Rechtsanwalt Jonas Straßer


22,1% mehr Unternehmensinsolvenzen verzeichnete das Statistische Bundesamt im Sommer 2024 gegenüber dem Vorjahr. Einige Großkonzerne und große Unternehmen konnten sich zuletzt nur mühevoll vor einer Insolvenz retten, beispielsweise die BayWa AG, oder mussten bereits Insolvenzantrag stellen, z.B. Ziegler Holding GmbH und deren Tochtergesellschaften. Fast täglich berichten Medien zuletzt über umfangreiche Kündigungswellen von größeren Arbeitgebern mit dem Ziel der Kostenreduzierung. Besonders problematisch sind die sich hieraus sich ergebenen Folgen für Zulieferer und Geschäftspartner, sowie sodann deren Zulieferer und Geschäftspartner; und damit für die gesamten Geschäftspartner, die hinter einem insolventen oder insolvenzgefährdeten Unternehmen stehen.


Die Gründe der wirtschaftlichen Schwierigkeiten liegen in gestiegenen Zinslasten, erforderlichen Wertüberprüfungen von Beteiligungsgesellschaften, Absatzschwierigkeiten und Inflation bzw. Kostensteigerungen. Welche Sicherungsrechte eine (bestmögliche) Absicherung gegenüber insolventen oder insolvenzgefährdeten Geschäftspartnern ermöglichen, sowie ein Überblick über die verschiedenen Gläubigerpositionen, wird mit diesem Newsletter erörtert und gegeben.


Insolvenzgründe, Gefahren für Geschäftspartner

Insolvenzreife besteht im Falle der

  • Zahlungsunfähigkeit gem. § 17 InsO, das heißt, die Gesellschaft ist nicht mehr in der Lage, ihre fälligen Verbindlichkeiten zu leisten,
  • drohenden Zahlungsunfähigkeit gem. § 18 InsO, das heißt, die Gesellschaft ist voraussichtlich nicht mehr in Lage, bestehende Leistungspflichten zum Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen unter Berücksichtigung eines Prognosezeitraums von 24 Monaten,
  • Überschuldung gem. § 19 InsO, das heißt, das Vermögen der Gesellschaft deckt die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr, es sei denn, die Fortführung der Gesellschaft in den nächsten zwölf Monaten ist überwiegend wahrscheinlich.

Für Geschäftspartner von insolventen oder insolvenzgefährdeten Unternehmen besteht die dringende Gefahr der ausfallenden Gegenleistung für die eigene Leistung sowie die spätere Anfechtungsgefahr durch die Insolvenzverwaltung, selbst teilweise bei einer kongruenten Deckung des Rechtsgeschäfts.


Verschiedene Gläubigerpositionen im Insolvenzfall

Im Fall einer dinglichen Sicherung (u.a.) besteht die Gläubigerposition des Absonderungsgläubigers. Aufgrund der Sicherung besteht in diesem Fall Anspruch auf alleinige Befriedigung aus der Verwertung des Sicherungsobjekts. Das Verwertungsrecht steht jedoch der Insolvenzverwaltung zu. Massegläubiger sind Gläubiger, deren Ansprüche erst durch Handlung der Insolvenzverwaltung begründet werden, z.B. Arbeitnehmer, die weiter arbeiten. Sie sind bevorzugt zu befriedigen. Gläubiger, deren Ansprüche zur Zeit der Insolvenzeröffnung bereits begründet waren, sind Insolvenzgläubiger.


Sie sind nach Quote, soweit noch vorhanden, zu befriedigen. Der Aussonderungsgläubiger, z.B. der Eigentümer einer Sache, nimmt hingegen nicht am Insolvenzverfahren teil und kann seine Ansprüche nach den Rechten außerhalb der Insolvenzordnung durchsetzen (z.B. Herausgabeanspruch gem. § 985 BGB).


Sicherungsrechte gegenüber insolventen oder insolvenzgefährdeten Geschäftspartnern

Vertragliche und gesetzliche Sicherungsrechte, die zur Absicherung einer Geldschuld begründet werden, werden im Insolvenzrecht als Absonderungsrechte zusammengefasst. Absonderungsrechte stehen allein dem jeweiligen Rechteinhaber zu (vgl. oben). Folgende Sicherungsrechte sind bei insolventen oder insolvenzgefährdeten Geschäftspartnern insbesondere zu bedenken:

  • Der erweiterte Eigentumsvorbehalt, das heißt die Absicherung des Eigentumsvorbehalts für alle Ansprüche einer Geschäftsbeziehung und nicht nur einer Sache, erlischt erst, wenn alle Ansprüche aus einer Geschäftsbeziehung vollständig erfüllt werden, und nicht bereits, wenn der Anspruch aus der einen Sache erfüllt wird.
  • Der verlängerte Eigentumsvorbehalt mit Verarbeitungsermächtigung, das heißt der Geschäftspartner darf die Sache verarbeiten und der Gläubiger erhält in Folge Miteigentum an der neu hergestellten Sache sowie der verlängerte Eigentumsvorbehalt mit Vorausabtretung, das heißt der Geschäftspartner darf über die Sache verfügen, tritt jedoch die im Gegenzug zur Verfügung erhaltenen Ansprüche an den Gläubiger ab, sichert ebenfalls Ansprüche zuverlässig ab.
  • Gesetzliche oder vertraglich vereinbarte Pfandrechte stellen ebenfalls insolvenzfeste Sicherungsrechte dar, soweit die sog. Rückschlagsperre, nach der Sicherungsmaßnahmen im Wege der Zwangsvollstreckung innerhalb eines Monats vor Insolvenzantrag aus Gründen der Gleichheit der Insolvenzgläubiger unwirksam sind, keine Anwendung findet.
  • Global- und Einzelzessionen, das heißt Sicherungsabtretungen von Rechten, oder die Ausgestaltung von Geschäftsbeziehungen im Wege eines Lieferantenpools, der die Durchsetzung der hier dargestellten Sicherungsrechte bei mehreren Lieferanten an einen Geschäftspartner sichert, sind weitere Möglichkeiten der Insolvenzabsicherung.
  • Der einfache Eigentumsvorbehalt behält sich das Eigentum an einer Sache vor und erlischt, wenn der Anspruch allein hieraus vollständig erfüllt ist. Aufgrund des Eigentumsrechts liegt hier jedoch kein Sicherungsrecht, sondern bereits ein Aussonderungsrecht vor.

Kein Sicherungsrecht ist die Vereinbarung von Vorkasse. Insbesondere unterliegt eine Vorausleistung weiter dem Anfechtungsrisiko der Insolvenzverwaltung und kann daher nachträglich entfallen.


Geschäftsführerhaftung und Konzernhaftung

Soweit die Ansprüche der Gläubiger nicht durch die (fehlende) Insolvenzmasse erfüllt werden können, bleibt die Haftung der Geschäftsführung sowie ggf. eine Konzernhaftung zu prüfen.


Auch nach Insolvenzeröffnung begründete neue Ansprüche gegen Insolvenzschuldner nehmen nicht am Insolvenzverfahren teil und sind regelmäßig gegen die Geschäftsführung persönlich geltend zu machen.


Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei vorgenannten Ausführungen lediglich um eine Momentaufnahme des aktuellen Sachstands handelt, der sich jederzeit ändern kann. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird das generische Maskulinum verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten im Sinne der Gleichbehandlung für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat lediglich redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung.