Wer während seines Urlaubs erkrankt, kann grundsätzlich mit einer Lohnfortzahlung rechnen, sofern eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) vorliegt. Doch was passiert, wenn diese von einem Arzt im Ausland ausgestellt wurde? Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich dieser Frage gewidmet und entschieden, dass eine ausländische AU grundsätzlich denselben Beweiswert wie eine deutsche besitzt. Allerdings kann dieser Beweiswert unter bestimmten Umständen erschüttert werden – mit erheblichen Folgen für Arbeitnehmer.

Der Fall: Krank im Urlaub – berechtigte Zweifel?

Ein langjähriger Lagerarbeiter meldete sich während seines Urlaubs im September 2022 in Tunesien krank. Ein örtlicher Arzt bescheinigte ihm eine schwere Ischialbeschwerde und ordnete Bettruhe bis zum 30. September an. Dennoch entschied sich der Arbeitnehmer bereits am Tag nach der Diagnose, die Heimreise mit einer Fähre und dem Auto anzutreten – und das trotz seiner attestierten Arbeitsunfähigkeit.

Der Arbeitgeber verweigerte daraufhin die Lohnfortzahlung, da er Zweifel an der tatsächlichen Krankheit hegte. Der Fall landete vor Gericht: Während das Landesarbeitsgericht (LAG) München zunächst zugunsten des Arbeitnehmers entschied, kippte das BAG diese Entscheidung und setzte neue Maßstäbe für den Umgang mit Auslandskrankschreibungen.

Wann eine AU aus dem Ausland angezweifelt werden kann

Das BAG betonte in seinem Urteil vom 15. Januar 2025 (Az.: 5 AZR 284/24), dass eine im Ausland ausgestellte AU grundsätzlich als Nachweis für eine Arbeitsunfähigkeit gilt – genauso wie eine deutsche Bescheinigung. 

Dennoch gibt es Ausnahmen: Wenn konkrete Umstände den Beweiswert erschüttern, kann der Arbeitgeber die Lohnfortzahlung verweigern.

In diesem Fall führten mehrere Faktoren dazu, dass das Gericht Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Klägers hatte:

  • Der Arbeitnehmer hatte bereits in der Vergangenheit auffällig oft nach dem Urlaub eine AU eingereicht.
  • Die Bescheinigung deckte einen ungewöhnlich langen Zeitraum von 24 Tagen ohne erneute ärztliche Kontrolle ab.
  • Trotz verordneter Bettruhe trat der Arbeitnehmer eine lange und potenziell beschwerliche Heimreise an.

Aufgrund dieser Umstände sah das BAG die Glaubwürdigkeit der AU als erschüttert an. Die Folge: Die Beweislast kehrte sich um, und nun musste der Arbeitnehmer selbst nachweisen, dass er tatsächlich arbeitsunfähig war – eine schwierige Aufgabe.

Auswirkungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber

Dieses Urteil macht deutlich, dass eine Krankschreibung aus dem Ausland nicht automatisch zur Lohnfortzahlung berechtigt. Arbeitgeber haben das Recht, eine AU zu hinterfragen, wenn nachvollziehbare Zweifel an der tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit bestehen.

Arbeitnehmer sollten sich darüber im Klaren sein, dass eine ärztliche Bescheinigung allein nicht immer ausreicht, wenn ihr Verhalten Zweifel aufkommen lässt. Wer während einer Krankschreibung Handlungen vornimmt, die im Widerspruch zur attestierten Erkrankung stehen, riskiert nicht nur den Lohn, sondern möglicherweise auch arbeitsrechtliche Konsequenzen.

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