Der 32-jährige Lagerarbeiter Herr M. ist seit fünf Jahren bei der X-Logistik GmbH beschäftigt. Die Arbeitszeiten sind im Schichtsystem geregelt. Herr M. wird für die kommende Woche erneut der Nachtschicht zugeteilt, obwohl er zuvor darum gebeten hatte, aus gesundheitlichen Gründen nur noch in der Frühschicht eingesetzt zu werden. Als sein Vorgesetzter ihm mitteilt, dass an der Schichteinteilung nichts geändert werden könne, reagiert Herr M. verärgert und äußert gegenüber einem Kollegen in der Pause:
„Na gut, wenn sie mich nicht aus der Nachtschicht rausnehmen, dann bin ich halt nächste Woche krank.“
Drei Tage später reicht Herr M. eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für genau den Zeitraum der geplanten Nachtschichten ein. Die Bescheinigung wurde rückwirkend vom Hausarzt ausgestellt.
Der Arbeitgeber sieht hierin einen Missbrauch des Entgeltfortzahlungsrechts und kündigt das Arbeitsverhältnis fristlos – ohne vorherige Abmahnung.
Wenn ein Arbeitnehmer ankündigt, dass er krank sein wird, kann das zu einer Kündigung führen – auch ohne vorherige Abmahnung. Das gilt besonders dann, wenn der Arbeitgeber den Eindruck bekommt, dass der Arbeitnehmer nur so tut, als wäre er krank, um weiterhin Geld zu bekommen, obwohl er gar nicht krank ist. In solchen Fällen spricht man von einem Missbrauch der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
Wichtig ist dabei, was genau gesagt wurde. Es macht einen Unterschied, ob jemand ehrlich sagt, dass er sich krank fühlt und zum Arzt gehen möchte – oder ob er das Krankmelden als Druckmittel benutzt, zum Beispiel um eine andere Schicht zu bekommen (LAG Hamm) oder um seinen Urlaub verlängern zu lassen (BAG).
Auch ist entscheidend, wem gegenüber die Aussage gemacht wurde: dem Arbeitgeber selbst, einem Vorgesetzten oder nur einem Kollegen.
Wenn ein Arbeitnehmer schon im Voraus ankündigt, dass er bald krank sein wird, kann das beim Arbeitgeber Zweifel an der späteren Krankschreibung wecken. In einigen Fällen kann so eine Ankündigung auch als Arbeitsverweigerung angesehen werden – oder sogar als strafbare Nötigung.
Sagt ein Arbeitnehmer zum Beispiel: „Wenn ich keinen Urlaub bekomme, werde ich eben krank“, obwohl er zu dem Zeitpunkt gar keine gesundheitlichen Beschwerden hat, kann das eine fristlose Kündigung rechtfertigen (§ 626 BGB). Denn dann sieht es so aus, als wolle er mit einer falschen Krankmeldung seinen Willen durchsetzen. Das stellt einen schweren Verstoß gegen die Pflichten aus dem Arbeitsvertrag dar – vor allem gegen das gegenseitige Vertrauen. In solchen Fällen braucht es keine Abmahnung vor der Kündigung.
Anders ist es, wenn ein Arbeitnehmer aus Frust zu Kollegen sagt, er werde sich „einen Krankenschein holen“. Auch dann können Zweifel an der Krankschreibung entstehen – aber diese kann z. B. vom Medizinischen Dienst überprüft werden. Wenn der Arbeitnehmer tatsächlich schon länger Beschwerden hat und die Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber nur der Auslöser ist, zum Arzt zu gehen, liegt kein Fehlverhalten vor.
Auch im o.g. Fall kann die Kündigung wirksam ergehen!