Eine krankheitsbedingte Kündigung gehört zu den komplexesten Bereichen des Arbeitsrechts. Arbeitgebende können eine solche Kündigung nicht leichtfertig aussprechen, sondern müssen strenge rechtliche Voraussetzungen erfüllen. Beschäftigte wiederum sollten ihre Rechte kennen, wenn die Gesundheit sie daran hindert, weiterhin ihrer Arbeit nachzugehen.
In diesem Beitrag erfahren Sie alles Wichtige zu den Voraussetzungen, unter denen eine krankheitsbedingte Kündigung zulässig ist, welche Rolle die Gesundheitsprognose spielt und wann Arbeitnehmende selbst aus gesundheitlichen Gründen kündigen können.
Kündigung wegen Krankheit: Wann ist sie zulässig?
Die krankheitsbedingte Kündigung kann von Arbeitgebenden nur in Fällen ausgesprochen werden, in denen die Krankheit zu erheblichen Störungen im betrieblichen Ablauf führt. Für diese Kündigung gelten strenge arbeitsrechtliche Vorschriften, und die Interessenabwägung zwischen den Rechten der Arbeitnehmenden und den betrieblichen Erfordernissen spielt eine zentrale Rolle.
Die Arbeitgebenden müssen nachweisen, dass die Erkrankung zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung der betrieblichen Abläufe führt und es keine Aussicht auf Besserung gibt.
Wann darf krankheitsbedingt gekündigt werden?
Eine krankheitsbedingte Kündigung darf dann erfolgen, wenn die Arbeitsunfähigkeit zu wiederkehrenden oder langanhaltenden Ausfällen führt, die den betrieblichen Ablauf erheblich beeinträchtigen. Die wichtigsten Kriterien für eine Kündigung sind:
- Negative Gesundheitsprognose: Die Prognose, dass die betroffene Person auch in Zukunft nicht in der Lage sein wird, ihre Arbeit auszuführen. Diese Prognose muss von den Arbeitgebenden im Detail dargelegt werden. Eine nachträgliche Bestätigung der Prognose, etwa im Rahmen eines Gerichtsprozesses, ist irrelevant. Das LAG Köln hat hierzu entschieden, dass die Prognose ausschließlich zum Zeitpunkt der Kündigung relevant ist (Az. 7 Sa 504/23). Spätere Entwicklungen können weder zur Bestätigung noch zur Korrektur der Prognose herangezogen werden.
- Erhebliche Beeinträchtigung des Betriebs: Die Fehlzeiten müssen so erheblich sein, dass die Arbeitgebenden nachweisen können, dass diese den Betrieb wirtschaftlich oder organisatorisch belasten.
- Interessenabwägung: Arbeitgebende müssen die Interessen des Unternehmens mit den Rechten der Arbeitnehmenden abwägen. Eine Kündigung ist nur zulässig, wenn die Beeinträchtigungen für den Betrieb schwerwiegender sind als die sozialen und gesundheitlichen Interessen der betroffenen Person.
Wer stellt eine negative Gesundheitsprognose?
Die negative Gesundheitsprognose wird in der Regel von behandelnden Ärzt*innen oder vom Medizinischen Dienst erstellt. Arbeitgebende können diese Prognose nicht selbst anfordern, sondern sind auf bereits bestehende medizinische Gutachten angewiesen. Sie ist für die rechtliche Grundlage einer krankheitsbedingten Kündigung unerlässlich.
Wie lange muss der Arbeitsplatz bei Krankheit erhalten bleiben?
Der Arbeitsplatz muss so lange erhalten bleiben, bis eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit absehbar ist. Es gibt keine pauschale Zeitspanne, nach der eine Kündigung zulässig wird. In den meisten Fällen entscheidet die individuelle Belastung des Betriebs durch die wiederkehrenden Ausfälle.
Wann kann man aus gesundheitlichen Gründen kündigen?
Auch Arbeitnehmende haben das Recht, das Arbeitsverhältnis aus gesundheitlichen Gründen zu beenden. Dazu kann eine ärztliche Bescheinigung erforderlich sein, die bestätigt, dass eine Weiterführung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar wäre. Diese Form der Kündigung kann auch Auswirkungen auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld haben, weshalb eine rechtliche Beratung sinnvoll ist.
Wann ist eine krankheitsbedingte Kündigung auf jeden Fall unwirksam?
Eine Kündigung wegen Krankheit ist immer dann unwirksam, wenn der Arbeitgeber die rechtlichen Vorgaben zur Durchführung des BEM nicht beachtet oder keine ausreichenden Anstrengungen unternimmt, um den Arbeitnehmer wieder in den Betrieb zu integrieren.
Betriebliche Eingliederungsmanagement krankheitsbedingte Kündigung:
Das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ist eine zentrale Schutzmaßnahme für Arbeitnehmende, die aufgrund von längeren oder wiederholten Krankheitsausfällen gefährdet sind, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Arbeitgeber*innen sind verpflichtet, ein solches Verfahren anzubieten, wenn eine Person innerhalb von zwölf Monaten mehr als sechs Wochen krank war.
