Der plötzliche Tod eines Familienmitglieds bei einem Unfall und dadurch erlittene Verlust kann auf persönlicher Ebene niemals mit Geld gelindert werden.
Dennoch hat der Gesetzgeber im Juli 2017 in § 844 Abs. 3 BGB eine Grundlage geschaffen, um eine gesetzlich geregelte angemessene Entschädigung für das seelische Leid, das Hinterbliebene durch den Verlust eines nahestehenden Menschen erleiden, zu normieren. Dabei gilt es zu beachten, dass das Hinterbliebenengeld dem Zweck dienen soll, auch unterhalb der Schwelle einer Gesundheitsverletzung (Schockschaden), einen Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld einzuräumen.
Nach dem Gesetzesentwurf soll "die Entschädigung seelisches Leid lindern, das diese Schwelle (der Gesundheitsschädigung) nicht erreicht" (vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 22.3.2017 zur Herbeiführung der Beschlussfassung des Deutschen Bundestages, BT-Drs. 18/11615, 6).
Kurzum: Der Anspruchssteller muss nicht nachweisen, dass er aufgrund des Todes eines Familienmitglieds eine Gesundheitsverletzung erlitten hat.
Eine wesentliche Anspruchsvoraussetzung ist aber das persönliche Näheverhältnis zum Verstorbenen. Dabei wird bei Ehegatten, Lebenspartnern, Eltern oder Kindern des Getöteten ein besonderes Näheverhältnis vermutet. Auch andere Personen, die nachweislich zu dem Verstorbenen in einem persönlichen Näheverhältnis standen (z.B. die Geschwister des Verstorbenen) können eine Entschädigung in Form eines Hinterbliebenengeldes verlangen.
Bei der Bemessung der Höhe des Hinterbliebenengeldes kommt es ähnlich wie beim Schmerzensgeld sowohl auf den Ausgleichs- als auch den Genugtuungsgedanken an. Die Entschädigung soll dem Hinterbliebenen einen gewissen Ausgleich bieten für seelische Beeinträchtigungen, die durch den Tod einer geliebten Person eintreten; auch wenn ein echter Ausgleich nicht möglich ist, soll mit der Entschädigung das mit dem Verlust des Angehörigen verbundene seelische Leid wenigstens gelindert werden (vgl. BGH mit Urteil vom 6.12.2022, VI ZR 73/21).
Bei der Bezifferung des Hinterbliebenengeldes geht es nicht um die Frage, ob die Entschädigung zu "hoch" oder zu "niedrig" bemessen wurde. Es verbietet sich eine "schematische" Herangehensweise. Es zählt der Einzelfall und dieser muss in die Erwägungen - auch eines Tatrichters - einfließen. Maßgeblich ist dabei im Wesentlichen die Intensität und Dauer des erlittenen seelischen Leids und der Grad des Verschuldens des Schädigers. Auch die Art des Näheverhältnisses, die Bedeutung des Verstorbenen für den Anspruchssteller und die Qualität der tatsächlich gelebten Beziehung, ist bei der Bemessung der Entschädigung von besonderer Bedeutung (vgl. BGH mit Urteil vom 6.12.2022, VI ZR 73/21).
Der damalige Gesetzesentwurf zu § 844 Abs. 3 BGB enthält einen Betrag von 10.000,00 €. Dieser Betrag dient jedoch als Orientierungshilfe und ist keinesfalls als Obergrenze für die Bemessung der Hinterbliebenenentschädigung anzusehen. Hiervon kann im Einzelfall sowohl nach oben, als auch nach unten abgewichen werden (vgl. BGH mit Urteil vom 6.12.2022, VI ZR 73/21).
So hat beispielsweise das OLG Celle mit Urteil vom 24.8.2022, 14 U 22/22, einem Vater für den Verlust des minderjährigen Sohnes ein Hinterbliebenengeld von 15.000,00 € zugesprochen, der von einer Sattelzugmaschine während eines Abbiegevorgangs tödlich verletzt wurde.
Allerdings lässt sich auf ein anderes aktuelles Beispiel des OLG Brandenburg vom 16.05.2024, 12 U 173/23, verweisen. Darin wurde entschieden, dass einem erwachsenen Sohn, einer bei einem Verkehrsunfall zu Tode gekommenen Mutter, zu der er eine enge Beziehung hatte, die durch regelmäßig Kontakte, gemeinsame Feiern und Urlaube geprägt war und der Tod auch seinem dreieinhalbjährigen Sohn vermittelt werden musste - bei Annahme eines erheblichen Mitverschuldens der Getöteten - ein Hinterbliebenengeld von 5.000,00 € zusteht.
Der Lebensgefährtin des Sohnes, die sieben Jahre eine enge Beziehung zur Getöteten hatte, wurde hingegen gar kein Hinterbliebenengeld zugesprochen.
Die beschriebenen Einzelfälle aus der Rechtsprechung zeigen ganz klar auf, welche wichtige Rolle die genaue Darlegung des konkreten Einzelfalls bei der Geltendmachung des Hinterbliebenengeldes für die Anspruchsteller spielt.
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