In erbrechtlichen Streitigkeiten ist die Frage der Testierfähigkeit häufig von fundamentaler Bedeutung. Hier kann die Krankenakte wertvolle Hinweise geben. Um deren Vorlage ging es in einem Beschluss, den das OLG Hamm (I-10 W 3/23) gefasst hat.
Im entschiedenen Fall war die Testierfähigkeit des Erblassers anlässlich einer Testierung auf der Intensivstation eines Krankenhauses streitig. Zur Klärung der Frage wurde ein Gutachten beauftragt, dem Gutachter wurde aber die Übersendung der Krankenakte verweigert, da eine Entbindung von der Schweigepflicht nicht vorlag.
Das Gericht trat daher in ein förmliches Beweisaufnahmeverfahren ein. Die Vorlage der Krankenakte wurde per Gerichtsbeschluss angeordnet,es können jetztgegen das Krankenhaus Zwangs- und Ordnungsmittel eingesetzt werden .
Es wird insoweit klargestellt
- Die Anordnung der Vorlage von Patientenakten ist ein zulässiges Verfahren, um Erkenntnisse zur Testierfähigkeit zu gewinnen,
- Eine fehlende Entbindung von der Schweigepflicht führt nicht zu einem Zeugnisverweigerungsrecht des Krankenhauses.
- Für die Frage der Entbindung von der Schweigepflicht kommt es auf den erklärten oder den mutmaßlichen Willen des Erblassers an. Die Schweigepflicht kann nicht durch einen Erben angeordnet werden, da diese Anordnug ein höchstpersönliches Recht und daher nicht vererblich ist.
- Liegt eine Erklärung des Erblassers vor, so ist diese entscheidend.
- Liegt keine Erklärung vor, so ist hinsichtlich des mutmaßlichen Willens regelmäßig von einem Willen des Erblassers zur Aufklärung von Zweifeln auszugehen, da es regelmäßig der Wunsch des Erblassers ist, seinem Testament zur Wirksamkeit zu verhelfen.
- Es ist daher grundsätzlich keine Verschwiegenheitspflicht anzunehmen.
Jetzt ist der Weg frei für die Erzwingung der Vorlage der Patientenakten mittels Ordnungsgel oder Ordnungshaft. Daneben kommt in Betracht, dass Mehrkosten, die durch die Weigerung entstanden sind, dem Krankenhaus auferlegt werden.
Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Erbrecht Andreas Keßler, Kasseler Str. 30., 61118 Bad Vilbel, Tel.: 06101-9864500
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