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Geschäftsraummiete in Zeiten von Covid 19 – Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB
Die Folgen der Corona-Pandemie waren und sind immer noch in nahezu jedem Lebensbereich spürbar. Ob Reise-, Veranstaltungs- oder auch Immobilienbranche: Auf jedem Gebiet hatten und haben (insbesondere) Unternehmerinnen und Unternehmer durch die Pandemie mit weitreichenden Einschränkungen und Veränderungen zu kämpfen.
Auch der Bereich des gewerblichen Mietrechts musste starke Einschnitte erfahren: So mussten viele Geschäfte aufgrund des bundesweiten Lockdowns 2020 schließen. Ungewissheit bestand dabei insbesondere hinsichtlich der Frage, ob für diese Zeit weiterhin Mietzahlungen geschuldet sind. Nachdem diese Frage mit verschiedenen Begründungsansätzen in einer Vielzahl von Gerichtsverfahren unterschiedlich beantwortet wurde, befasste sich schließlich auch der Bundesgerichtshof (BGH) mit dieser Thematik.
Wie der BGH diese Frage entschied, welche Begründung er hierfür darlegte und was es in diesem Zusammenhang mit der sogenannten Störung der Geschäftsgrundlage auf sich hat, wird in diesem Beitrag erläutert.
1. die Entscheidung des BGH
a) der Sachverhalt
Zunächst soll der Sachverhalt, der dem Urteil des BGH zu Grunde lag, kurz wiedergegeben werden. Die Parteien schlossen einen Mietvertrag über Gebäude und Parkplätze, die als Verkaufs- und Lagerräume für Textilien aller Art verwendet werden sollten. Aufgrund der Corona-bedingten Allgemeinverfügungen des Landes Sachsen war das Textileinzelhandelsgeschäft der Mieterin (KiK) vom 19.3.2020 bis einschließlich 19.4.2020 geschlossen. Aus diesem Grund zahlte die Mieterin die Miete für den Monat April nicht, da sie ihrer Ansicht nach hierzu nicht verpflichtet gewesen war.
b) Die Entscheidungsgründe
Zunächst stellte der BGH klar, dass in der behördlichen Untersagung der Öffnung der Filiale in diesem Zeitraum kein Mangel der Mietsache im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB begründet ist. Denn ein solcher erfordert stets, dass die „durch die Untersagung bewirkte Gebrauchsbeschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts in Zusammenhang steht“. Dies sei bei einer behördlichen Schließung, deren Gründe nicht an das Mietobjekt selbst, sondern an andere Umstände (Pandemiebekämpfung) geknüpft sind, nicht der Fall.
Stattdessen ist aber nach Auffassung des BGH im Einzelfall eine Vertragsanpassung über das Institut der Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 Abs. 1 BGB, denkbar.
2. Was ist die Störung der Geschäftsgrundlage?
Bei der Störung der Geschäftsgrundlage handelt es sich um ein von der Rechtsprechung und juristischen Lehre entwickeltes Rechtsinstitut, dem folgender Gedanke zu Grunde liegt: Grundsätzlich sind geschlossene Verträge mit dem Inhalt, der vertraglich vereinbart wurde, einzuhalten (im Lateinischen: „pacta sunt servanda“, Verträge sind einzuhalten). Nun sind aber Situationen denkbar, in denen der vertraglich vereinbarte Inhalt aufgrund des Eintritts von schwerwiegenden Veränderungen für die Parteien nicht mehr „passt“: Zweckmäßig ist in diesen Situationen, den Vertrag an die nun veränderten Umstände anzupassen. Dies ist durch § 313 Abs. 1 BGB möglich.
3. Welche Voraussetzung hat die Störung der Geschäftsgrundlage?
Eine Vertragsanpassung aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage ist unter folgenden Voraussetzungen möglich:
a) schwerwiegende Veränderung eines Umstandes, der zur Grundlage des Vertrages wurde
Zunächst muss sich ein Umstand, der zur Grundlage des Vertrages gemacht wurde, schwerwiegend nach Vertragsschluss geändert haben.
Eine gesetzliche Vermutungsregelung für das Vorliegen einer solchen schwerwiegenden Veränderung eines Umstandes nach Vertragsschluss während der Corona-Pandemie wurde speziell für Gewerbemietverträge in § 7 Abs. 1 zu Art. 240 EGBGB mit Wirkung ab dem 1. Januar 2021 aufgenommen. Dort heißt es: „Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.“
b) Störung fällt nicht in den Risikobereich nur einer Partei
Des Weiteren darf die Störung der Geschäftsgrundlage nicht dem Risikobereich nur einer Partei zuzuordnen sein. Sofern keine vertraglichen Besonderheiten gegeben sind, liegt die Corona-Krise grundsätzlich nicht im Risikobereich nur einer Vertragspartei.
c) Unzumutbarkeit der unveränderten Vertragsdurchführung
Ferner ist eine Vertragsanpassung nur möglich, wenn die unveränderte Vertragsdurchführung der betroffenen Partei unzumutbar ist. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die unveränderte Vertragsdurchführung nur dann unzumutbar, wenn „wenn das Festhalten am Vertrag zu untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnissen führen würde“.
Bei der Abwägung, ob die unveränderte Vertragsdurchführung nun noch zumutbar ist oder nicht, ist entscheidend, welche Nachteile dem Mieter durch die Geschäftsschließung und deren Dauer entstanden sind. Dabei sind insbesondere auch finanzielle Vorteile, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt hat, zu berücksichtigen.
d) Nicht vorhersehbar
Schließlich muss die schwerwiegende Veränderung als letzte Voraussetzung unvorhersehbar gewesen sein; die Parteien dürften den Vertrag nicht geschlossen haben, sofern sie diese neue Konstellation vorausgesehen hätten.
e) Rechtsfolge
Als Rechtsfolge sieht § 313 Abs. 1 BGB vor, dass Anpassung des Vertrages verlangt werden kann. Im Falle eines Mietvertrages ist etwa die Herabsetzung der vertraglich vereinbarten Miete für die Zeit, in der die Geschäftsräume geschlossen waren, denkbar.
Das Problem hierbei: Sämtliche Voraussetzungen müssen von der Partei, die sich auf eine Störung der Geschäftsgrundlage beruft – dies wird bei Gewerberaummietverträgen regelmäßig der Mieter sein – dargelegt und bewiesen werden. Insbesondere das Merkmal der Unzumutbarkeit der unveränderten Vertragsdurchführung kann den Mieter dabei vor Probleme stellen. So hat er nach Auffassung des BGH insbesondere nachzuweisen, welche Maßnahmen er ergriffen hat bzw. ergreifen hätte können, um die Verluste, die er während der Geschäftsschließung erlitten hat, zumindest zu vermindern.
3. Fazit
Im Ergebnis können die corona-bedingten Geschäftsschließungen dazu führen, dass Mieter von Gewerberäumen Anspruch auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete gegenüber ihrem Vermieter haben können. Ein solcher Anspruch besteht jedoch nur, wenn die unter 3. dargestellten Voraussetzungen gegeben und beweisbar sind: Wichtig ist dabei insbesondere, dass der Mieter tatsächlich erlittene Umsatzeinbußen durch die Geschäftsschließung beweisen kann. Hierfür bietet sich ein Vergleich mit den Umsatzzahlen des entsprechenden Zeitraumes des Vorjahres an.