Der Fall:
Ein Bauherr beauftragte einen Planer auf Grundlage einer (schriftlichen) Pauschalpreisvereinbarung bei Unterschreitung der Mindestsätze mit der umfassenden Planung und Überwachung eines Bauvorhabens. Im Anschluss an die Vertragserfüllung hat der Planer eine Pauschalrechnung vorgelegt. Der Auftraggeber war nicht zahlungsbereit. Der Planer hat dann eine erheblich höhere Abrechnung nach Mindestsätzen übergeben, deren Berechtigung der Bauherr bestreitet. Der Planer klagt auf Bezahlung seiner aktuellen Abrechnung. (Anm.: Fall nach häufiger Konstellation gebildet.)
Die Entscheidung:
In der Rechtsprechung wurde bis zum Jahr 2019 in vergleichbaren Fällen Planern (i.E. nach den Grundsätzen der HOAI abrechnungsberechtigten Personen) auf Grundlage von § 7 Abs. 1, Abs. 5 HOAI 2013 Recht gegeben; nach Abs. 1 dieser Vorschrift wurde die Vereinbarung von Mindest- bzw. Höchstsätzen vorausgesetzt; beim Fehlen einer solchen Honorarvereinbarung wurde nach Abs. 5 unwiderleglich vermutet, dass die jeweiligen Mindestsätze (gemäß § 7 Abs. 1 HOAI 2013) vereinbart sind.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat diese Vermutung durch ein Urteil im Jahr 2019 beseitigt. Seither haben Teile der bundesdeutschen Justiz von der Anwendung von § 7 Abs. 1 und 5 HOAI 2013 abgesehen; andere Teile haben die Vorschrift (zumindest unter Privaten) weiterhin angewendet.
Der Europäische Gerichtshof hat seine Haltung überraschend in einem Urteil vom 18. Januar 2022 aufgegeben. Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 2. Juni 2022 entschieden, dass die Regelungen über die Geltung von Mindestsätzen fortbestehen, also Architekten in vergleichbaren Fällen regelmäßig zur Abrechnung nach Mindestsätzen berechtigt sind.
Daher können künftig alle Planer, die vertraglich die HOAI 2013 bzw. frühere Fassungen bis zum 30. Dezember 2020 sowie niedrigere Pauschalen vereinbart hatten, stattdessen nach Mindestsätzen abrechnen, zumindest, wenn sie nicht bereits eine Schlussrechnung unterhalb der Mindestsätze gestellt hatten und diese bezahlt wurde.
Anmerkung:
Für künftige Vertragsverhältnisse gilt: Vereinbaren ein Auftraggeber und ein Planer auf Grundlage der aktuellen Fassung der HOAI eine Honorierung unter dem Mindestsatz, so ist eine solche Vereinbarung gültig.
(nach BGH: Urteil vom 2. Juni 2022 – Az.: VII ZR 174/19; Urteil vom 2. Juni 2022 – Az.: V ZR 272/19)