Ziel des BEM ist es, gemeinsam mit den Arbeitnehmenden Lösungen zu finden, die eine Rückkehr an den Arbeitsplatz ermöglichen und eine Kündigung verhindern. Das Verfahren umfasst verschiedene Maßnahmen, wie zum Beispiel:
Wichtige Schritte für Arbeitgebende im BEM:
- Frühzeitige Einleitung des BEM-Verfahrens: Sobald eine Arbeitnehmende oder ein Arbeitnehmender länger als sechs Wochen krank ist, muss das Verfahren innerhalb von vier Wochen nach der Rückkehr eingeleitet werden.
- Einladung zum Gespräch: Es ist entscheidend, die betroffene Person formell und einfühlsam zu einem BEM-Gespräch einzuladen und sie über den Ablauf des Verfahrens zu informieren. Arbeitgebende sollten die Arbeitnehmenden ermutigen, teilzunehmen, da dies auch ihre Chancen auf eine Rückkehr in den Betrieb erhöht.
- Beteiligung von Fachleuten: Neben den Arbeitgebenden und der betroffenen Person sollten auch Fachleute, wie Betriebsärzt*innen oder Reha-Expert*innen, in das Verfahren eingebunden werden, um individuelle Lösungen zu erarbeiten.
- Dokumentation und Nachverfolgung: Alle Schritte und getroffenen Vereinbarungen müssen sorgfältig dokumentiert werden, um im Falle eines späteren Konflikts oder einer rechtlichen Auseinandersetzung auf der sicheren Seite zu sein. Arbeitgebende müssen zudem die Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen überwachen.
Mögliche Maßnahmen im Rahmen des BEM:
- Anpassung des Arbeitsplatzes: Ergonomische Verbesserungen oder die Bereitstellung von Hilfsmitteln, um die Arbeitsfähigkeit der betroffenen Person zu erhalten.
- Flexiblere Arbeitszeiten: Eine Anpassung der Arbeitszeiten oder die Einführung von Homeoffice, um die Rückkehr zu erleichtern.
- Schrittweise Wiedereingliederung: Eine reduzierte Arbeitszeit, die nach und nach wieder auf die Vollzeitstelle angepasst wird, kann eine sanfte Rückkehr ermöglichen.
- Umschulung oder Fortbildung: Falls eine Rückkehr in den alten Tätigkeitsbereich nicht möglich ist, kann eine Weiterbildung oder Umschulung auf eine alternative Position helfen.
- Betriebliche Unterstützung: Maßnahmen wie Gesundheitsprogramme, Stressbewältigungsseminare oder psychologische Betreuung zur Förderung der Gesundheit und langfristigen Arbeitsfähigkeit.
Rechte, Pflichten & Risiken im BEM
Arbeitgebende sollten sich bewusst sein, dass die Teilnahme am BEM für die betroffenen Arbeitnehmenden freiwillig ist. Wenn die Arbeitnehmenden jedoch eine Teilnahme verweigern, könnte dies im Falle einer späteren Kündigung als nachteilig gewertet werden, da den Arbeitgebenden vorgeworfen werden könnte, das BEM nicht ausreichend angeboten zu haben. Daher sollten Arbeitgebende alle Schritte nachweisen können, um rechtliche Risiken zu minimieren.
Das BEM stellt eine rechtliche Pflicht dar, aber gleichzeitig auch eine Chance, die Arbeitnehmenden zu unterstützen und eine Kündigung zu vermeiden. Die rechtzeitige und ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens bietet den Arbeitgebenden die Möglichkeit, eine bestmögliche Lösung für alle Parteien zu finden und eine dauerhafte Arbeitsfähigkeit der betroffenen Arbeitnehmenden zu sichern.
Was tun bei einer krankheitsbedingten Kündigung?
Bei einer krankheitsbedingten Kündigung ist es entscheidend, schnell zu handeln und zu überprüfen, ob alle rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Eine Prüfung durch eine*n Anwalt/Anwältin für Arbeitsrecht kann helfen, die Wirksamkeit der Kündigung zu beurteilen und mögliche Schritte einzuleiten.
Wichtig ist die Einhaltung der Dreiwochenfrist, die mit dem Erhalt der Kündigung beginnt. Wird diese Frist versäumt, kann das Recht auf Klage gegen die Kündigung verloren gehen. Zudem muss geprüft werden, ob das BEM ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Wurde dieses versäumt, könnte die Kündigung aufgrund eines formellen Fehlers unwirksam sein.
Eine umfassende Dokumentation der Krankheitsgeschichte sowie ärztlicher Gutachten ist von Vorteil, um die eigenen Rechte im Kündigungsprozess zu wahren.
Kündigung aufgrund und während Krankheit Fazit:
Für eine krankheitsbedingte Kündigung gilt, dass Arbeitgebende nur dann kündigen können, wenn die Krankheit der beschäftigten Person zu erheblichen betrieblichen Nachteilen führt und eine negative Prognose zur Gesundheit vorliegt.
Arbeitgebende sind zudem beweispflichtig für die negative Prognose, und spätere Entwicklungen der Krankheit sind für das Verfahren nicht von Bedeutung. Eine Interessenabwägung zwischen den Rechten der Arbeitnehmenden und den Interessen der Arbeitgebenden ist dabei zwingend erforderlich. Betroffene sollten ihre Rechte kennen und sich im Zweifel arbeitsrechtlich beraten lassen.
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