Das Familienrecht ist eines der sensibelsten Gebiete des deutschen Rechts. Es betrifft die intimsten Bereiche des menschlichen Lebens – Ehe, Partnerschaft, Kinder und deren Wohl. Gerade weil hier oft emotionale und wirtschaftliche Interessen aufeinandertreffen, sind aktuelle Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) für Betroffene besonders wichtig. In zwei jüngst ergangenen Urteilen hat der BGH wesentliche Fragen zum Kindesunterhalt und zur Ausgestaltung des sogenannten Wechselmodells geklärt. Diese Urteile haben nicht nur für juristische Fachkreise Bedeutung, sondern können auch für viele Familien praktische Relevanz haben.
1. Unterhaltszahlungen bei beruflicher Neuorientierung
In einem aktuellen Fall kam es auf eine wichtige Entscheidung für unterhaltspflichtige Elternteile des BGHs an, die sich in einer Phase beruflicher Neuorientierung befinden. Die Ausgangslage war ein Vater, der aufgrund eines Arbeitsplatzverlustes und einer geplanten beruflichen Umschulung weniger Einkommen zur Verfügung hatte und darum bat, seine Unterhaltsverpflichtung zu reduzieren.
Der BGH stellte bereits in diesem Zusammenhang klar, dass die Pflicht zur Zahlung von Kindesunterhalt nicht ohne Weiteres entfällt, wenn der Unterhaltspflichtige seinen beruflichen Weg ändert. Zwar erkennt das Gericht an, dass eine berufliche Neuorientierung unter Umständen unvermeidbar und auch nachvollziehbar sein kann. Allerdings ist der Unterhaltspflichtige verpflichtet, seine Bemühungen um eine neue Anstellung nachzuweisen und darzulegen, dass er alles Zumutbare unternimmt, um die Unterhaltspflicht weiterhin zu erfüllen. (BGH, Beschluss vom 18. Januar 2023 – XII ZB 99/22)
Die Entscheidung verdeutlicht, dass das Wohl des Kindes oberste Priorität genießen soll. Unterhalt dient dazu, den Lebensstandard des Kindes zu sichern und darf nicht leichtfertig in Frage gestellt werden.
Eltern, die berufliche Veränderungen planen oder auch eine Selbstständigkeit aufbauen wollen, sollten sich daher rechtzeitig über ihre Rechte und Pflichten informieren und entsprechende Nachweise sammeln. Dies können beispielsweise Bewerbungen, Teilnahmebescheinigungen von Fortbildungen oder Jobangebote sein. Andernfalls riskieren sie, dass die Gerichte weiterhin von einem fiktiven Einkommen ausgehen und sie zur Zahlung des vollen Unterhalts verpflichten, unabhängig von den tatsächlich realen Einkommensverhältnissen. Oftmals folgt hieraus eine Überschuldung des Unterhaltspflichtigen.
2. Wechselmodell: Kindeswohl im Fokus
Ein zweites bedeutendes Urteil des BGHs, welches erst kürzlich im amtsgerichtlichen Verfahren die Entscheidung des Gerichts maßgeblich lenkte, betrifft das Wechselmodell, eine Betreuungsform, bei der das Kind abwechselnd bei beiden Elternteilen lebt.
Diese Regelung gewinnt in der Praxis auch bei uns zunehmend an Bedeutung, da immer mehr getrennte Elternteile eine gleichberechtigte Erziehung ihrer Kinder anstreben. Oftmals sind es die Väter, die sich mehr in der Erziehung und Betreuung der Kinder beteiligen wollen. Der BGH hatte sich mit der Frage zu befassen, unter welchen Voraussetzungen ein Wechselmodell gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden kann.
Das Gericht entschied, dass das Wechselmodell nicht allein aufgrund der Forderung eines Elternteils angeordnet werden kann.
Entscheidend ist, ob diese Betreuungsform dem Wohl des Kindes entspricht. Dabei spielen mehrere Faktoren eine Rolle:
die Kommunikationsfähigkeit der Eltern, die Belastbarkeit des Kindes und die tatsächliche Umsetzbarkeit des Wechselmodells im Alltag. Wenn beispielsweise erhebliche Konflikte zwischen den Eltern bestehen, kann das Wechselmodell zu einer emotionalen Belastung für das Kind führen und somit dessen Wohl beeinträchtigen. (BGH, Beschluss vom 1. Februar 2023 – XII ZB 123/22)
Gleichzeitig betonte der BGH, dass das Wechselmodell grundsätzlich eine sinnvolle Möglichkeit sein kann, beiden Elternteilen eine gleichwertige Rolle im Leben des Kindes zu geben. Wichtig ist jedoch, dass die praktische Durchführung genau geprüft wird. Eine Anordnung gegen den Willen eines Elternteils sollte nur dann erfolgen, wenn alle Umstände eindeutig dafür sprechen, dass diese Regelung im besten Interesse des Kindes liegt.
Dieses Urteil verdeutlicht, wie wichtig es ist, Konflikte zwischen Eltern so weit wie möglich zu reduzieren und ein kooperatives Miteinander zu fördern. Eltern, die ein Wechselmodell anstreben, sollten sich bewusst sein, dass die Bereitschaft zur Zusammenarbeit ein Schlüssel zum Erfolg dieser Betreuungsform ist. Zudem kann eine einvernehmliche Regelung – beispielsweise im Rahmen einer Mediation – oft bessere Ergebnisse für alle Beteiligten erzielen, als dies in einem streitigen Gerichtsverfahren möglich ist.
Der BGH eröffnet so aber auch die Möglichkeit, dass es in Ausnahmefällen auch ohne Zustimmung des anderen Elternteils das Wechselmodell grundsätzlich angeordnet werden kann. Interessant scheint dies insbesondere in Fällen, in denen ein Elternteil mutwillig und gegebenenfalls mit „bösen“ Absichten, ein Wechselmodell entgegen dem Kindeswohl einseitig ablehnt.
Warum diese Entscheidungen wichtig sind
Beide Entscheidungen des BGH zeigen, dass das Wohl des Kindes stets an erster Stelle stehen sollte. Während die wirtschaftlichen Interessen der Eltern zwar eine Rolle spielen, dürfen diese nicht dazu führen, dass die finanziellen oder emotionalen Bedürfnisse des Kindes vernachlässigt werden. Diese Grundsätze sind für alle Beteiligten verbindlich und dienen dazu, in oft schwierigen familiären Situationen klare Leitlinien – jedenfalls für das Kind - zu schaffen.
Für betroffene Eltern ist es wichtig, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu kennen und zu verstehen. Sei es bei der Neuberechnung des Unterhalts oder bei der Ausgestaltung eines Wechselmodells – eine fundierte rechtliche Beratung kann helfen, die eigenen Rechte und Pflichten zu klären und zu einer fairen Lösung zu kommen. Gerade in emotional aufgeladenen Situationen kann ein erfahrener Rechtsbeistand dazu beitragen, Konflikte zu entschärfen und das bestmögliche Ergebnis für alle Beteiligten zu erzielen.
Als erfahrene Rechtsanwaltskanzlei sind wir darauf spezialisiert, Sie in allen Fragen des Familienrechts kompetent und einfühlsam zu beraten. Egal, ob es um Unterhaltszahlungen, das Sorgerecht, Umgangsregelungen oder andere familienrechtliche Themen geht – wir stehen Ihnen mit unserer Fachkompetenz zur Seite. Besonders bei den hier aufgezeigten Fragestellungen, wie der beruflichen Neuorientierung und ihren Auswirkungen auf den Unterhalt oder der Umsetzung eines Wechselmodells, können wir Sie umfassend unterstützen.
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