Einführung
Als Anwalt, der im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts arbeitet, möchte ich Ihnen die gravierendsten Haftungsfallen für Geschäftsführer in finanziellen Krisenzeiten näherbringen. Eine der gefährlichsten Haftungsfallen ist die Insolvenzverschleppung. In diesem Beitrag erkläre ich, was Insolvenzverschleppung ist, welche Risiken sie birgt und wie Sie diese vermeiden können. Ich gehe zudem auf typische Begleitdelikte ein. Schätzungen zufolge werden bei bis zu 90% aller Insolvenzen Wirtschaftsstraftaten begangen, was die immense Gefahr der Strafbarkeit für Geschäftsführer verdeutlicht.
Was ist Insolvenzverschleppung?
Insolvenzverschleppung liegt vor, wenn ein Geschäftsführer es versäumt, rechtzeitig einen Insolvenzantrag zu stellen, obwohl das Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet ist. In Deutschland ist ein Insolvenzantrag spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu stellen (§ 15a Abs. 1 InsO). Die Insolvenzantragspflicht trifft alle Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften und anderen juristischen Personen die beschränkt haften (z.B. GmbH, UG, AG), mit Ausnahme von Vereinen und Stiftungen. Für natürliche Personen (Einzelunternehmer, Freiberufler) besteht keine Antragspflicht.
Wann liegt Zahlungsunfähigkeit vor?
Ein Unternehmen ist zahlungsunfähig, wenn es nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17 InsO). Dies ist in der Regel der Fall, wenn die Liquiditätslücke 10% oder mehr der fälligen Gesamtverbindlichkeiten beträgt und sich nicht innerhalb von drei Wochen beseitigen lässt. Eine kurzfristige Zahlungsstockung, die innerhalb von drei Wochen behoben wird und unter 10% der Verbindlichkeiten ausmacht, gilt jedoch nicht als Zahlungsunfähigkeit.
Überschuldung als Insolvenzgrund
Neben der Zahlungsunfähigkeit ist auch die Überschuldung ein relevanter Insolvenzgrund. Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Eine positive Fortführungsprognose schließt die Überschuldung also aus, selbst wenn rechnerisch ein Fehlbetrag vorliegt.
Risiken der Insolvenzverschleppung
- Persönliche Haftung: Als Geschäftsführer haften Sie persönlich für Schäden, die Gläubigern durch die verspätete Insolvenzanmeldung entstehen (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a InsO).
- Strafrechtliche Konsequenzen: Verspätete oder unterlassene Insolvenzanmeldung kann als Insolvenzverschleppung mit Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren oder Geldstrafen geahndet werden (§ 15a Abs. 4 InsO). Auch fahrlässiges Handeln ist strafbar (§ 15a Abs. 5 InsO).
- Berufliche Konsequenzen: Eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung führt für 5 Jahre zur Amtsunwürdigkeit als Geschäftsführer oder Vorstand (§ 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 GmbHG, § 76 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AktG). Auch eine Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit droht (§ 35 GewO).
Weitere Straftaten im Zusammenhang mit Insolvenzverschleppung
Unternehmenskrisen führen oft zu weiteren Straftaten, die im Zusammenhang mit der Insolvenzverschleppung begangen werden:
- Bankrott (§ 283 StGB): Dieser Straftatbestand umfasst verschiedene Handlungen wie das Beiseiteschaffen oder Verheimlichen von Vermögenswerten, unrichtige Angaben und die Vernichtung von Buchführungsunterlagen. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, Gläubiger zu benachteiligen und das Vermögen des Unternehmens zu verschleiern. Auch grob wirtschaftswidrige Handlungen wie die "Firmenbestattung" können Bankrott darstellen.
- Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB): Geschäftsführer sind verpflichtet, die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung abzuführen. Das Vorenthalten dieser Beiträge, insbesondere in der Krise, ist strafbar und kann zu erheblichen Nachforderungen sowie strafrechtlichen Konsequenzen führen. Die Abführungspflicht besteht grundsätzlich auch im Insolvenzeröffnungsverfahren.
- Buchführungs- und Bilanzdelikte (§ 283 Abs. 1 Nr. 5-7 StGB): Fehlerhafte oder unvollständige Buchführung sowie die Nichtaufstellung von Bilanzen erschweren die Übersicht über den Vermögensstand des Unternehmens und können als Bankrotthandlungen geahndet werden. Dies umfasst das Nichtführen oder mangelhafte Führen von Handelsbüchern, das Beiseiteschaffen oder Verheimlichen von Unterlagen sowie die Verletzung der Bilanzierungs- und Inventarisierungspflicht.
Ermittlungen zu Insolvenzdelikten
Ermittlungen zu Insolvenzdelikten beginnen oft mit Mitteilungen der Insolvenzgerichte an die Staatsanwaltschaft nach der "Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen" (MiZi). Das kann auch passieren, wenn einer die Gläubiger des Unternehmens den Insolvenzantrag stellen. Die Hinweise können dann einen Anfangsverdacht begründen und zu umfassenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft führen. Diese umfassen Anfragen bei Handels- und Gewerberegistern, Krankenkassen und Finanzämtern sowie die Auswertung von Kontoinformationen und Gläubigeranfragen. Ein Verwendungsverbot nach § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO stellt sicher, dass Auskünfte des Schuldners im Insolvenzverfahren nur mit dessen Zustimmung im Strafverfahren verwendet werden dürfen. Dies gilt aber nicht für bereits existierende Unterlagen, zu deren Erstellung und Aufbewahrung der Schuldner gesetzlich verpflichtet ist.
Wichtige Pflichten des Geschäftsführers
- Überwachung der finanziellen Lage: Laufende Kontrolle der Liquidität und regelmäßige Erstellung von Finanzberichten sind unerlässlich, um Krisen rechtzeitig zu erkennen. Auch eine Überschuldungsprüfung ist bei entsprechenden Anzeichen vorzunehmen.
- Rechtzeitige Reaktion: Bei Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ist unverzüglich eine Situationsanalyse durchzuführen. Lässt sich die Krise nicht innerhalb von drei Wochen beheben, ist zwingend der Insolvenzantrag zu stellen. Auch ernsthafte Sanierungsbemühungen entbinden nicht von der Antragspflicht.
- Dokumentation: Eine sorgfältige Buchführung und lückenlose Dokumentation aller wirtschaftlichen Aktivitäten sind essenziell, um im Ernstfall eine transparente und nachvollziehbare Finanzlage darlegen zu können. Gesetzliche Aufbewahrungspflichten sind strikt einzuhalten.
Präventive Maßnahmen
- Frühwarnsysteme einrichten: Die Implementierung von Systemen zur frühzeitigen Erkennung finanzieller Schieflagen, wie regelmäßige Liquiditäts- und Rentabilitätsanalysen, hilft Krisen rechtzeitig zu erkennen und gegenzusteuern.
- Externe Beratung: Die frühzeitige Konsultation von spezialisierten Rechts- und Sanierungsberatern ermöglicht es, rechtliche Pflichten und wirtschaftliche Optionen umfassend zu prüfen. Insbesondere bei Anzeichen einer Krise ist professionelle Hilfe unerlässlich.
- Liquiditätsplanung: Eine vorausschauende Liquiditätsplanung muss laufend überprüft und angepasst werden, um die Zahlungsfähigkeit dauerhaft sicherzustellen. Hierzu gehört auch die Bildung ausreichender Rücklagen.
Fazit
Die Vermeidung von Insolvenzverschleppung ist essenziell, um persönliche Haftung und strafrechtliche Konsequenzen zu vermeiden. Durch sorgfältige Überwachung der Finanzlage, rechtzeitige Reaktion auf Krisen und die Inanspruchnahme externer Beratung können Sie die Risiken erheblich minimieren. Beim Verdacht auf möglicherweise erfüllte Straftatbestände ist es besonders wichtig, frühzeitig einen im Wirtschaftsstrafrecht spezialisierten Anwalt zu beauftragen. Mit meiner Erfahrung als ehemaliger Staatsanwalt im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung, um Sie bestmöglich zu beraten und zu vertreten.