Am 25. April 2024 entschied das Oberlandesgericht München (Az.: 16 UF 906/22) über die Wirksamkeit eines Immobilienkaufvertrags zwischen Ehegatten, der durch ein Insichgeschäft zustande kam. Die Entscheidung beleuchtet die rechtlichen Rahmenbedingungen solcher Geschäfte und deren Auswirkungen auf die Vermögensverhältnisse der Ehepartner.

Sachverhalt

Die beteiligten Ehegatten schlossen am 17. April 2007 einen Ehevertrag, in dem sie den Güterstand der Gütertrennung vereinbarten. Zudem räumte die Ehefrau dem Ehemann ein lebenslanges Wohnrecht an ihrem Grundstück ein. Am selben Tag erteilte die Ehefrau dem Ehemann eine notarielle Vollmacht, die ihn unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB berechtigte, im Namen beider Ehegatten Rechtsgeschäfte vorzunehmen. In der Folge verkaufte der Ehemann das im Alleineigentum der Ehefrau stehende Grundstück an sich selbst zu einem Kaufpreis von 600.000 Euro, obwohl der Verkehrswert des Grundstücks bei über 2 Millionen Euro lag.

Rechtliche Würdigung

Das Gericht hatte zu prüfen, ob der durch das Insichgeschäft zustande gekommene Kaufvertrag wirksam ist oder ob Gründe für eine Unwirksamkeit vorliegen. Ein Insichgeschäft gemäß § 181 BGB liegt vor, wenn jemand im eigenen Namen mit sich selbst oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft abschließt. Solche Geschäfte sind grundsätzlich unwirksam, es sei denn, der Handelnde ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.

Im vorliegenden Fall war der Ehemann durch die notarielle Vollmacht ausdrücklich von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Das Gericht stellte fest, dass die Befreiung wirksam erteilt wurde und somit das Insichgeschäft grundsätzlich zulässig war.

Weiterhin prüfte das Gericht, ob der Kaufvertrag wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB nichtig ist. Ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung kann ein Indiz für Sittenwidrigkeit sein. Im vorliegenden Fall betrug der Kaufpreis lediglich 600.000 Euro, während der Verkehrswert des Grundstücks über 2 Millionen Euro lag. Dennoch sah das Gericht keine verwerfliche Gesinnung des Ehemanns, da die Ehefrau ihn ausdrücklich bevollmächtigt hatte und somit in den Verkauf eingewilligt war.

Schließlich wurde die Frage erörtert, ob der Kaufvertrag wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten unwirksam ist. Das Gericht führte aus, dass ein solcher Verstoß nur vorliegt, wenn neben dem groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung weitere Umstände hinzutreten, die das Geschäft als sittenwidrig erscheinen lassen. Solche Umstände waren im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.

BGH-Rechtsprechung zu Sachverständigengutachten und Verkehrswerten von Immobilien

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in mehreren Entscheidungen die Bedeutung von Sachverständigengutachten bei der Ermittlung des Verkehrswerts von Grundstücken hervorgehoben. So betonte der BGH, dass bei der Ermittlung des Verkehrswerts eines bebauten Grundstücks kleinere Diskrepanzen zwischen dem vom Gericht festgestellten und dem vom Sachverständigen ermittelten Verkehrswert unvermeidbar sind und nicht ohne Weiteres zu Lasten des Sachverständigen gehen dürfen (BGH, Urteil vom 10.10.2013 – III ZR 345/12). Zudem muss die gewählte Wertermittlungsmethode nach den Besonderheiten des konkreten Falles geeignet sein, den vollen Verkehrswert für den zu bewertenden Gegenstand zu erfassen, ohne das Wertbild zu verzerren (BGH, Urteil vom 12.01.2001 – V ZR 420/99).

Diese Rechtsprechung unterstreicht die Komplexität der Verkehrswertermittlung und die Bedeutung einer sorgfältigen und sachgerechten Anwendung der Bewertungsmethoden durch Sachverständige.

Auswirkungen für Ehegatten und Vertragsgestaltung

  • Bedeutung der Vollmacht: Eine notarielle Vollmacht mit Befreiung von § 181 BGB kann Insichgeschäfte zulassen, erfordert jedoch besondere Vorsicht bei der Gestaltung.

  • Vermeidung von Sittenwidrigkeit: Ein grobes Missverhältnis zwischen Kaufpreis und Verkehrswert allein reicht nicht zur Annahme der Sittenwidrigkeit, es müssen weitere verwerfliche Umstände hinzutreten.

  • Rolle von Sachverständigengutachten: Ein Gutachten kann helfen, den Kaufpreis abzusichern und Vorwürfe der Sittenwidrigkeit zu entkräften, selbst wenn es fehlerhaft sein sollte.

  • Ehevertragliche Regelungen: Die Gestaltung von Eheverträgen sollte sorgfältig erfolgen, insbesondere wenn Vermögensverschiebungen innerhalb der Ehe geplant sind.

  • Steuerliche Aspekte beachten: Immobilienübertragungen zwischen Ehegatten können erbschaft- und schenkungsteuerliche Konsequenzen haben.

Fazit

Das Oberlandesgericht München bestätigte die Wirksamkeit des durch Insichgeschäft zustande gekommenen Kaufvertrags zwischen den Ehegatten. Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung einer klaren und umfassenden Vollmachtserteilung sowie die Notwendigkeit, bei der Gestaltung von Eheverträgen und Vermögensübertragungen zwischen Ehegatten die rechtlichen Rahmenbedingungen sorgfältig zu beachten.

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