Das Thema K.O.-Tropfen zur Begehung von Straftaten ist eines, welches aufgrund wiederholter Vorfälle nicht an Aktualität verliert.
Wer einer anderen Person K.O.-Tropfen verabreicht, um dadurch ein Sexual- oder Raubdelikt zu ermöglichen und sein Opfer dann gegebenenfalls auch noch schutzlos zurücklässt, der steht vor nicht unerheblichen strafrechtlichen Konsequenzen (gefährliche Körperverletzung §§ 223, 224 StGB, schwerer Raub § 250 StGB, sexueller Übergriff § 177 StGB, Aussetzung § 221 StGB).
Was war passiert:
Ein Mann verabreichte seiner Verlobten sowie der neuen Partnerin seiner Ex-Freundin K.O.-Tropfen, um mit Ihnen Sex zu haben. Es wurden große Mengen Alkohol konsumiert und der Mann tropfte im Verlaufe des Abends die K.O.-Tropfen in die Gläser. In der Folge kam es, wie von dem Mann von Anfang an beabsichtigt, aufgrund der Wirkung der Tropfen zu diversen Körperlichkeiten. Der Abend endete für die Freundin der Ex-Freundin im Garten, wo sie nicht mehr ansprechbar in einem durchnässten Bademantel aufgefunden wurde.
Im vergangenen Oktober entschied der 5. Strafsenat des BGH, dass durch eine solche Tat zwar Gewalt im Sinne von § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB begangen wird, um ein gefährliches Werkzeug im Sinne der Qualifikation des § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB handelt es sich dabei jedoch nicht. Weder die Tropfen selbst noch der Einsatz der Pipette seien unter das Tatbestandsmerkmal des gefährlichen Werkzeugs zu fassen.
Gefährliches Werkzeug: Gegenstand, der nach seiner Beschaffenheit und der konkreten Verwendung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen.
Der BGH vertritt die Auffassung, dass die Verwendung eines gefährlichen Werkzeuges in einem solchen Fall nicht gegeben sei, da diese Auslegung den Gesetzeswortlaut derart überschreitet, dass eine Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes nach Art. 103 II GG angenommen wird. Unter einem Werkzeug sollen demnach nur feste Gegenstände, nicht jedoch Flüssigkeiten oder Gase zu verstehen sein.
Für § 250 StGB (schwerer Raub) war bereits höchstrichterlich entschieden worden, dass unter gefährlichen Werkzeugen keine Stoffe verstanden werden können, die erst nach einem Stoffwechselprozess im Körper narkotisierend oder sedierend wirken.
Es sei außerdem nicht angezeigt innerhalb des Strafgesetzbuches dieselben Begriffe anders zu interpretieren, weshalb das gefährliche Werkzeug auch im Rahmen von § 177 Abs. 8 StGB eben diesen Grenzen unterliegen solle.
Der Pipette selbst fehlt es deshalb an der Werkzeugqualität, weil durch die Pipette nicht unmittelbar selbst Verletzungen hervorgerufen werden, da durch diese die Flüssigkeit lediglich in ein Glas gefüllt wird. Es fehlt also schlichtweg an der Unmittelbarkeit. Etwas anderes ergibt sich zum Beispiel in Fällen, in denen Säure direkt auf die Haut gespritzt wird.
Folge:
Die Folge dieser Entscheidung ist, dass zwar eine Strafbarkeit der Sexual- und Raubtaten möglich ist, allerdings ohne Anwendung der Qualifikationen des § 177 Abs. 7, 8 StGB sowie § 250 Abs. 1, 2 StGB, die zu einer höheren Freiheitsstrafe führen würden.
Grundtatbestand: Ausgangsform eines jeweiligen Deliktstyps. In ihm sind die Mindestvoraussetzungen der Strafbarkeit eines bestimmten Handelns oder Unterlassens festgehalten.
Qualifikation: Erweiterung eines Grundtatbestandes um strafschärfende Tatbestandsmerkmale.
Die Bundesregierung forderte daher die Bundesländer auf einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorzulegen, der eine schuldangemessene Bestrafung unter strafschärfender Berücksichtigung des Einsatzes psychotroper Substanzen wie K.O.-Tropfen ermöglicht.
Der BGH stellte in seinem Beschluss klar, dass es dennoch der tatrichterlichen Beweiswürdigung unterliege, im Einzelfall K.O-Tropfen als ein ,,sehr gefährliches und in seiner konkreten Wirkungsweise“, gerade in Kombination mit Alkohol, kaum zu kontrollierendes Mittel auf Strafzumessungsebene zu berücksichtigen.
Zudem besteht über § 177 Abs. 8 Nr. 2b StGB die Möglichkeit eine Qualifikation über die ,,Herbeiführung einer konkreten Todesgefahr“ für das Opfer zu bejahen.
Fazit:
Die Strafschärfung über das Tatbestandsmerkmal des ,,gefährlichen Werkzeuges“ ist in solchen Fällen aufgrund der höchstrichterlichen Entscheidung des BGH wenig erfolgsversprechend. Trotzdem gibt es vor allem im Fall des § 177 StGB Optionen, um die Strafschärfung ins Spiel zu bringen. Nicht selten wird aber aufgrund der gefährlichen Wirkungsweise von K.O.-Tropfen, vor allem in Kombination mit Alkohol und vor dem Hintergrund, dass die körperlichen Folgen der Einnahme nicht vorhersehbar und zudem stets individuell sind, eine konkrete Todesgefahr bestehen.
Es bleibt abzuwarten, ob seitens der Länder ein Gesetzesentwurf vorgelegt wird, der eine schuldangemessene Bestrafung bei dem Einsatz psychotroper Substanzen zur Begehung von Straftaten möglich machen könnte.