Darf meine Nachbarin ihre Hecke einfach wachsen lassen?
Stellen Sie sich vor: Ihr Nachbar pflanzt eine Reihe Thujen entlang der Grundstücksgrenze. Über die Jahre wachsen sie auf drei, vier, sogar fünf Meter – und nehmen Ihnen Licht, Sicht und Nerven. Sie beschweren sich, fordern den Rückschnitt – doch der Nachbar bleibt stur. Muss man sich das gefallen lassen? Zwei aktuelle Gerichtsentscheidungen geben Antworten.
Der Fall: Streit um Grenzabstände und Wuchshöhe
In zwei Verfahren – eines vor dem Landgericht Hanau (Beschluss vom 02.05.2022, Az. 2 S 205/19), das andere vor dem Bundesgerichtshof (Urteil vom 28.03.2025, Az. V ZR 185/23) – ging es um genau solche Nachbarschaftsstreitigkeiten.
Im Fall vor dem LG Hanau forderten die Kläger den Rückschnitt einer Thujenhecke, weil einige Pflanzen angeblich zu nah an der Grundstücksgrenze standen. Sie verlangten außerdem, die Hecke dürfe eine bestimmte Höhe nicht überschreiten. Das Landgericht stellte jedoch klar: Der mittlere Abstand aller Heckenpflanzen ist entscheidend, nicht die Position einzelner Bäume – und eine pauschale Höhenbegrenzung existiert im hessischen Nachbarrecht nicht.
Der BGH beschäftigte sich wiederum mit einem besonders hohen Bambus, der auf einer künstlich aufgeschütteten Böschung gepflanzt wurde. Auch hier war der Rückschnitt auf drei Meter verlangt worden. Das Gericht betonte: Eine Hecke bleibt auch dann eine Hecke, wenn sie über drei Meter hoch wächst, solange sie äußerlich geschlossen wirkt. Eine starre Höhenobergrenze sei gesetzlich nicht vorgesehen.
Die Rechtslage: Abstände, Höhen und Heckenbegriff in Hessen
Nach § 39 Abs. 1 Hessisches Nachbarrechtsgesetz (HessNachbG) müssen Hecken:
bis 1,2 m Höhe einen Abstand von 0,25 m
bis 2 m Höhe einen Abstand von 0,5 m
über 2 m Höhe einen Abstand von 0,75 m
zur Grenze einhalten.
Eine gesetzlich verankerte Maximalhöhe gibt es jedoch nicht. Das stellte der BGH ausdrücklich klar. Entscheidend für die Einordnung als „Hecke“ ist der geschlossene Eindruck als Einheit, nicht die botanische Gattung oder die exakte Höhe.
Auch relevant: Die zulässige Höhe wird in der Regel vom ursprünglichen Geländeniveau gemessen – nicht von künstlich erhöhtem Boden.
Was lief schief – und was bedeutet das für Grundstückseigentümer?
Im Fall aus Hanau scheiterten die Kläger daran, den Grenzabstand klar zu belegen. Das Gericht akzeptierte den Mittelwert aller Pflanzenabstände, da die Hecke eine gerade Linie bildete. Eine pauschale Begrenzung auf zwei oder drei Meter wurde abgelehnt – der Gesetzgeber sehe das schlicht nicht vor.
Beim BGH wurde ein Urteil aufgehoben, weil die Vorinstanz fälschlich davon ausging, der erforderliche Abstand sei unstrittig. Zudem stellte der BGH klar: Auch hochgewachsene Hecken sind erlaubt, wenn die formalen Abstandsregeln eingehalten werden.
Praxistipps für Nachbarn mit Heckenproblemen
Abstand prüfen: Messen Sie den Abstand der Hecke von der Grenze – bei Hecken über 2 m muss dieser mindestens 0,75 m betragen.
Einzelfall zählt: Nicht jede hohe Pflanze ist automatisch eine unzulässige „Hecke“. Entscheidend ist der geschlossene, wandartige Eindruck.
Messgenauigkeit beachten: Wer den Verstoß gegen den Grenzabstand geltend macht, trägt die Beweislast – und muss auch Messungenauigkeiten einkalkulieren.
Keine Höhenbegrenzung im Gesetz: Es gibt keine fixe Maximalhöhe. Nur in Extremfällen, etwa bei starker Verschattung, kann das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis greifen.
Geländeniveau zählt: Wurde aufgeschüttet oder das Grundstück erhöht, zählt meist das ursprüngliche Bodenniveau als Referenzpunkt.
Fazit: Keine Höhenbegrenzung – aber klare Abstandsregeln
Hecken dürfen hoch sein – solange sie den vorgeschriebenen Abstand zur Grundstücksgrenze einhalten. Eine pauschale Kürzung auf drei Meter lässt sich rechtlich nicht durchsetzen, wenn der Abstand gewahrt ist. Wer sich gestört fühlt, sollte frühzeitig das Gespräch suchen – und im Zweifel fachlich fundierte Vermessungen und rechtliche Beratung einholen.