In einer aktuellen Entscheidung konkretisiert das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Urteil vom 08.05.2019, Az. 10 Sa 52/15, BeckRS 2019, 28625) die Reichweite der arbeitsnehmerseitigen Pflicht zur Anzeige einer Erkrankung im Sinne von § 5 EFZG unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Situationen bei einer erstmaligen Erkrankung und bei einer Verlängerung einer bereits bestehenden Erkrankung.
Das Landesarbeitsgericht stellt zunächst klar, dass der Arbeitnehmer auch bei einer fortdauernden Arbeitsunfähigkeit verpflichtet ist, diese gegenüber seinem Arbeitgeber anzuzeigen. Ein etwaiger Verstoß des Arbeitnehmers dagegen sei jedoch im Falle einer fortdauernden Erkrankung im Regelfall weniger schwerwiegend zu werten als eine fehlende oder verspätet erfolgte Anzeige der erstmaligen Erkrankung. Im Falle einer verhaltensbedingten Kündigung sei dies im Rahmen der durchzuführenden Interessenabwägung zu berücksichtigen.
Die Differenzierung in diesem Sinne ist zwar nicht zwingend den relevanten gesetzlichen Regelungen zu entnehmen. Allerdings erscheint sie tendenziell richtig. Der Arbeitgeber kann im Falle einer bereits bestehenden Erkrankung strukturell in seine Planungen einbeziehen, dass der Arbeitsausfall sich über den zunächst attestierten bzw. arbeitnehmerseitig angezeigten Krankheitszeitraum verlängert. Insoweit kann betrieblichen Ablaufstörungen und sonstigen Problemen grundsätzlich eher vorgebeugt werden als im Falle der – zumindest in der Regel vorher für den Arbeitgeber nicht absehbaren – erstmalig aufgetretenen Erkrankung.
Allerdings muss es dabei bleiben, dass auch ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht bei fortbestehender Erkrankung als relevante arbeitnehmerseitige Pflichtverletzung wahrgenommen und eingestuft wird, die – je nach Hartnäckigkeit und Lage der Einzelfallumstände (gleich gelagerte Abmahnung usw.) – grundsätzlich auch als Kündigungsgrund in Betracht kommt.
Die Differenzierung darf aber auch nicht übertrieben werden. U. E. kann jedenfalls kein Zweifel daran bestehen, dass bei der Frage der Gleichartigkeit des Fehlverhaltens (insbesondere bezogen auf eine der Kündigung vorhergehende Abmahnung) nicht auch noch zwischen beiden Pflichtenverstößen differenziert wird.