Wx 193/14. Dieser vorschnelle Rückschluss ist jedoch fehlerhaft. Dies hat der Bundesgerichtshof bereits vor längerer Zeit in einem Beschluss klargestellt, BGH, Beschluss vom 19.6.2019 – IV ZB 30/18.
1.
Zu entscheiden hatte der BGH über die Formulierung,
„Für den Fall eines gleichzeitigen Ablebens ergänzen wir unser Testament wie folgt:
Das Erbteil soll gleichmäßig unter unseren Neffen bzw. Nichte (es folgen die Namen der Betroffenen zu 2–5) aufgeteilt werden.“
Das Nachlassgericht erteilte einen Erbschein, der die Bet. zu 2–5 als Erben der Erblasserin zu je 1/4 auswies. Es wurde von einer weiteren Beteiligten die Einziehung des Erbscheins beantragt, was das Amtsgericht Frankfurt am Main gemacht hat (AG Frankfurt a. M., Beschl. v. 14.9.2017 – 51 VI 1342/18). Hiergegen wurde Beschwerde eingelegt, die jedoch das OLG Frankfurt am Main zurückgewiesen hat (OLG Frankfurt, Beschl. v. 23. 10. 2018 – 21 W 38/18). So kam die Sache zum BGH, der den Beschluss des OLG Frankfurt jedoch bestätigt hat.
Die Beteiligten von 2 - 5 gingen davon aus, dass es sich bei der Formulierung um eine Schlusserbeneinsetzung handele, so dass sie, unabhängig davon, ob die Eheleute gleichzeitig oder auch lange nacheinander verstürben, sie zu Schlusserben einsetzen sollte. Dieser Ansicht hat der BGH eine klare Absage erteilt und klargestellt, dass eine solche Katastrophenklausel regelmäßig als eine solche zu sehen sei und es auch keinen Grundsatz einer generellen (anderen) Auslegung gäbe.
Die obergerichtliche Rechtsprechung lege die Formulierung „bei gleichzeitigem Ableben“ oder „bei gleichzeitigem Versterben“ dahingehend aus, dass hiervon auch die Fälle erfasst werden sollten, in welchen die Ehegatten innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums nacheinander verstürben und der Überlebende in dieser Zeitspanne daran gehindert sei, ein neues Testament zu errichten. Eine solche für den Fall des gleichzeitigen Versterbens getroffene Erbeinsetzung gelte aber grundsätzlich nicht für den Fall, dass Ehegatten nacheinander in erheblichem zeitlichen Abstand verstürben.
Sollte von diesem Grundsatz eine Ausnahme gemacht werden, so muss sich dies im Testament klar andeuten, um überhaupt formgerecht nach §§ 2247, 2267 BGB erklärt zu sein. Eine Auslegung bei einer solchen testamentarischen Gestaltung, dass die Bedachten der Katastrophenklausel generell als Schlusserben eingesetzt worden sind, gibt es aber nicht.
2.
Der BGH stellte bei dieser Gelegenheit auch klar, dass bei einer Testamentsauslegung der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften sei. Der Wortsinn der benutzten Ausdrücke muss vom Tatrichter gewissermaßen „hinterfragt“ werden, wenn dem wirklichen Willen des Erblassers Rechnung getragen werden soll. Dafür muss der Richter auch alle ihm aus dem Inbegriff der mündlichen Verhandlung zugänglichen Umstände außerhalb der Testamentsurkunde heranziehen. Wenn aber der (mögliche) Wille des Erblassers in dem Testament auch nicht andeutungsweise oder versteckt zum Ausdruck gekommen ist, ist der unterstellte, aber nicht formgerecht erklärte Wille des Erblassers allerdings unbeachtlich. Eine Erbeinsetzung, die in dem Testament nicht enthalten und nicht einmal angedeutet ist, kann den bestehenden Formzwecken nicht gerecht werden. Dann ist auch keine Auslegung vorzunehmen.
Im entschiedenen Fall brauchte das Tatgericht nicht mal im Wege der Beweisaufnahme zu ermitteln, ob ein entsprechender Wille der Erblasserin und ihres Ehegatten zur Zeit der Testamentserrichtung bestand. Das Gericht hatte den Parteivortrag zu den für die Auslegung maßgeblichen Umständen als wahr unterstellt und kam zu dem Ergebnis, dass ein entsprechender Erblasserwille im Testament nicht zum Ausdruck komme. Dieser (angenommene) Wille war somit nicht formgerecht erklärt. Es konnte daher sogar auf die Beweisaufnahme verzichtet werden.
3.
Für die Auslegung letztwilliger Verfügungen zu sog. Katastrophenklauseln haben sich folgende Grundsätze herausgebildet.
Grundsätzlich erfassen solche Klauseln die (unwahrscheinlichen) Fälle des Versterbens im exakt gleichen Moment und des vermuteten gleichzeitigen Versterbens nach § 11 VerschG.
Es können auch Konstellationen in den Anwendungsbereich fallen, in denen zwar ein zeitlich versetztes Versterben vorliegt, aber der Längerlebende keine Möglichkeit mehr hatte, neu zu testieren. Das sind aber Ausnahmen, die auch als solche zu behandeln - und eben nicht die Regel - sind. Nur ausnahmsweise kann die Verfügung für den Fall des gleichzeitigen Versterbens als allgemeine Schlusserbeinsetzung verstanden werden ( KG, ErbR 2019, 179 = BeckRS 2018, 32122; OLG Düsseldorf, ErbR 2017, 674 [675] = BeckRS 2017, 124143; Palandt/Weidlich, § 2269 Rn. 9; Braun in Burandt/Rojahn, § 2269 Rn. 28). Dies muss aber in der Verfügung zumindest formwirksam angedeutet sein. Ein bestimmter Erblasserwille ist aber nicht bereits dadurch im Testament angedeutet, dass dessen Wortlaut überhaupt auslegungsfähig oder -bedürftig ist.
Der BGH hat somit klargestellt, dass es keine generelle Auslegung von Katastrophenklauseln als Schlusserbeneinsetzung oder gar Vor- und Nacherbschaft gibt, ein solcher etwaiger Wille zumindest im Testament angedeutet sein muss, um formwirksam erklärt zu sein und das allein die Tatsache, dass ein Begriff überhaupt auslegungsfähig ist jedenfalls für eine solche erforderliche Andeutung nicht ausreicht. Katastrophenklausel ist somit Katastrophenklausel und keine Schlusserbeneinsetzung.