I. Problemstellung

Zahnärztinnen wie auch Tierärztinnen – aber auch Frauen in anderen Berufsgruppen – befinden sich während der Zeit in der sie ihre Kinder stillen oft in einem Stillbeschäftigungsverbot nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 MuSchG. Das MuSchG hält in § 17 MuSchG einen Sonderkündigungsschutztatbestand bereit, welcher jedoch vier Monate nach der Geburt des Kindes endet. Dies führt bei zahnärztlichen oder tierärztlichen Arbeitgebern nicht selten zu dem Irrtum, dass die Arbeitsverhältnisse der stillenden Mütter im fünften Monat nach Geburt gekündigt werden können. Diese Rechtsauffassung ist evident falsch, denn lediglich der Sonderkündigungsschutz nach § 17 MuSchG endet nach den vier Monaten.

Doch bedeutet dies, dass die stillende Arbeitnehmerin einfach so gekündigt werden kann? Welchen Kündigungsschutz genießen stillende Mütter? Wie sich die Rechtslage diesbezüglich darstellt, wird im Folgenden beleuchtet.


II. Rechtliche Grundlagen

1. Kündigungsschutz nach dem KSchG

Eine Kündigung kann lediglich aus drei Gründen erfolgen: betrieblicher, persönlicher und verhaltensbedingter Art. Diese können allesamt grundsätzlich nicht vorliegen, wenn der stillenden Mutter gegenüber ein Stillbeschäftigungsverbot nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 MuSchG ausgesprochen worden ist. Verhaltensbedingte Gründe scheiden per se aus, denn die Arbeitnehmerin ist nicht an ihrem Arbeitsplatz tätig und ist demnach nicht in der Lage, eine Grundlage hierfür zu schaffen. Ebenso verhält es sich mit personenbedingten Gründen. Im Ergebnis wäre der Grund dementsprechend vorgeschoben. Der wahre Grund dürfte in derartigen Konstellationen das Stillen des Kindes bzw. die Mutterschaft der Arbeitnehmerin sein.

Hinsichtlich etwaiger arbeitgeberseitig benannter betrieblicher Gründe ist zu sagen, dass der Arbeitgeber aus den voranstehenden Erwägungen verpflichtet ist, den Arbeitsplatz der Arbeitnehmerin vorzuhalten. Der Arbeitnehmerin muss bei ihrer Rückkehr der gleiche oder wenigstens ein vergleichbarer Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden. Eine Umstrukturierung des Betriebes, in dessen Folge genau dieser Arbeitsplatz wegfällt, dürfte in Hinblick auf das AGG (Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz) nicht zu rechtfertigen sein.




2. Kündigungsschutz nach dem AGG

Das AGG verfolgt unter anderem den Zweck, eine Benachteiligung wegen des Geschlechts zu verhindern oder zu beseitigen, § 1 AGG. Die Anwendbarkeit der Vorschriften des AGG auf Kündigungssachverhalte ergibt sich aus europarechtlichen Vorgaben sowie aus § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG, welcher normiert, dass Benachteiligungen aus einem in § 1 AGG genannten Grund, insbesondere bei Maßnahmen bei der Beendigung von Beschäftigungsverhältnissen, unzulässig sind.

Der Arbeitgeber darf Beschäftigte gemäß § 7 Abs. 1 AGG nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Merkmals benachteiligen. Zu diesen Merkmalen gehört das Geschlecht und Schwangerschaft, was sich explizit aus dem Gesetz ergibt, § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG (beispielsweise BAG, Urteil vom 12.12.2013 - 8 AZR 838/12).

Die vorstehenden Gründe sprechen bereits dafür, dass die stillende Mutter aufgrund dessen gekündigt wurde, dass sie stillt, mithin aufgrund ihrer Mutterschaft und demzufolge aufgrund eines sog. verbotenen Merkmales im Sinne von § 1 AGG. Die stillende Mutter erfährt wegen ihres Geschlechts und der damit im Zusammenhang stehenden Mutterschaft eine benachteiligende Behandlung, indem sie eine Kündigung erhält, weshalb diese im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern der Beklagten benachteiligt wird.


III. Ergebnis

Die Kündigung einer stillenden Arbeitnehmerin ist dementsprechend wohl aus den vorstehenden Gründen unwirksam, da sie wohl gegen die Vorschriften aus dem KSchG verstoßen würde und im Übrigen eine Diskriminierung im Sinne des AGG darstellt.

Darüber hinaus müsste der Arbeitgeber bei einer betriebsbedingten Kündigung eine Sozialauswahl durchführen, d.h. er kann nicht gezielt die stillende Mutter kündigen, sondern muss eine Auswahl durchführen, welcher Arbeitnehmer am wenigstens schutzwürdig ist. Dementsprechend spricht sehr vieles Dafür, dass eine Kündigung unwirksam sein wird.


IV. Schadensersatz

Darüber hinaus hat eine Kündigung der stillenden Mutter nach unserem Dafürhalten einen Schadensersatzanspruch nach dem AGG zur Folge. Der Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG setzt kein Verschulden voraus (BAG, Urteil vom 22.01.2009 – 8 AZR 906/07 – NZA 2009, 945) und auch keine Benachteiligungsabsicht des Arbeitgebers. Eine bloße Mitursächlichkeit der Mutterschaft für die Kündigungsentscheidung genügt (vgl. BAG, Urteil vom 12.12.2013 – 8 AZR 838/12). Hiervon ausgehend dürfte für die Kündigungsentscheidung des Arbeitgebers eine Mitursächlichkeit des Geschlechts und der Mutterschaft der gekündigten Arbeitnehmerin keineswegs ausgeschlossen sein.

Die Höhe der Entschädigung ist unter Berücksichtigung sämtlicher Einzelfallumstände zu bestimmen und liegt in der Regel bei 1-3 Bruttomonatsgehältern nach § 15 Abs. 2 AGG und errechnet sich parallel zu dem Maßstab von § 13 MuSchG. Da der Anspruch steuerfrei ist, ist er brutto wie netto auszuzahlen und abzurechnen.

Kündigt der Arbeitgeber daher einer stillenden Mutter ist nicht nur die Kündigung mit hoher Wahrscheinlichkeit unwirksam, sondern der Arbeitgeber läuft auch Gefahr, sich einem Diskriminierungsschadensersatzanspruch auszusetzen.


Dr. Michael Heintz
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht