„NRW schließt Schulen und Kitas!“ Was für die Presse eine willkommene Schlagzeile war, stellt viele Eltern vor ernste Probleme. Es gibt zahlreiche Fragen: Muss ich Urlaub nehmen, um mein Kind zu betreuen? Oder: Fallen die Kita-Gebühren noch an, wenn die Kita wochenlang geschlossen bleibt?

Eins vorab: Da es um Landesrecht geht, lassen sich diese Fragen nur von Bundesland zu Bundesland, teilweise sogar nur von Stadt zu Stadt beantworten. Eine rechtliche Klärung durch die Gerichte wird es wohl erst geben, wenn die Corona-Krise längst hinter uns liegt. Aber schon jetzt sollte man sich die rechtlichen Möglichkeiten vor Augen führen.

Zwei Fragen drängen sich auf.

1. Anspruch auf Betreuung

Die für Eltern dringendste Frage dürfte die nach den Folgen der Schließung von Betreuungseinrichtungen sein. Gibt es keine Möglichkeit, Kinder bei Bekannten oder Verwandten (von der Betreuung durch Großeltern wird allerdings abgeraten) abzugeben, wird ein Elternteil wohl oder übel zuhause bleiben müssen. Aber wer zahlt dann den Lohn oder das Gehalt? Der Arbeitgeber ist zur Lohnfortzahlung erst einmal nicht verpflichtet, wenn man von sich aus zuhause bleibt, um Kinder zu betreuen, und auch die Krankenkassen sträuben sich derzeit noch gegen eine Inanspruchnahme der 10 Krankheitstage, die jedem gesetzlich versicherten Elternteil zur Betreuung kranker Kinder zustehen. Argument: Die Kinder seien schließlich nicht krank. In Einzelfällen kann ein Anspruch auf Lohnfortzahlung allerdings gemäß § 616 BGB bestehen.

Vielen wird daher nichts anderes übrig bleiben, als der Empfehlung Armin Laschets zu folgen und den Urlaub vorzuziehen. Für Eltern ergibt sich dann aber mitunter die Schwierigkeit, dass sie für die normalerweise während der Sommerferien angesetzten Schließzeiten keine Urlaubstage mehr übrig haben. Sie fragen sich also, ob die Betreuungseinrichtungen ihrerseits die für den Urlaub angesetzten Schließzeiten nun vorziehen müssen.

Eine entsprechende Selbstverpflichtung der örtlichen Träger würde vielen Eltern eine große Sorge nehmen. Soweit sie nicht kommt, ist diese Frage rechtlich zu klären.

Gemäß § 24 Abs. 2 SGB VIII haben Kinder ab dem erste Lebensjahr Anspruch auf einen Platz in einer Tageseinrichtung (bis zum Schuleintritt) oder Kindertagespflege (bis zum dritten Lebensjahr). § 13e Kinderbildungsgesetz NRW (KiBiz), zugleich Viertes Gesetz zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetz – SGB VIII, konkretisiert diese Pflicht insofern, als Kindertageseinrichtungen gemäß § 13e Abs. 2 KiBiz verpflichtet sind, ganzjährig eine regelmäßige Betreuung und Förderung aller aufgenommenen Kinder zu gewährleisten. Die Anzahl der jährlichen Schließtage (ohne Samstage, Sonn- und Feiertage) soll 20 und darf 30 Öffnungstage nicht überschreiten. Der Fall scheint also klar. Dass es nicht so einfach sein kann, zeigt schon die Überlegung, dass die staatlich angeordnete Schließung der Einrichtungen ja auch die vorgesehenen 30 Tage überschreiten kann.  Rechtsprechung, an der man sich orientieren könnte, gibt es insbesondere zu § 13 e KiBiz soweit ersichtlich noch nicht.

Im Einzelfall wird man zunächst in den Betreuungsvertrag schauen müssen. Bei städtischen Einrichtungen besteht überdies die Möglichkeit, sich an das Jugendamt zu wenden. So werden in der Landeshauptstadt Düsseldorf die Schließtage der städtischen Einrichtungen nach Anhörung des Elternrates durch das Jugendamt festgesetzt. Zwar stehen sie für das Jahr 2020 längst fest, es ist aber nicht einzusehen, warum die Festlegung in Absprache mit dem Elternrat nicht abgeändert werden können soll. Findet sich hier keine Lösung, können Eltern, die im Sommer während der Schließtage aufgrund des jetzt genommenen Urlaubs keine Betreuungsmöglichkeiten haben, rechtlich zwei Wege gehen.

Sie könnten ihr Kind privat in einer Betreuungseinrichtung unterbringen und den Träger der öffentlichen Jugendhilfe dann auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Alternativ kann man ggf. im Wege der einstweiligen Verfügung den Träger zur Bereitstellung eines Betreuungsplatzes auch während der bereits festgelegten Schließtage zwingen.

Es wird sich zeigen, wie die Gerichte diesen Sonderfall entscheiden. Lehnen sie die vorgenannten Ansprüche ab, bleibt die Frage, ob man für die ausgefallenen Tage dann wenigstens keine Beträge zahlen muss.

2. Beiträge für Kindertageseinrichtungen oder Kindertagespflege

In Nordrhein-Westfalen sieht § 23 Abs. 1 Satz 1 KiBiz vor, dass für die Inanspruchnahme von Angeboten in Kindertageseinrichtungen oder Kindertagespflege Teilnahme- oder Kostenbeiträge (Elternbeiträge) nach § 90 Abs. 1 SGB VIII erhoben werden können. Gemäß § 23 Abs. 1, Satz 4 kann das Jugendamt darüber hinaus die Zahlung eines angemessenen Entgelts für Mahlzeiten an die Tagespflegepersonen zulassen.

Muss ich auch zahlen, wenn mein Kind die Einrichtung nicht besucht?

Hier wird man wiederum zunächst auf den konkreten Fall schauen müssen. Viele Städte und Gemeinden haben hier eine Entgeltsatzung erlassen; in einigen ist auch geregelt, was im Falle einer Schließung gelten soll. Die Landeshauptstadt Düsseldorf regelt dies in der Satzung über die Erhebung von Elternbeiträgen für die Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen, in Tagespflege und im Rahmen der offenen Ganztagsschule im Primarbereich. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 wird die Betragspflicht durch Unterbrechungen, z. B. Urlaub oder Fehltage des Kindes bis maximal 4 Wochen, nicht berührt. Hieraus ergibt sich also, dass die Beitragspflicht jedenfalls dann entfällt, wenn die Corona-bedingte Schließung länger als vier Wochen dauert.  

Ist ein Ruhen der Beitragspflicht nicht in einer Satzung geregelt, so verlang das Oberverwaltungsgericht NRW in Münster eine gröbliche Störung des Ausgleichsverhältnisses zwischen Beitrag und angebotener Leistung. Hier schwingt mit, dass die Beiträge ja nur ein Zuschuss zu den Betriebskosten einer Kindertageseinrichtung sind und hier ja auch im geschlossenen Zustand Kosten anfallen. Wann eine gröbliche Störung vorliegt, ist bisher nicht entschieden. Angesichts der Regelung in § 13e KiBiz wird man sie aber jedenfalls dann annehmen, wenn die dort geregelten 30 Schließtage überschritten sind.

Schadensersatzansprüche z. B. gerichtet auf den Ersatz von  Verdienstausfall wegen der unterbliebenen Bereitstellung eines Betreuungsplatzes dürften ausscheiden, weil der BGH für den Anspruch gemäß § 839 BGB i. V. m. Art 34 GG das Verschulden eines Amtsträgers verlangt.  

Es bleibt daher abzuwarten, ob die Landesregierung im Hinblick auf die Entschädigung der durch ihren Corona-Erlass betroffenen Eltern Entschädigungsregelungen beschließt. Die betroffenen Eltern sollten die Entwicklung daher sehr gut beobachten.

Nachtrag, 27.03.2020

Kinder- und Familienminister Joachim Stamp hat inzwischen angekündigt, dass Eltern in ganz NRW im April keine Beiträge für Kitas, Tagespflege und Offenen Ganztag an Schulen (OGS) zahlen müssen.