Montagmorgen, starke Schulterschmerzen – und der Weg zur Arbeit scheint unmöglich. Der Arzt stellt eine neue Krankschreibung aus. Doch der Arbeitgeber zahlt nicht. „Das ist doch eine andere Krankheit!“, meint der Beschäftigte. Aber: Muss der Chef jetzt wirklich weiterzahlen?
Im Fall des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 25.05.2016 – 5 AZR 318/15) ging es um einen Arbeitnehmer, der zunächst wegen Rückenbeschwerden krankgeschrieben war und anschließend mit Schulterschmerzen erneut eine Krankschreibung erhielt. Zwischen diesen beiden Phasen lagen keine nachgewiesenen arbeitsfähigen Tage. Der Arbeitnehmer verlangte Entgeltfortzahlung für die neue Krankschreibung ab dem 21. Oktober 2013.
Das Bundesarbeitsgericht entschied jedoch: Kein Anspruch auf weitere Entgeltfortzahlung, weil nicht bewiesen werden konnte, dass es sich tatsächlich um eine neue, unabhängige Krankheit handelte, die erst nach dem Ende der ersten Krankschreibung begann.Grundlage ist § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Demnach hat ein Arbeitnehmer bei unverschuldeter Krankheit Anspruch auf sechs Wochen Lohnfortzahlung. Tritt danach eine neue Krankheit auf, beginnt diese Frist grundsätzlich neu – aber nur, wenn die erste Krankheit wirklich beendet war.
Das Problem: Wenn während der ersten Erkrankung eine zweite hinzukommt, gilt beides als einheitlicher "Verhinderungsfall". Das heißt: Es bleibt bei einem einmaligen sechswöchigen Anspruch – auch wenn sich die Beschwerden ändern oder verschieben.
Das BAG betonte: Die Beweislast liegt beim Arbeitnehmer. Er muss darlegen und nachweisen, dass die neue Krankheit nicht schon während der ersten Krankschreibung bestand – und wann genau die neue Arbeitsunfähigkeit begann.
Im konkreten Fall war der Arbeitnehmer zwar am 21. Oktober 2013 wegen Schulterbeschwerden krankgeschrieben, hatte aber bereits am 17. Oktober (noch während der ersten Krankschreibung) seinen Arzt wegen genau dieser Beschwerden aufgesucht. Ob er da schon arbeitsunfähig war, konnte nicht sicher geklärt werden – zu seinem Nachteil.
Was hätte der Arbeitnehmer besser machen können?
Eine genaue Dokumentation und Erklärung beim Arztbesuch: Warum ist man da? Was ist neu?
Den Arzt explizit auf den Zusammenhang mit der vorherigen Krankheit hinweisen.
Eine lückenlose Bescheinigung, die klar macht: Die erste Krankheit ist beendet, die neue beginnt erst danach.
Den behandelnden Arzt von der Schweigepflicht entbinden, damit dieser als Zeuge aussagen kann.
Wichtige Tipps für Arbeitnehmer:
Wenn Sie kurz hintereinander wegen verschiedener Beschwerden krank sind: Achten Sie auf eine saubere Trennung der Diagnosen und Zeiträume.
Lassen Sie sich vom Arzt genau erklären, ab wann die neue Krankheit wirklich eine Arbeitsunfähigkeit begründet.
Sichern Sie Beweise frühzeitig, etwa durch Atteste oder ein ärztliches Attest, dass Sie zwischendurch wieder arbeitsfähig waren.
Auch wenn zwei Krankheiten auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben – entscheidend ist, ob und wann die erste Arbeitsunfähigkeit tatsächlich beendet war. Nur dann lebt der Anspruch auf Entgeltfortzahlung neu auf. Wer dies nicht klar nachweisen kann, bleibt im Zweifel auf dem Verdienstausfall sitzen.
Tipp: Wenn Sie kurz hintereinander mehrfach krank werden, sollten Sie immer rechtzeitig ärztlichen Rat einholen und sich juristisch beraten lassen. Denn gerade bei der Entgeltfortzahlung können kleine Versäumnisse große finanzielle Folgen haben.