Häusliche Gewalt gegen Männer ist in unserer Gesellschaft ein Thema, welches völlig verdrängt wird. Dieser Artikel soll den betroffenen Männern einen ersten Überblick über ihre Rechte bei häuslicher Gewalt geben und ihnen vor allem vermitteln, dass sie mit ihren Problemen nicht alleine dastehen. Männer haben in diesem Land genauso das Recht auf eine gewaltfreie Partnerschaft und ein gewaltfreies Leben wie Frauen.
A. Das Ausmaß häuslicher Gewalt gegen Männer in Deutschland
B. Formen weiblicher Gewalt gegen den Partner
C. Warum Männer sich nicht trauen, aktiv gegen häusliche Gewalt vorzugehen
D. Rechtliche Möglichkeiten bei häuslicher Gewalt
E. Verhaltenstipps für betroffene Männer
A. Das Ausmaß häuslicher Gewalt gegen Männer in Deutschland
Bereits in einer ersten Pilotstudie über Gewalt an Männern aus dem Jahr 2004 wird sehr treffend die Situation beschrieben, in der sich Männer auch heute noch befinden, wenn sie Opfer weiblicher Gewalt werden:
„Wenn der Titel der Pilotstudie Gewalt gegen Männer gegenüber Außenstehenden erwähnt wird, muss er meist zwei bis dreimal genannt und erläutert werden, bevor die Gesprächspartner akzeptieren, dass sie richtig gehört haben. ... Das Thema ist so fremd, dass die meisten Gesprächspartner meinten, sich verhört zu haben. Wenn über Geschlecht und Gewalt debattiert wird, sind die Rollen eindeutig verteilt: Männer sind die Täter und Frauen die Opfer.“ (Pilotstudie, S. 13)
Diese Situation hat sich bis heute für die betroffenen Männer kaum verbessert. Die öffentliche Wahrnehmung geht immer noch von Männern als Tätern und Frauen als Opfern aus. Dies zeigt sich auch im Umfang der Hilfsangebote: Während es in jeder größeren Stadt Frauenhäuser als Zufluchtsmöglichkeiten für Frauen gibt, ist es schon eher ein Zufall, wenn Männer solche Einrichtungen in ihrer Nähe finden. Nach Angaben der Bundesfach- und Koordinierungsstelle für Männergewaltschutz gab es Stand Mitte 2022 für Männer in Deutschland gerade einmal 12 Männerschutzwohnungen mit insgesamt 37 Plätzen. Diese Wohnungen reichen nicht einmal ansatzweise für die insgesamt 28.867 Fälle der häuslichen Gewalt gegen Männer pro Jahr (Studie Partnerschaftsgewalt des BKA 2022). Damit steht für je 780 von Gewalt betroffene Männer nur eine einzige Schutzwohnung zur Verfügung. Schon die Bezeichnung „Tropfen auf den heißen Stein“ wäre in diesem Fall maßlos übertrieben.
Selbst bei dieser Zahl ist aber noch nicht berücksichtigt, dass es bei häuslicher Gewalt eine enorm hohe Dunkelziffer gibt. Ein großer Teil der Männer wehrt sich nicht gegen häusliche Gewalt, sondern erduldet diese. Die Hilfsorganisation Weißer Ring geht bei häuslicher Gewalt von einer Dunkelziffer von 80 Prozent aus. Damit läge die tatsächliche Zahl der Fälle häuslicher Gewalt gegen Männer bei über 140.000 Fällen pro Jahr. Nur zur Relation: Das wären mehr Fälle als bei einem Alltagsdelikt wie Schwarzfahren (nach der polizeilichen Kriminalstatistik 2022 waren dies 131.719 Fälle).
Diese Schätzungen werden unterstützt durch die Ergebnisse einer Befragung im Rahmen eines vom Bundesministerium geförderten Projekts „Schutz und Hilfe bei häuslicher Gewalt“ aus dem Jahre 2022. Dort gaben 50,8 Prozent der Männer an, schon mindestens einmal Gewalt innerhalb einer Partnerschaft erlebt zu haben (A. Jud et al., 2022, S. 8).